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»Wurde umgehend abgelöst«, sagte der Champion. »Nun, Sire, ich denke, wir haben hier genug Zeit verschwendet. Der Hof wartet.«

»Soll er«, mischte sich der Drache ein. »Auf ein Wort, Sir Champion…«

Sein mächtiger Schädel pendelte nach unten, bis er dem Ritter mit seinen großen goldenen Augen mitten ins Gesicht starrte. Die bewaffnete Eskorte trat den ungeordneten Rückzug an, doch der Champion wich nicht von der Stelle.

»Rupert ist mein Freund«, sagte der Drache. »Sie haben gedroht, ihn zu töten.« Helle Funken stoben plötzlich aus den Nüstern des Drachen, und zwei dünne Rauchfahnen stiegen in die stille Abendluft. Der Champion zuckte mit keinem Muskel.

»Ich habe meine Pflichten«, erklärte er.

»Zum Teufel mit Ihren Pflichten!«, fauchte der Drache.

Der Champion warf einen Blick auf Rupert, der die Szene mit unverhüllter Schadenfreude verfolgte. Sein Leben lang hatte er im Schatten des Champions gestanden, immer in dem Wissen, dem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Jetzt waren die Vorzeichen plötzlich vertauscht, und er beschloss, die veränderte Situation zu genießen, so lange sie währte. Der Champion registrierte Ruperts Grinsen und wandte sich zögernd wieder dem Drachen zu.

»Wenn Rupert auch nur das Geringste zustößt«, fuhr der Drache fort, »mache ich diese Burg platt. Ist das klar?«

»Absolut klar«, bestätigte der Champion. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass dein Atem nach Schwefel stinkt?«

»Drache!«, rief Rupert erschrocken, als sein Gefährte bedrohlich die Klauen ausfuhr. »Mir gefällt dein Gedanke, aber wir brauchen ihn noch, so ungern ich das eingestehe.«

»Danke«, bemerkte der Champion trocken.

Der Drache starrte den Champion noch ein paar Sekunden lang drohend an, ehe er sich wieder aufrichtete. Rauch quoll aus seinen Nasenlöchern, während er demonstrativ die Krallen an einem Mauervorsprung schärfte. Der Champion wandte sich an Rupert.

»Es wird höchste Zeit, dass Sie Ihrem Haustier Manieren beibringen, Sire.«

Rupert zuckte mit den Schultern. »Wer zehn Meter lang ist und Feuer speit, braucht keine Manieren. Und noch etwas, Sir Champion! Bezeichnen Sie meinen Freund nie wieder als Haustier! Das könnte ihm missfallen.«

Der Drache grinste breit. Nachdem der Champion eingehend seine spitzen Zahnreihen betrachtet hatte, kehrte er dem Drachen betont lässig den Rücken zu.

»Wenn ich bitten dürfte, Sire! Ihr Vater…«

»Ich weiß«, unterbrach ihn Rupert. »Mein Vater wartet nicht gern. Kommst du, Julia? Julia?«

»Dort drüben«, murmelte das Einhorn.

Rupert drehte sich um und sah gerade noch, wie Julia einem Gardeoffizier das Knie in die Weichteile rammte und gleich darauf eine Hofdame zu Boden streckte.

Gelangweilt, weil niemand sie beachtete, war Julia auf eigene Faust losgezogen, um sich das Schloss näher anzusehen.

Allerdings kam sie nicht weit. Ein schon etwas angejahrtes Püppchen von einer Hofdame und ein gelangweilt dreinblickender junger Gardesoldat versperrten ihr den Weg.

»Eine Prinzessin?«, meinte Lady Cecelia nach einem geringschätzigen Blick auf Julias abgewetzte Lederkluft. »Und

… woher genau, wenn die Frage gestattet ist?«

»Aus dem Hügelland«, entgegnete Julia knapp, während sie mit wachsender Beklommenheit Lady Cecelias Prunkgewand betrachtete. Das reich bestickte, mit hunderten von Halbedelsteinen besetzte und an den richtigen Stellen gepolsterte Gewand hüllte die Lady vom Ausschnitt bis zu den Knöcheln ein. Es war so schwer, dass sie sich nur mit trippelnden Schritten bewegen konnte. In den weiten Rüschen­

ärmeln hätte sich ein mittelgroßer Hund verkriechen können, und ein Korsett, das zumindest teilweise für die zarte Taille verantwortlich war, presste den Busen der Hofdame aus dem Ausschnitt heraus. Lady Cecelia wirkte reich und aristokratisch – einfach umwerfend. Und sie wusste es.

Na und?, dachte Julia. Ich hasse es nun mal, mich in ein Korsett zu zwängen!

»Hügelland.« Lady Cecelia schien nachzudenken. »Kann sein, dass ich mich täusche, meine Liebe, aber ich dachte immer, das Hügelland sei nur ein Herzogtum. Und streng genommen sollte man die Töchter eines Herzogs nicht als Prinzessinnen bezeichnen. Außerdem hat der Landadel ohnehin kein so großes Gewicht – in der feinen Gesellschaft, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Sie bedachte Julia mit einem anmutigen Lächeln, das sehr deutlich machte, wer hier zur feinen Gesellschaft gehörte und wer nicht.

Ich darf ihr keine scheuern, dachte Julia. Rupert hat schon genug am Hals.

Sie beugte sich vor und musterte Lady Cecelias Kleid genauer. Fischbeinstangen hielten nicht nur die Wespentaille, sondern auch die Hüften in Form.

»Wie können Sie in diesem Panzer atmen?«, erkundigte sich Julia.

»Mit vornehmer Zurückhaltung«, erwiderte Lady Cecelia kühl.

»Sind hier alle so aufgemotzt?«

»Alle, die zum engeren Kreis des Hofes gehören. Ich stelle mit Befriedigung fest, dass der Landadel die Haute Couture zumindest als solche erkennt.«

Ich werde ihr keine scheuern, nahm sich Julia vor.

»Sie sind in Begleitung des jungen Rupert angekommen?«, fragte Lady Cecelia.

»Ja«, bestätigte Julia. »Kennen Sie ihn?«

»Oh, wer kennt Rupert nicht!« Lady Cecelia hatte ein boshaftes Lächeln aufgesetzt. Der Gardeoffizier an ihrer Seite grinste unverschämt.

Julia runzelte die Stirn. »Habe ich etwas Komisches gesagt?«

Lady Cecelia kicherte wie ein albernes kleines Mädchen.

»Rupert, meine Liebe, ist nur dem Namen nach ein Prinz.

Den Thron wird er niemals besteigen. Der fällt eines Tages seinem älteren Bruder Harald zu. Ach ja, Harald! Das ist ein Prinz, wie er im Buche steht! Stattlich, charmant und ein Tänzer von Gottes Gnaden! Alle Damen schwärmen von ihm

… Ich könnte Ihnen Dinge von ihm erzählen, meine Liebe…«

»Harald geht mich nichts an«, fiel ihr Julia ins Wort. »Erzählen Sie mir mehr von Rupert!«

»Prinz Rupert«, sagte Lady Cecelia gereizt, »ist zu gar nichts zu gebrauchen. Er kann weder tanzen noch singen, geschweige denn dichten. Und er hat absolut keine Ahnung, wie man sich bei den Damen beliebt macht.«

»Genau«, feixte der Offizier. »Deshalb reitet er auch noch sein Einhorn.«

»Er ist kein richtiger Mann«, schnurrte Lady Cecelia.

»Ganz im Gegensatz zu meinem Gregory.«

Der Gardeoffizier ließ geschmeichelt seine Muskeln spielen.

»Rupert«, fuhr Lady Cecelia fort, »ist ein fader, langweiliger…«

»… rückgratloser Blödmann!«, ergänzte der Offizier. Und beide lachten höhnisch.

Also blieb Julia keine andere Wahl, als den Gardisten mit dem Knie und die Lady mit der Faust außer Gefecht zu setzen.

Am anderen Ende des Hofes beobachtete Rupert verblüfft, wie der Offizier nach vorn kippte und die Hofdame der Länge nach zu Boden ging. Ein Mann aus der Eskorte des Champions zog sein Schwert und trat einen Schritt vor. Rupert brachte ihn mit einem Tritt zu Fall und setzte ihm die Schwertspitze an die Kehle.

»Gute Reflexe«, lobte der Champion. »Sie haben Fortschritte gemacht, Sire.«

»Danke«, entgegnete Rupert knapp. »Behalten Sie diesen Clown da im Auge, während ich mich um Julia kümmere!« Er schob das Schwert in die Scheide, hastete quer über den Hof und konnte Julia gerade noch davon abbringen, Lady Cecelia mit der Stiefelspitze zu bearbeiten.

»Julia, nicht hier und jetzt! Ich möchte dich erst mal mit meinem Vater bekannt machen. Wenn du willst, zeige ich dir später jede Menge Leute, die du verprügeln kannst – lohnendere Opfer als dieser traurige Wicht! Die wahren Scheißkerle treiben sich nicht auf dem Hof, sondern in der Nähe des Throns herum.«

Julia fiel es sichtlich schwer, ihr Werk zu unterbrechen, aber sie ließ es zu, dass er sie wegführte.