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Die einzigen Laute waren das Wiehern und Schnauben der unruhigen Pferde sowie das Raunen des Windes im kahlen Astwerk. Doch dann nahm Rupert in den Schatten weiter vorn schleichende Bewegungen wahr und spürte ein Kribbeln im Nacken.

Stahl scharrte gegen Leder, als die Männer ihre Waffen zogen. Dämonen. Das Wort ging im Flüsterton durch die Reihen. Dämonen in den Schatten. Rupert zog ebenfalls sein Schwert und fluchte leise, als er merkte, dass sein Schild fest im Gepäck verzurrt war. Er versuchte die Schnallen zu lösen, während er angestrengt in das Halbdunkel starrte. Ein halbes Dutzend Ulanen kam nach vorn, um ihn und den Champion zu flankieren. Licht reflektierte von den Schäften ihrer langen, tödlichen Lanzen. Rupert hielt den Schild vor sich, warf dem Champion einen Blick zu und trieb das Einhorn vorwärts. Die Soldaten setzten sich ebenfalls in Bewegung.

Dämonen im Waldkönigreich. Dämonen mitten am Tage.

Der Dunkelwald muss näher sein, als wir dachten.

Rupert schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen.

Er rückte den Schild in eine etwas bequemere Stellung und versuchte den Schwertgriff mit den steif gefrorenen Fingern richtig zu fassen. Und dann schoss eine winzige Gestalt mit erhobenen Händen aus dem Unterholz und blieb mitten auf dem Weg vor ihnen stehen.

»Wir geben auf!«, rief das Kerlchen kläglich. »Ehrenwort!«

Rupert zügelte sein Einhorn so unvermittelt, dass die Pferde weiter hinten ins Stolpern gerieten. Ein Verdacht stieg in ihm auf, und langsam huschte ein breites Grinsen über seine Züge, als eine ganze Schar von Kobolden aus dem Unterholz hervortrippelte. Ihr Anführer warf einen Blick auf Rupert und zuckte sichtlich zusammen.

»O nein! Nicht schon wieder du!«

Die anderen Kobolde blinzelten Rupert kurzsichtig an und drängten sich dann schlotternd zusammen. Waffen fielen zu Boden, und einige der kleineren Krieger brachen in Tränen aus.

»Freunde von Ihnen?«, fragte der Champion.

»Nicht unbedingt«, sagte Rupert. Er winkte den Oberkobold zu sich heran. Zögernd kam das Kerlchen näher.

»Das darf doch nicht wahr sein!« Er warf Rupert einen bitterbösen Blick zu. »Ich habe Wochen damit zugebracht, diesen Haufen x-beiniger Idioten in eine Supertruppe zu verwandeln. Ich habe Bauern und Hirten und Kräutersammler zu stahlharten Kriegern gemacht. Erst vor zwei Tagen gelang es uns, ein Dämonenrudel abzuwehren. Die Kampfmoral war nie besser. Und was passiert? Du tauchst auf, und noch bevor du dein Schwert ziehst, sind alle demoralisiert. So was ist einfach nicht fair.«

»Nun beruhige dich wieder!«, sagte Rupert.

»Ich und mich beruhigen? Es reicht nicht, dass du zur Legende unter uns geworden bist – der einzige Mensch, dem es je gelang, ein ganzes Rudel von Koboldkriegern zu besiegen!

Es reicht nicht, dass einige aus diesem Rudel deinetwegen immer noch Albträume haben! Es reicht nicht, dass Koboldmütter seit neuestem ihren Kindern drohen, dass der böse Mensch sie holen wird, wenn sie ungezogen sind! Nein, nun verfolgst du uns auch noch mit einem ganzen Heer von Bewaffneten! Was hast du als Nächstes vor? Den Wald in Brand stecken, oder was?«

Rupert grinste. Allem Anschein nach hatten ihn die Kobolde zum mächtigen Helden aufgebaut, um ihre Niederlage gegen ihn zu rechtfertigen. So viel zum Sinn und Zweck mancher Legenden.

»Was treibt ihr denn so weit entfernt von daheim?«, fragte er.

Der Anführer der Kobolde sah ihn finster an. »Der Schlingpflanzenwald ist verschwunden«, sagte er missgelaunt. »Die Finsternis kam, und plötzlich wimmelte es auf den schmalen Pfaden von Dämonen. Sie zerstörten unsere Häuser und metzelten unsere Familien nieder. Wir nahmen von unserer Habe mit, was wir tragen konnten, und ergriffen die Flucht. Kobolde sind nicht tapfer. Wir mussten nie tapfer sein. Das liegt nicht in unserer Natur.

Aber nach allem, was wir gesehen haben, können einige von uns hassen.

Wir sind ein altes Volk, edler Held, die Letzten eines längst entschwundenen Zeitalters. Damals war das Leben einfacher. Es gab keine Menschen, die uns Angst einjagten, und keinen Dunkelwald, der unseren Wald verschlang. Magie beherrschte die Welt. Das kalte Eisen ruhte sicher im Schoß der Erde und war noch keine Gefahr für das Kleine Volk.

Dann kam der Mensch, setzte seinen Stahl gegen unsere Bronze ein und vertrieb uns aus unserem Reich. Mit der letzten Zauberkraft, die uns geblieben war, schufen wir den Schlingpflanzenwald und machten ihn zu unserer neuen Heimat. Nur wenige überstanden den Umzug. Wir leben lange und vermehren uns langsam. Und wir hassen Veränderungen.

Wir sind keine Kämpfer, edler Held. Das liegt nicht in unserer Natur. Wir sind nicht einmal gute Wegelagerer, wie Sie sicher noch wissen. Wir bestellen unsere Felder und hüten unsere Herden und kümmern uns nicht weiter darum, was in der Welt geschieht. Wir wollen nichts – nur dass man uns in Ruhe lässt. Aber nun breitet sich die Nacht aus, und unsere Tage sind gezählt. Einst gab es so viele von uns, dass niemand sie zählen konnte. Dann lebten wir zu tausenden im Schlingpflanzenwald. Nun sind wir nur noch ein paar hundert und besitzen keine Heimat mehr. Deshalb haben wir den Entschluss gefasst, zur Waldburg zu ziehen. Auch wenn wir nicht sehr stark und tapfer sind, auch wenn wir keine Waffen aus Stahl haben, edler Held, so können wir doch kämpfen.

Und falls die Burg unseren Familien Schutz bietet, werden wir sie mit unserem Leben verteidigen.«

Der Oberkobold schaute trotzig zu Rupert auf, als erwarte er Spott oder einen Schwerthieb für die Behauptung, seine Schar sei bereit, für die Burg zu kämpfen. Ruperts Blicke schweiften über das Kleine Volk hinweg, und er sah, dass die Kobolde bei den Worten ihres Anführers neuen Mut geschöpft hatten. Gefasst standen sie mitten auf dem Weg und warteten auf Ruperts Antwort. Sie waren vielleicht nicht tapfer, aber sie besaßen Stolz und Würde.

»Geht zur Burg!« Ruperts Stimme klang rau, und er musste sich räuspern. »Begehrt in meinem Namen Einlass. Ich bin Prinz Rupert vom Waldkönigreich. Eure Familien werden dort sicher sein, und der König kann Krieger wie euch immer gut gebrauchen.«

Der Oberkobold musterte ihn scharf und nickte kurz. »Und wohin seid ihr unterwegs, edler Held?«

»Wir reiten zum Schwarzen Turm«, sagte Rupert. »Wir sollen den Großen Zauberer holen.«

Die Mundwinkel des Oberkobolds zuckten. »Ich weiß nicht, wer mir mehr Leid tut – du oder er.«

Er machte auf dem Absatz kehrt und stapfte zurück zu seinen wartenden Kriegern. Immer mehr Kobolde kamen aus den Schatten des Waldes; Frauen und Kinder, beladen mit den wenigen Habseligkeiten, die ihnen geblieben waren. Der Anführer ordnete seine Gruppe unter gutem Zureden und Geschimpfe zu einer mehr oder weniger gut ausgerichteten Kolonne. Langsam und erschöpft setzten sich die kleinen Geschöpfe in Bewegung und zogen an den Gardesoldaten vorbei, die sie stumm und verwirrt anstarrten.

»Ich nehme an, dass Sie diesen… Leuten schon mal begegnet sind«, sagte der Champion.

»Einige von ihnen versuchten mich im Schlingpflanzenwald umzubringen«, erklärte Rupert. »Ich musste ihnen dieses Vorhaben ausreden.« Er merkte, dass er immer noch sein Schwert in der Hand hielt, und steckte es in die Scheide.

»Ich verstehe«, sagte der Champion. Sein Tonfall verriet, dass das eine Lüge war.

Rupert verkniff sich ein Grinsen und schaute nach unten, als jemand ungeduldig an seinem Steigbügel zerrte. Der kleinste Kobold sah ihn strahlend an.

»Guten Tag, edler Held! Erinnerst du dich noch an mich?

Ich wollte mich noch mal bei dir bedanken. Unser ruhmreicher Führer ist zwar ein verdammt guter Kämpfer, aber von Manieren hält er nicht sehr viel. Wohl gemerkt, das ist seine einzige Schwäche. Ansonsten lasse ich nichts auf ihn kommen, edler Held! Er hat uns sogar beigebracht, Dämonen zu besiegen. Erst vor kurzem konnten wir ein ganzes Rudel dieser Kreaturen in die Flucht schlagen.«