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»Der Durchschnittsprinz eben«, seufzte Julia, und Rupert musste lachen.

Der Hofstaat hatte mittlerweile einigermaßen die Fassung wiedergewonnen. Ruperts Heimkehr allein hätte den Damen und Herren genug Klatsch für den Rest des Jahres geliefert, aber sein dramatischer Auftritt durch einen gesprengten Türrahmen sorgte für eine unerwartete Bereicherung des Gesprächsstoffs. Die Anwesenheit von Julia und dem Drachen heizte die Spekulationen an.

Allerdings wagte es bislang niemand, sich der Etikette gemäß mit der Prinzessin oder ihrem Schuppenbegleiter bekannt zu machen. Tatsächlich hatte sich eine lebhafte Diskussion entsponnen, in welcher Weise man sich dem Paar gefahrlos nähern könne, und die Tapfersten schlenderten gerade betont zwanglos heran, als die Anwesenden plötzlich entdecken mussten, was geschieht, wenn einem zehn Meter langen Drachen ein Wind entfährt. Die Höflinge traten den ungeordneten Rückzug an, fächelten verzweifelt mit parfümierten Taschentüchern und rissen die Fenster auf. Rupert und Julia sahen sich schicksalsergeben an. Offenbar einer dieser Tage, an denen alles daneben geht.

Der König war aufgesprungen, zornrot im Gesicht. »Bringt diesen Drachen aus dem Thronsaal! Bringt ihn weg, bevor er sich noch einmal vergisst!«

Der Drache vergaß sich noch einmal. Rupert sah ihn wütend an.

»Muss das wirklich sein?«

»Ja«, entgegnete der Drache fest.

»Und bist du jetzt fertig?«

»Vermutlich nicht.«

»Dann geh nach draußen und such dir ein Plätzchen, wo du niemanden störst! Die Burg ist groß genug.«

Der Drache zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Viel zu umständlich. Ich lege mich hier hin und versuche ein wenig zu schlafen.« Er spreizte die mächtigen Schwingen, sodass ein paar Höflinge entsetzt beiseite schlitterten, rollte sich dann mitten im Thronsaal ein und legte das Kinn bequem auf den Schweif. Die großen goldenen Augen fielen zu, und bald darauf schnarchte er gleichmäßig, eine Donnerwolke mit Blähungen.

»Ist dein Freund jetzt fertig?«, fragte der König eisig und lehnte sich auf seinem Thronsessel zurück.

»Ich hoffe es«, erwiderte Rupert. »Aber sprechen wir etwas leiser! Man soll schlafende Drachen nicht wecken.«

Der König seufzte und schüttelte langsam den Kopf. »Tritt näher, mein Sohn!«

Rupert trat näher, gefolgt von Julia. Der Astrologe stand zur Linken, Harald zur Rechten des Thronsessels. Der König starrte Rupert eine Zeit lang schweigend an.

»Rupert, kannst du denn gar nichts zu meiner Zufriedenheit erledigen?«

»Nicht sehr viel, wie es scheint«, entgegnete Rupert. »Entschuldige, dass ich einigermaßen heil von der Abenteuerreise zurückkehre – aber ich stelle mir das Totsein verdammt langweilig vor.«

»Ich meinte die Sache mit dem Drachen«, wandte der König ein.

»Aber sicher«, meinte Rupert kühl. Der König wich seinem Blick nicht aus.

»Ich tat, was ich für das Beste hielt«, sagte der König leise.

»Du meinst, du tatest, was der Astrologe für das Beste hielt.«

Thomas Grey verneigte sich steif, aber seine hellblauen Augen glitzerten gefährlich. »Ich berate den König, so gut ich es mit meinem bescheidenen Wissen vermag«, sagte er aalglatt. »Und wir fanden beide, dass die eine oder andere Heldentat Ihrem Ansehen bei Hofe dienlich sein könnte. Ein Prinz, der einen Drachen getötet hat, lässt sich zumindest leichter vermählen.«

Rupert lachte spöttisch. »Ah – ist der Markt immer noch mit nachgeborenen Söhnen überschwemmt?«

Der Astrologe wollte etwas erwidern, wurde aber durch eine Geste des Königs unterbrochen, der mit gefurchter Stirn das Einhorn betrachtete.

»Rupert, was ist mit dem Horn des Einhorns passiert?«

»Es verlor seine Waffe im Kampf.«

»Wie unachtsam von ihm!«, meinte Harald. Alle starrten ihn an, um zu sehen, ob er scherzte. Er wirkte völlig ernst.

»Harald«, sagte der König, »du solltest dir lieber Gedanken darüber machen, was du zu deiner Hochzeit anziehen willst. Du weißt, dass Diskutieren nicht deine Stärke ist.«

»Das Denken auch nicht«, murmelte Rupert.

»Jedenfalls hätte er mehr Verstand bewiesen, als einen lebenden Drachen mitzubringen!«, fauchte König Johann.

»Oder eine Prinzessin, die wir schon so gut wie los waren.

Jetzt müssen wir diese verdammte Ehe vollziehen, sonst bricht der Herrscher vom Hügelland die diplomatischen Beziehungen zum Waldkönigreich ab.«

»Ich heirate Harald aber nicht!«, begehrte Julia trotzig auf.

»Sie tun, was ich sage!«, erklärte König Johann. »Oder ich lasse Sie bis zur Hochzeit in das tiefste, schmutzigste Verlies werfen, das sich finden lässt!«

Ihre Blicke kreuzten sich, und Julia schaute zuerst weg.

Verunsichert wandte sie sich an Rupert. »Lässt du zu, dass er so mit mir umspringt?«

»Er ist mein Vater«, sagte Rupert.

Es folgte ein peinliches Schweigen.

»Eine solche Heirat ist doch kein Weltuntergang, Hoheit!«, meinte der Astrologe schließlich. »Wir müssen auch nichts überstürzen. Wenn Sie Harald erst einmal besser kennen lernen, werden Sie merken, dass er ein netter, umgänglicher Prinz ist, der sicher einen guten Ehemann abgibt. Und immerhin wird er eines Tages König sein.«

»Wenn wir bis dahin noch ein Reich haben«, warf der Champion ein.

Alle fuhren zusammen. Der Champion war unbemerkt näher getreten und blieb nun rechts von Rupert stehen. Er hatte die Streitaxt weggelegt und statt dessen sein Schwert umgeschnallt.

»Wie ich sehe, verstehen Sie sich immer noch darauf, von hinten anzuschleichen und die Leute zu erschrecken«, bemerkte Rupert.

»Eines meiner nützlichsten Talente.« Er verneigte sich leicht vor König Johann. »Majestät, wir müssen ein ernsthaftes Problem erörtern. Der Dunkelwald…«

»… kann eine Minute warten«, unterbrach ihn der König missmutig. »Ich bin mit Rupert noch nicht fertig. Mein Sohn, du solltest die wertvolleren Teile eines toten Drachen und zumindest einen Teil seiner Reichtümer heimbringen. Hast du denn überhaupt kein Gold erbeutet?«

»Nein«, sagte Rupert. »Es war keins da.«

»Jeder Drache sammelt Schätze.«

»Meiner sammelt Schmetterlinge.«

Alle starrten den schlafenden Drachen an. »Das sieht Ihnen ähnlich, Rupert«, sagte der Champion ruhig. »Nur Sie…«

»Hast du keinen Gegenstand von Wert vorzuweisen?«, beharrte der König.

»Nur das hier.« Rupert zog sein Schwert. Die anderen musterten argwöhnisch die blitzende Klinge.

»Es besitzt eine starke magische Aura«, meinte der Astrologe. Er sah Rupert zweifelnd an. »Welche Eigenschaften besitzt es?«

»Es zaubert Regenbogen herbei«, entgegnete Rupert ein wenig lahm.

Es entstand eine lange Pause.

»Sprechen wir über den Dunkelwald«, seufzte König Johann. »Das Thema scheint mehr herzugeben.«

»Mir soll's recht sein.« Rupert schob das Schwert in die Scheide.

»Die Zeit läuft uns davon, Majestät«, sagte der Champion beschwörend. »Wir haben bereits drei entlegene Dörfer an die Dämonen verloren, und der Schatten der langen Nacht rückt unerbittlich vor. Die Bäume sterben, und Blut verunreinigt die Flüsse. Kinder werden tot geboren, und das Getreide verfault, ehe man es ernten kann. Dämonen rennen vor dem Dunkelwald her und metzeln alles nieder, was ihnen in den Weg kommt. Meine Leute sterben da draußen, um uns eine kleine Atempause zu verschaffen. Ich ersuche Sie deshalb dringend um die Erlaubnis, bei den Baronen Männer auszuheben und ein Heer zusammenzustellen. Wir müssen uns der Dunkelheit entgegenstemmen, solange wir dazu noch in der Lage sind.«