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Und dann würde der Spaß erst richtig beginnen.

Nicholas bahnte sich zwischen den unzähligen Leichen hindurch einen gewundenen Pfad durch den Raum. Sie waren alle ganz plötzlich krepiert, als die Riesenkrähen getötet wurden.

Welch ein grausamer Tod. Die Seelen waren entsetzt gewesen, als sie einfach hingemetzelt wurden, hatten aber nicht das Geringste tun können, um es zu verhindern. Ihre Seelen hatte er beherrscht, hatte ihr Schicksal in der Hand gehabt. Nun waren sie seiner Kontrolle entzogen; jetzt gehörten sie dem Hüter des Totenreiches.

Nicholas fuhr sich mit den Fingernägeln durch sein Haar und erbebte wie gewohnt vor Wonne, als er das glatte, seidige Gefühl der Öle zwischen seinen Fingern und auf der Innenfläche seiner Hand spürte.

Ehe er an die Tür gelangen konnte, mußte er erst drei Leichen auf die Seite schleifen. Dann warf er den schweren Riegel herum und öffnete die massive Tür.

»Najari!«

Najari stand unweit an die Wand gelehnt und wartete. Sein muskulöser Körper straffte sich.

»Was gibt es?«

Nicholas streckte seinen Arm in einer weiten, eleganten Bewegung nach hinten und spreizte die Finger mit den schwarzen Nägeln. »Die Sauerei dort drinnen muß unbedingt beseitigt werden. Schnappt Euch ein paar Männer und laßt die Leichen fortschaffen.«

Najari kam zur Tür und reckte seinen Hals, um einen Blick in den Raum zu werfen.

»Die ganze Gruppe, die wir hergebracht haben?«

»Ja, verdammt«, fuhr Nicholas ihn an. »Ich habe sie alle gebraucht, und sogar noch ein paar mehr, die ich mir von den Soldaten habe herbringen lassen. Aber jetzt bin ich mit ihnen fertig, also schafft sie fort.«

Während ihrer Attacke war jede der Riesenkrähen von der Seele eines dieser von der Gabe völlig Unbeleckten gelenkt worden, und jede dieser Seelen wiederum von Nicholas. Das gleichzeitige Kommando über all diese Seelen – noch dazu mit solcher Präzision und Koordination – war eine ungeheure Leistung gewesen.

Vermutlich, überlegte er, sollte er irgendwann einmal lernen, die Seelen zurückzurufen, sobald ihre Wirte ums Leben kamen; das würde es ihm ersparen, jedes Mal frischen Nachschub beschaffen zu müssen. Andererseits gab es Menschen zur Genüge. Zudem würde er sich, falls er tatsächlich einen Weg fände, sie zurückzuholen, vor diesen Leuten in acht nehmen müssen, sobald ihre Seelen zurückgekehrt und sie dahinter gekommen waren, wozu er sie benutzte.

Trotzdem, es war ein Jammer, daß dieser Richard Rahl die Tiere, die er zur Beobachtung einsetzte, getötet hatte.

»Wie lange noch?«, fragte Najari.

Ein Lächeln ging über Nicholas’ Lippen; er kannte den Grund seiner Neugier nur zu gut. »Nicht mehr lange. Aber vor ihrem Eintreffen müßt Ihr diese Leute fortschaffen. Und sorgt dafür, daß Eure Männer ihnen nicht in die Quere kommen. Sie sollen tun können, was immer ihnen beliebt.«

»Ganz wie Ihr wünscht, Nicholas.« Najari grinste anzüglich.

Nicholas zog eine Braue hoch. »Kaiser Nicholas.«

Najari lachte amüsiert in sich hinein, als er sich zum Gehen anschickte, um seine Männer zu holen. »Kaiser Nicholas.«

»Wißt Ihr, Najari, ich habe nachgedacht.«

Najari wandte sich noch einmal herum. »Worüber?«

»Über Jagang. Wir haben hart gearbeitet; warum sollte ich mich ihm da länger beugen? Ich könnte einen Schwarm meiner lautlosen Armee über ihm herniedergehen lassen, und das war’s. Ich brauchte nicht mal eine Streitmacht. Oder aber er besteigt eines schönen Tages sein Pferd, in dem ich bereits auf ihn lauere und nur darauf warte, ihn abzuwerfen und zu Tode zu trampeln.«

Najari strich mit der Hand über seine Bartstoppeln. »Der Gedanke hat etwas für sich.«

»Zu was ist Jagang überhaupt nütze? Ich könnte die Imperiale Ordnung ebenso gut führen, ja, ich wäre sogar besser geeignet.«

Najari neigte den Kopf zur Seite. »Was wird also aus den Plänen, die wir bereits ausgearbeitet haben?«

Nicholas zuckte die Achseln. »Warum sie ändern? Nur warum sollte ich Jagang die Mutter Konfessor aushändigen? Oder ihm gar die Welt überlassen? Vielleicht behalte ich sie zu meinem eigenen Vergnügen ... und die Welt gleich mit.«

56

Das dritte Stadium der Vergiftung hatte eingesetzt.

Zum Glück würde es wenigstens nicht mehr lange dauern, bis sie die letzte Dosis des Gegenmittels beschafft hatten.

»Dies hier ist die Gasse«, sagte Owen leise.

Richard blickte die Straße in beiden Richtungen entlang, konnte aber keine Bewegung entdecken; die Stadt Hawton lag in tiefem Schlummer. Er hätte ebenfalls gern schlafen wollen; er war so erschöpft und benommen, daß er kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte, und mußte flach atmen, um seinen Husten zu unterdrücken. Beim Husten waren die Schmerzen fast unerträglich. Immerhin spie er beim Husten noch kein Blut.

Aber da ein Husten jetzt fatale Folgen haben konnte, schluckte er und versuchte, den Drang zu unterdrücken. Schon der geringste Lärm konnte die Soldaten alarmieren.

Als Owen in die Gasse einbog, folgten Richard, Kahlan, Cara, Jennsen, Tom, Anson sowie eine Hand voll ihrer Leute im Gänsemarsch. In den zur Straße hinausgehenden Fenstern hatte kein einziges Licht gebrannt; als die kleine Gruppe sich jetzt dicht an den Häuserwänden vorbei durch die Gasse bewegte, sah Richard nicht einmal mehr Fenster. Einige der Rückfronten besaßen jedoch eine Tür.

Bei einem schmalen Spalt zwischen zwei Gebäuden bog Owen erneut ab und folgte einem mit Ziegeln gepflasterten Weg, der kaum breiter war als Richards Schultern.

Richard packte Owen beim Arm. »Ist dies der einzige Eingang?«

»Nein. Seht Ihr, dort vorn? Der Pfad geht durch bis zur Straße an der Vorderseite, dort gibt es noch einen zweiten Eingang, durch den man bis auf die andere Seite des Gebäudes gelangt.«

Richard, zufrieden, daß es einen zweiten Fluchtweg gab, nickte ihm kurz zu, dann stiegen sie durch den dunklen Treppenschacht hinunter bis zu einem im Untergeschoß gelegenen Raum. Tom mußte seinen Feuerstein etliche Male gegen den Stahl schlagen, bis es ihm endlich gelang, eine Kerze anzuzünden.

Als sie endlich brannte, sah Richard sich in dem kleinen, leeren, fensterlosen Raum um. »Wo sind wir hier?«

»Im Keller des Palasts«, sagte Owen.

Richard sah ihn fragend an. »Und was tun wir hier?«

Owen zögerte verlegen und warf einen Blick auf Kahlan.

Sie hatte den Blick bemerkt und drückte Richard herunter, bis er auf dem Boden saß und mit dem Rücken an der Wand lehnte. Sofort zwängte sich die fußwunde Betty zwischen den anderen hindurch und legte sich, froh über die Pause, neben ihn. Jennsen kauerte sich neben ihrer Ziege nieder, während Cara von der anderen Seite her an Richard heranrückte.

Schließlich ging Kahlan vor ihm in die Hocke und setzte sich auf die Fersen. »Ich selbst habe Owen gebeten, uns hierher zu bringen, Richard – an einen Ort, wo wir sicher sind. Wir können nicht alle in dieses Gebäude hinein, um das Gegenmittel zu beschaffen.«

»Vermutlich hast du Recht; das ist eine gute Idee. Owen und ich gehen allein, während ihr anderen hier wartet, wo euch niemand bemerken wird.«

Er machte Anstalten, sich zu erheben, doch Kahlan drückte ihn wieder nach unten. »Richard, du mußt hier warten. Du kannst nicht gehen; dir wird schwindelig. Außerdem mußt du deine Kräfte schonen.«

Richard starrte in ihre grünen Augen. Augen, die ihn stets bezaubert hatten, die alles außer ihr hatten unwichtig erscheinen lassen. Sie war für ihn das Wichtigste im Leben, sie bedeutete ihm alles.

»Ich fühle mich kräftig genug«, erklärte er. »Ich komme schon zurecht.«

»Wenn du in dem Gebäude, wo sich die Soldaten befinden, nur ein einziges Mal hustest, wird man dich umgehend gefangennehmen und dort nicht mehr herauslassen – erst recht nicht mit dem Gegenmittel. Man würde euch beide gefangennehmen, und was würde dann aus uns? Was würde passieren, wenn ...?« Sie ließ den Satz unbeendet und strich sich eine verirrte Strähne ihres Haars hinters Ohr. »Schau, Richard. Owen war bereits einmal dort – dann schafft er es auch ein zweites Mal.«