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Die Stimme kreischte und gurgelte und erstarb dann mit dem grauenvollen Saugen und Stöhnen, das Rupert schon einmal gehört hatte. Die plötzliche Stille schien ihm in den Ohren zu dröhnen. Er horchte angestrengt. Weit weg begann ein kleines Mädchen zu weinen.

Rupert fluchte leise und atmete tief durch. Es war ein Trick, ein verdammt durchsichtiger Trick. Andererseits waren auch Kinder verschwunden, und wenn eines durch Zufall überlebt hatte und nun suchend durch die Stollen irrte…

Rupert schüttelte hilflos den Kopf, gefangen in einer Unschlüssigkeit, die ihm das Herz zerriss. Er dachte mit einem Schaudern an den roten Schuh, und dann fiel ihm die Puppe ein, die er immer noch unter dem Wams trug. Er spürte, wie sie vom Tunnelboden gegen seine Brust gepresst wurde, und seufzte hilflos. Nein, er hatte keine Wahl. Selbst wenn die Aussichten verschwindend gering waren, die Kleine hier drunten lebend zu finden, musste er es versuchen. Er würde sich nie verzeihen, sie im Stich gelassen zu haben. Langsam drang er weiter in den Tunnel vor und verzog angewidert das Gesicht, als ihm der kalte Schlamm durch die Finger quoll.

Im Schein der Laterne erkannte Rupert, dass auch die Wände und die Decke des Stollens mit dem grässlichen Zeug bedeckt waren. Er kämpfte sich weiter, schlitternd und rutschend, und hielt krampfhaft das Schwert hoch, damit die Klinge nicht mit dem Schleim in Berührung kam. Das Weinen des kleinen Mädchens war immer noch zu hören, einsam und verloren. Rupert wartete eine Weile, bis sein Atem sich beruhigt hatte. Das Kriechen erschöpfte ihn, und der Rücken tat ihm mörderisch weh. Es schien ihm, als sei er seit einer Ewigkeit vorwärts gekrochen, aber das Weinen war nicht näher gekommen. Er spähte über die Schulter nach hinten.

Der Tunneleingang war nicht mehr zu erkennen. Er schaute nach vorn und runzelte die Stirn. Die eigentliche Abbaugrube konnte nicht mehr weit entfernt sein. Plötzlich kam ihm zu Bewusstsein, dass das Weinen verstummt war. Er wartete und horchte, aber alles blieb still. Sie könnte überall sein, dachte Rupert. Ich muss sie f inden, ehe diese Stimme sie einf ängt.

»Hallo?«, rief er leise. »Wo bist du? Du musst nicht weinen, Kleines! Ich helfe dir…«

Die Stimme kreischte triumphierend, und Ruperts Blut erstarrte, als der Tunnelboden unter ihm ins Schwanken geriet.

Etwas kam auf ihn zu, etwas Großes und unbeschreiblich Schweres. Ein seltsamer Druck baute sich im Stollen auf; Wind streifte sein Gesicht. Rupert erkannte, dass es kein Kind gab, dass es nie ein Kind gegeben hatte. Aber tief in seiner Seele hatte er das von Anfang an gewusst; er hatte es nur nicht glauben wollen. Er ergriff die Flucht, ohne darauf zu achten, dass er sich bei seinem hastigen Rückzug die Ellbogen an den Stollenwänden wund schlug. Das Wesen, dem die Stimme gehörte, hatte seine Laterne nicht sehen können und ihm deshalb eine Falle gestellt, damit er sich verriet. Nun wusste es, wo er war.

Er kämpfte sich zurück zum Tunneleingang, hin und her geworfen von dem schwankenden Boden. Ein tiefes Pochen und Grollen drang aus dem Dunkel, beängstigend nahe, und dann stolperte Rupert aus dem Tunnel in die Aufzug-Höhle.

Die Laterne flog ihm aus der Hand und rollte bedrohlich flackernd über den Boden, ehe sie dicht neben der Plattform liegen blieb. Rupert kletterte auf das Gerüst, zog die Laterne an sich und schrie dem Champion zu, man solle ihn nach oben holen. Schmatzende, schlürfende Geräusche drangen aus dem Tunneleingang. Rupert schlug zweimal mit der Flachseite des Schwerts gegen das Seil, stellte die Laterne ab und machte sich bereit zum Kampf gegen das Ding, das ihn verfolgte. Das dumpfe, entsetzlich gierige Grollen kam näher.

Plötzlich ruckte die Plattform unter ihm und setzte sich langsam in Bewegung.

Rupert schrie den Männern zu, schneller zu kurbeln, und umklammerte verzweifelt sein Schwert. Was immer ihn in die Tiefe des Bergwerks hatte ziehen wollen, gehörte den Mächten der Finsternis an, und die einzige Antwort auf die Finsternis war Licht. Er musste den Regenbogen beschwören. Er nahm das Schwert in beide Hände und schwang es hoch über den Kopf. Furcht, Hass und Verzweiflung strömten in ihm zusammen, als er der Finsternis seine Herausforderung entgegenschrie, aber kein Regenbogen erhellte die Schwärze. Das Schwert war kalt und tot, und Rupert wusste ohne den Schatten eines Zweifels, dass er diesmal völlig auf sich selbst gestellt war. Kein Regenbogen würde ihm helfen. Rupert senkte langsam das Schwert und starrte es wie betäubt an.

Niemand hatte ihm je die Zusicherung gegeben, dass der Zauber mehr als einmal wirken würde; er hatte es einfach vermutet. Und er hatte falsch vermutet. Ruperts Hände zitterten plötzlich. Panik stieg in ihm auf, und er rang keuchend nach Luft. Bis jetzt war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich auf das Regenbogenschwert verlassen hatte. Das Gefühl, einen Trumpf im Ärmel zu haben, hatte ihm Selbstvertrauen und eine nie gekannte Sicherheit verliehen. Rupert schüttelte heftig den Kopf, um die wachsende Panik zu verdrängen. Nun gut, dann war das Schwert eben keine Zauberwaffe. Er würde die Finsternis in der gewohnten Weise bekämpfen müssen. Das hatte er schon einmal getan; er konnte es ein zweites Mal tun. Und dann ertönte unmittelbar unter ihm ein Sabbern und Stöhnen. Etwas rammte die Unterseite der Plattform, sodass er das Gleichgewicht verlor.

»Schneller!«, schrie Rupert den Männern zu. »Zieht mich hoch! Zieht mich hoch!« Die Plattform schwankte und drohte nach einer Seite zu kippen, pendelte sich aber wieder aus, als sie an Fahrt gewann und das Geschöpf der Finsternis zurückblieb. Rupert starrte ängstlich in den Schacht hinauf. Der Lichtkreis der Öffnung kam immer näher. Es würde knapp werden. Er riss die Laterne an sich und machte sich bereit, von der Plattform zu springen, sobald sie auf gleicher Höhe mit dem Boden der Höhle war. Tief im Schacht geiferte das Geschöpf, stöhnte vor Hunger und Gier.

Es f olgt mir im Schacht nach oben, dachte Rupert wie betäubt. Was ist es? Was zum Henker ist es?

Die Plattform ratterte aus dem Schacht und in die Höhle.

Rupert warf sich zur Seite und rollte auf dem harten Boden ab. Irgendwie gelang es ihm, Schwert und Laterne festzuhalten. Er rappelte sich hoch, schrie den verdutzten Gardisten an der Haspel eine Warnung zu – und dann krachte etwas von unten gegen die Plattform. Die robusten Eichenbohlen zersplitterten, als das Geschöpf der Finsternis aus dem Schacht hervorbrach. Silbergrau und von einem unheimlichen Lichtschein umgeben, stürzte es sich auf die Männer, die nicht einmal Zeit zum Schreien fanden. Zuerst dachte Rupert, es sei so etwas wie ein ungeheuerlicher Wurm, aber nachdem es sich aus der Enge des Schachtes gezwängt hatte, sah er, wie das schimmernde Fleisch nach allen Seiten auseinander floss.

Die Kreatur besaß keine feste Gestalt, sondern nahm die Form an, die ihm gerade am meisten nützte. Plötzlich war der Champion an seiner Seite, packte ihn an der Schulter und schob ihn mit aller Kraft in den Tunnel, der an die Oberfläche führte. Rupert erwachte aus seiner Erstarrung und rannte los, dicht gefolgt vom Champion des Königs. Einmal schaute der Prinz zurück; das perlmuttglänzende Fleisch füllte die ganze Höhle aus und quoll bereits in ihren Fluchttunnel. Rupert stieß einen rauen Fluch aus und lief schneller. Der Champion hob die Laterne, um die Entfernung bis zum Ausgang abzuschätzen.

»Wir schaffen es nicht, Sire. Wir müssen anhalten und kämpfen.«

»Es wird uns umbringen!«

»Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben – bitte.«

Das Schlabbern und Stöhnen hinter ihnen brach sich an den Felswänden; das Ding grunzte wie ein Schwein am Futtertrog. Rupert warf verzweifelte Blicke nach allen Seiten, während er weiterrannte.

»Die Tunnelstützen!«, rief er plötzlich. »Das Holz ist ohnehin halb verfault. Wenn wir einen Teil der Stempen einrei­