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Auf einmal schien ein Treffen mit Zedd, schienen Aydindril und die Burg der Zauberer gar nicht mehr so weit entfernt.

Erfüllt von neuer Zuversicht, drückte Kahlan Richards Hand. Sie wußte, daß er weiter das Gelände vor ihnen erkunden wollte, und ließ ihn allein. »Ich werde zum Wagen zurückgehen und nachsehen, wie es Jennsen geht.«

Während Richard seinen Weg fortsetzte und Kahlan ihr Tempo drosselte, um den Wagen aufschließen zu lassen, glitt ein weiteres Dutzend schwarz gezeichneter Riesenkrähen, getragen von Luftströmungen hoch über der glühend heißen Ebene, heran. Sie behielten die Sonne im Rücken und blieben ein gutes Stück außerhalb der Reichweite von Richards Pfeilen, aber stets in Sichtweite.

Als der holpernde, ratternde Wagen sie eingeholt hatte und sich neben sie schob, reichte Tom ihr einen Wasserschlauch. Sie war so ausgedörrt, daß sie das aufgeheizte Wasser ohne Rücksicht auf den muffigen Geschmack hinunterstürzte. Den Wagen ließ sie an sich vorüberrollen, stellte einen bestiefelten Fuß auf die eiserne Speiche, ließ sich nach oben heben und kletterte über die Seitenwand.

Jennsen schien sich über die Gesellschaft sehr zu freuen. Kahlan erwiderte ihr Lächeln, ehe sie sich neben Richards Schwester und der leise vor sich hin winselnden Ziege niederließ.

»Wie geht es ihr?«, erkundigte sie sich und strich dem Tier zärtlich über die Ohren.

Jennsen schüttelte verzweifelt den Kopf. »So wie jetzt habe ich sie noch nie erlebt; es bricht mir fast das Herz, denn es erinnert mich daran, wie schmerzlich der Verlust meiner Mutter für mich war.«

Kahlan hockte sich auf die Fersen und drückte Jennsens Hand voller Mitgefühl. »Es ist schwer, ich weiß, aber Tiere kommen über einen solchen Verlust sehr viel leichter hinweg als Menschen. Du solltest es nicht mit dem Verlust deiner Mutter vergleichen. So traurig es sein mag, es ist etwas völlig anderes. Betty kann jederzeit wieder Junge bekommen und wird dies alles bald vergessen haben – was du oder ich niemals könnten.«

Kaum waren die Worte über ihre Lippen gedrungen, spürte sie, wie ihr der Verlust ihres ungeborenen Kindes einen schmerzlichen Stich versetzte. Selbst wenn sie später noch andere bekäme, diesen Verlust, verschuldet von brutalen Rohlingen, würde sie nie verwinden können.

Kahlan schaute zu, wie die schier endlose Ebene gemächlich zu beiden Seiten des Wagens vorüberglitt. Die wabernde Hitze schien den Horizont zu verflüssigen und den Wüstenboden stellenweise in flirrende Pfützen zu verwandeln, die langsam himmelwärts zu treiben schienen. Nach wie vor war nirgends eine Spur von Bewuchs zu erkennen, mittlerweile jedoch stieg das Gelände, jetzt, da sie den Bergen immer näher kamen, allmählich an. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder auf Leben stoßen würden, auch wenn im Augenblick noch nichts darauf hinzudeuten schien.

»Eins begreife ich nicht recht«, meinte Jennsen. »Du hast mir erzählt, ich soll in Dingen, die mit Magie zu tun haben, niemals überstürzt handeln, es sei denn, ich wüßte genau, was dabei herauskommt. Du sagtest, es sei gefährlich, und man sollte in Dingen der Magie niemals etwas unternehmen; solange man sich der Folgen nicht sicher ist.«

Kahlan wußte nur zu gut, worauf Jennsen hinauswollte. »Ja, das ist richtig.«

»Nun, das vorhin schien mir genau einer dieser Versuche mit Ungewissem Ausgang zu sein, vor denen du mich gewarnt hast.«

»Aber ich habe dir auch erklärt, daß man bisweilen gar keine andere Wahl hat, als schnell zu handeln, und nichts anderes hat Richard getan. Ich kenne ihn, er hat nach bestem Ermessen gehandelt.«

Jennsen schien damit zufrieden. »Ich wollte nicht andeuten, er habe einen Fehler gemacht. Ich meinte nur, daß ich es nicht begreife. Mir kam es jedenfalls ziemlich leichtsinnig vor. Woher soll ich wissen, was du meinst, wenn du mir sagst, ich soll nicht leichtsinnig handeln, wenn es doch um Magie geht?«

Kahlan lächelte. »So ist es nun einmal, wenn man mit Richard zusammen ist; die Hälfte der Zeit weiß ich nicht, was in seinem Kopf vorgeht. Wie oft habe ich schon gedacht, er handelt leichtsinnig, und dann stellte sich heraus, daß er nicht nur genau das Richtige getan hatte, sondern sogar das einzig Mögliche. Nicht zuletzt deswegen wird er schließlich der Sucher genannt. Ich bin sicher, er hat vorhin Dinge gespürt und berücksichtigt, die selbst mir verborgen geblieben waren.«

»Aber woher weiß er diese Dinge? Wie kann er so genau wissen, was er tun muß?«

»Oft ist er ebenso verwirrt wie du oder selbst ich; gleichzeitig aber ist er auch ganz anders als wir und verspürt eine Gewißheit, die wir einfach nicht kennen.«

»Anders?«

Kahlan sah die junge Frau an, betrachtete ihr rotes, in der Nachmittagssonne leuchtendes Haar. »Er ist mit beiden Seiten der Gabe geboren – alle anderen, die in den letzten dreitausend Jahren mit der Gabe geboren wurden, besaßen nur additive Magie. Einige wenige, wie Darken Rahl und die Schwestern der Finsternis, haben sich zuweilen subtraktiver Magie bedienen können, allerdings nur mit Hilfe des Hüters. Richard ist der Einzige, der bereits mit subtraktiver Magie auf die Welt gekommen ist.«

»Das hast du gestern Abend auch schon erzählt, aber ich habe von Magie keine Ahnung, deshalb weiß ich nicht, was es bedeutet.«

»Mit absoluter Gewißheit wissen wir das selbst nicht. Additive Magie benutzt Vorhandenes, um es zu verstärken oder auf bestimmte Weise zu verändern. Die Magie des Schwertes der Wahrheit zum Beispiel bedient sich des Zorns seines Trägers und verstärkt ihn, bis etwas Neues daraus entsteht. So können die mit der Gabe Gesegneten mit additiver Magie zum Beispiel Kranke heilen.

Subtraktive Magie dagegen dient der Vernichtung, der Zerstörung. Sie vermag Dinge in Nichts zu verwandeln. Laut Zedd ist subtraktive Magie das Gegenstück der additiven, so wie der Tag das Gegenstück der Nacht ist. Und doch sind beide Teil eines Ganzen.

Die subtraktive Magie zu beherrschen, wie Darken Rahl dies konnte, ist eine Sache, etwas völlig anderes dagegen ist es, mit ihr geboren zu sein.

Vor langer Zeit war es, im Gegensatz zu heute, durchaus üblich, mit beiden Seite der Gabe auf die Welt zu kommen. Eine der Folgen des Großen Krieges damals war daß man eine Barriere errichtete, die die Neue Welt von der Alten trennte – ein Maßnahme, die über viele Jahre den Frieden sicherte. Doch seitdem haben sich die Dinge geändert: Nicht nur sind die mit beiden Seiten der Gabe Geborenen äußerst selten geworden, sondern diese wenigen haben die subtraktive Seite der Gabe auch nicht mehr weitervererbt.

Richard stammt von zwei Geschlechtern von Zauberern ab, von Darken Rahl und von seinem Großvater Zedd. Darüber hinaus ist er seit Jahrtausenden der Erste, der mit beiden Seiten der Gabe geboren wurde.

Die Gesamtheit unserer Talente bestimmt über unser Vermögen, auf bestimmte Situationen zu reagieren. Nur wissen wir eben nicht, wie die beiden Seiten der Gabe sich auf Richards Vermögen auswirken, eine Situation so zu durchschauen, daß er das Notwendige tut. Ich vermute, daß die Gabe sein Handeln bestimmt, möglicherweise sogar in stärkerem Maße, als er selbst glaubt.«

Jennsen stieß einen besorgten Seufzer aus. »Wie kam es eigentlich, daß diese Grenze nach dieser langen Zeit gefallen ist?«

»Richard hat sie zerstört.«

Jennsen hob erstaunt den Kopf. »Dann stimmt es also doch. Sebastian hat mir nämlich erzählt, daß Lord Rahl – also Richard – die Grenze niedergerissen hat, und zwar damit er in die Alte Welt eindringen und sie erobern kann.«

Die Unterstellung war so ungeheuerlich, daß Kahlan nur darüber lächeln konnte. »Aber das glaubst du doch nicht etwa, oder?«

»Nein, jetzt nicht mehr.«

»Im Grunde ist es genau umgekehrt: Jetzt, da die Grenze gefallen ist, fällt die Imperiale Ordnung in die Neue Welt ein und ermordet oder versklavt jeden, der sich ihr dabei in den Weg zu stellen versucht.«

»Gibt es denn gar keinen Ort, wo die Menschen in Sicherheit leben können? Wo wir in Sicherheit leben können?«

»Nein – nicht, solange man diesen Leuten nicht Einhalt geboten und sie zurückgejagt hat.«