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»Aber seine Magie kann den Menschen hier doch gar nichts anhaben – sie sind von der Gabe völlig unbeleckt, genau wie ich.«

»Wenn er ein Gebäude mit Hilfe von Zaubererfeuer in Brand steckt, wie wir in Owens Heimatort, spielt es für die darin befindlichen Menschen keine Rolle, wodurch das Feuer ausgelöst wurde. Ist das Gebäude erst in Brand geraten, handelt es sich um ganz normales Feuer – Feuer, dem jeder zum Opfer fallen kann. Und wenn nicht das, so hat er Soldaten in der Stadt; er könnte sofort mit den Hinrichtungen unter der Bevölkerung beginnen und in kürzester Zeit Tausende enthaupten lassen. Meine Phantasie reicht nicht aus, um mir vorzustellen, was er sonst noch tun könnte – auf jeden Fall aber hat er diesen Brief in das Versteck des Gegenmittels gelegt, ich weiß also, daß er nicht scherzt.«

Kahlan drängte an Jennsen vorbei und machte sich erneut auf den Weg. Sie schaffte es nicht, ihr Zittern zu unterbinden, ebenso wenig gelang es ihr, ihr wild rasendes Herz zu beruhigen. Richard benötigte dieses Gegenmittel unbedingt, das war das Einzige, was zählte. Stur konzentrierte sie sich auf den vor ihr liegenden Weg und marschierte mit schnellen Schritten die Straße entlang.

Tom lief neben ihr her, auf der anderen Seite Jennsen. »So wartet doch, Mutter Konfessor. Wir müssen uns das erst genau überlegen.«

»Das habe ich bereits getan.«

»Wir könnten eine kleine, schlagkräftige Truppe zum Treffpunkt mitnehmen und das Gegenmittel mit Gewalt in unseren Besitz bringen.«

Kahlan lief unbeirrt weiter. »Von einem Zauberer? Das wage ich zu bezweifeln. Zudem dieser Nicholas das Gegenmittel, wenn er uns mit einer ganzen Truppe aufmarschieren sieht, wahrscheinlich in den Fluß schütten würde. Und was dann? Wir müssen tun, was er verlangt. Wir müssen dieses Gegenmittel in die Hände bekommen.«

»Was macht Euch so gewiß, daß dieser Nicholas es, sobald er Euch in seiner Gewalt hat, nicht doch in den Fluß schüttet?«, fragte Tom.

»Dieser Austausch muß auf eine Weise vorgenommen werden, die uns die größtmögliche Gewähr bietet, daß wir das Gegenmittel tatsächlich bekommen. Auf sein Wohlwollen und seine Ehrlichkeit können wir jedenfalls nicht vertrauen. Owen und Jennsen sind von der Gabe völlig unbeleckt, mit Magie kann er ihnen also nichts anhaben. Sie müssen dafür sorgen, daß uns das Gegenmittel bei dem Tausch tatsächlich ausgehändigt wird. Außerdem habe ich nicht die Absicht, diesem Nicholas irgendwelche Zugeständnisse zu machen.«

Jennsen wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Was willst du damit sagen?«

Kahlan nahm ihre ganze Entschlossenheit zusammen. »Was bietet uns die beste Gelegenheit, diese Stadt – und ganz Bandakar – von der Imperialen Ordnung zu befreien? Die Beseitigung dieses Mannes namens Nicholas. Und wodurch könnten wir besser an ihn herankommen, als ihn glauben zu machen, er habe den Sieg bereits in der Tasche?«

Jennsen kniff verdutzt die Augen zusammen. »Du willst ihn mit deiner Kraft berühren, das ist es, woran du denkst, hab ich Recht? Du glaubst, dir wird sich eine Gelegenheit bieten, ihn mit deiner Konfessorinnenkraft zu berühren.«

»Sobald er mir unter die Augen tritt, ist er tot.«

»Richard wäre nie im Leben damit einverstanden«, beharrte Jennsen.

»Ich habe nicht die Absicht, ihn zu fragen. Das ist allein meine Entscheidung.«

Tom trat vor sie hin und versperrte ihr den Weg. »Mutter Konfessor, ich habe einen Eid darauf geleistet, Lord Rahl zu beschützen, und habe Verständnis dafür, daß Ihr Euer Leben für ihn aufs Spiel setzen wollt – aber dies ist eine völlig andere Situation. Mag sein, daß Ihr mit Eurer Tat sein Leben zu retten versucht, aber um welchen Preis? Unser Verlust wäre viel zu groß. Das könnt Ihr nicht machen.«

Nun stellte sich ihr auch Owen in den Weg. »Ich muß ihm Recht geben. Lord Rahl wird völlig außer sich geraten, wenn Ihr Euch für das Gegenmittel eintauscht.«

Jennsen pflichtete ihm nickend bei. Kahlan blickte lächelnd in ihre von der Anspannung gezeichneten Gesichter; dann berührte sie Jennsens Wange mit der Hand.

»Erinnerst du dich noch, wie ich – unmittelbar, nachdem wir uns begegnet waren – sagte, es gebe manchmal Momente, in denen man keine andere Wahl hat, als zu handeln?«

Die Tränen schossen ihr wieder in die Augen, als sie nickte.

»Dies ist ein solcher Moment. Richard wird mit jedem Tag kränker. Er ist dem Tod bereits nahe. Wenn er das Gegenmittel nicht bekommt, hat er nicht den Hauch einer Chance und wird schon sehr bald sterben. Das ist der Stand der Dinge.

Meine Tat sichert Richards Überleben; und solange er lebt, habe auch ich noch eine Chance. Entweder ich kann diesen Nicholas mit meiner Kraft berühren, oder aber Richard und euch fällt eine Möglichkeit ein, wie ihr mich retten könnt. Stirbt Richard jedoch, sind wir alle unrettbar verloren.«

»Aber Kahlan«, schluchzte Jennsen, »wenn du das tust, verlieren wir dich ...«

Kahlan blickte von einem Gesicht zum anderen und wurde zusehends zorniger. »Wenn jemand von euch eine bessere Idee hat, nur raus mit der Sprache. Andernfalls riskiert ihr, daß ich unsere letzte Chance verspiele.«

Darauf wußte niemand etwas zu erwidern. Kahlan besaß als Einzige einen umsetzbaren Plan, alle anderen dagegen hatten außer ihren Wünschen nichts zu bieten. Mit Wünschen aber war Richard nicht zu retten.

Kahlan setzte sich erneut in Bewegung und beschleunigte ihre Schritte, um nur ja rechtzeitig am Treffpunkt zu sein.

57

Der Fluß, der die Stadt teilte, war breiter, als Kahlan erwartet hatte. Seine steilen Uferböschungen waren, jedenfalls in diesem Teil der Stadt, mehrere Dutzend Fuß hoch und mit großen Steinquadern eingefaßt. Die Brücke selbst, breit genug, daß zwei Wagen einander passieren konnten, überspannte den Fluß auf zwei Bögen und besaß an der Seite ein Geländer auf einfachen steinernen Pfeilern. Die unten dahinströmenden Fluten waren schwarz und reißend – gefährlich.

Kahlan ging weiter bis zum Fuß der Brücke und blieb dort erneut stehen. Der Mann auf der anderen Seite beobachtete sie.

»Habt Ihr das Gegenmittel?«, rief sie zu ihm hinüber.

Er hielt einen Gegenstand, offenbar ein kleines Fläschchen, hoch über seinen Kopf, ließ den Arm wieder sinken und deutete auf die Brücke. Offenbar wollte er, daß sie zu ihm kam.

»Mutter Konfessor«, flehte Owen sie an, »wollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen?«

Sie blickte in seine tränenfeuchten Augen. »Was gibt es da zu überlegen? Wenn ich diese Chance ungenutzt ließe, würde ich mir nicht mehr in die Augen sehen können.

Wir führen diesen Krieg, um Barbaren wie ihm Einhalt zu gebieten, Barbaren, die uns mit Tod überziehen, die unseren Tod wollen, weil sie es nicht ertragen, daß wir ein Leben nach unseren eigenen Vorstellungen führen. Diesen Menschen ist das Leben verhaßt, sie verherrlichen den Tod. Deshalb verlangen sie, daß wir werden wie sie und ihnen in ihrem Elend Gesellschaft leisten.

Als Mutter Konfessor habe ich der Imperialen Ordnung erbarmungslose Rache geschworen. Jedes Abweichen von diesem Kurs wäre glatter Selbstmord. Ich denke nicht daran, mir irgend etwas anders zu überlegen.«

»Und was sollen wir Lord Rahl ausrichten?«, fragte Tom.

Ein Lächeln ging über ihre Lippen. »Daß ich ihn liebe, auch wenn er das längst weiß.«

Kahlan löste die Schnalle ihres Schwertgurtes und reichte ihn Jennsen. »Owen, du kommst mit mir.«

Kahlan wollte bereits los, als Jennsen noch einmal die Arme um sie schlang und sie verzweifelt an sich drückte. »Sei unbesorgt«, sagte sie leise. »Wir werden Richard das Gegenmittel bringen, und dann kommen wir zurück und holen dich.«

Kahlan umarmte sie kurz, dankte ihr leise, dann trat sie auf die Brücke. Owen ging wortlos neben ihr her.

Der Mann auf der anderen Seite beobachtete sie, rührte sich aber nicht von der Stelle.

In der Mitte der Brücke blieb Kahlan stehen. »Bringt mir jetzt das Fläschchen«, rief sie zur anderen Seite hinüber.

»Kommt hierher zu mir, dann könnt Ihr es haben.«