Выбрать главу

Er hatte keine Chance; er gehörte ihr.

Die Zeit gehörte ihr.

Nicholas gehörte ihr.

Sie verschwendete keinen Gedanken darauf, was die Soldaten anschließend mit ihr machen würden. Im diesem Augenblick war es ihr gleichgültig; in diesem einen Augenblick zählte nur ihr Vermögen, das zu tun, was getan werden mußte. Dieser Mann gehörte ausgelöscht.

Er war der Feind. Dieser Mann war in ein Land eingefallen und hatte dort im Namen der Imperialen Ordnung unschuldige Menschen gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Dieser Mann war mit Magie in ein Monstrum verwandelt worden, dessen einziger Zweck in ihrer Vernichtung bestand. Dieser Mann war ein Werkzeug der Unterwerfung, ein Geschöpf des Bösen.

Richards Leben lag in den Händen dieses Mannes.

Die Kraft in ihrem Innern zerrte an ihren Fesseln.

Angesichts dieser Kraft verflüchtigten sich all ihre Gefühle zu einem bedeutungslosen Nichts; Angst, Haß, Wut und Entsetzen – all das kannte sie nicht mehr. Alle Empfindungen waren hinter kalter Vernunft zurückgetreten. In diesem alles verzehrenden Augenblick der Stille vor dem gewaltigen Ausbruch ihrer Kraft empfand sie nichts als unbedingte Entschlossenheit. Ihre Kraft war zu einem Werkzeug reiner Vernunft geworden.

Alle Hemmnisse fielen von ihr ab.

Für ein winziges Aufblitzen der Zeit vor sich die kleinen, glänzenden Augen, die ihr entgegenstarrten, erfüllte die Kraft ihr ganzes Sein.

Wie bereits unzählige Male zuvor, warf Kahlan die Fesseln ab, die sie noch hielten, und überließ sich einem Strom der Gewalt, der nur ein einziges Ziel kannte.

Doch wo sie die köstliche Entfesselung erbarmungsloser Stärke hatte spüren sollen, empfand sie nichts als furchtbare Leere, wo ihre Kraft in den Verstand dieses Mannes hätte eindringen sollen, war ... nichts.

Kahlan entfuhr ein lautes Keuchen. Entsetzt riß sie die Augen auf, als sie den heißen Schmerz eines Messers in ihrem Leib spürte; und überdies noch etwas völlig Fremdes und Entsetzliches, Grauenhaftes, das sich mit brutaler Gewalt einen Weg in ihren Körper suchte.

Ein heißer, quälender Schmerz zerriß ihr Bewußtsein bis auf den Grund ihrer Seele.

Es war, als würde ihr Innerstes auseinander gerissen.

Sie versuchte zu schreien, brachte jedoch keinen Laut hervor.

Die Nacht wurde noch schwärzer, als sie bereits war, dann hörte sie ein Lachen durch ihre Seele hallen.

58

Richard schlug die Augen auf und fühlte sich mit einem Schlag erschreckend hellwach.

Die Härchen in seinem Nacken sträubten sich; ihm war, als stünden ihm die Haare zu Berge. Sein Puls raste unkontrollierbar.

Im nu war er auf den Beinen. Cara, unmittelbar neben ihm und überrascht; daß er so plötzlich aufgesprungen war, versuchte noch, ihn am Arm festzuhalten. Sie schien zu befürchten, er könnte hinfallen, und musterte ihn mit sorgenvoller Miene.

»Was ist, Lord Rahl? Seid Ihr wohlauf?«

Im Raum war es mucksmäuschenstill. Von allen Seiten starrten ihm erschrockene Gesichter entgegen.

»Los, raus mit euch!«, brüllte er. »Holt eure Sachen. Alle raus, sofort!«

Richard schnappte sich seinen Rucksack. Kahlan konnte er nirgendwo entdecken, dafür aber ihren Rucksack, den er ebenfalls an sich nahm. Er fragte sich, ob er vielleicht noch träumte, obschon er sich doch nie an seine Träume erinnerte. Dann kam ihm der Gedanke, das Gefühl könnte vielleicht der Nachhall eines schrecklichen Alptraums sein. Nein – es war durchaus real.

»Bewegt euch!«, schrie Richard, indem er die noch Unschlüssigen zur Tür hin drängte. »Macht schon. Bewegt euch! Raus!«

Es war, als hätte ihn etwas gestreift, eine liebkosende, sanfte Berührung seiner Haut, warm und voller Bosheit. Eine Gänsehaut überlief prickelnd seine Arme.

»Beeilt euch!«

Hektisch stürmten alle die Treppe hoch.

Dicht hinter Richard folgte Cara.

»Wo sind Kahlan und Jennsen?«

»Sie sind vor einer Weile schon nach draußen gegangen«, sagte Cara.

»Gut. Gehen wir!«

Kaum hatte Richard den oberen Treppenabsatz erreicht, stieß ihn eine Flammenexplosion im Raum hinter ihm der Länge nach zu Boden. Cara landete auf seinen Beinen, als eine gelb-orangefarbene Stichflamme den Treppenschacht erhellte und das gesamte Untergeschoß in ein Flammenmeer verwandelte. Wogende Flammen schlugen die Stufen hoch.

Richard packte Caras Arm und warf sich mit ihr zusammen durch die offene Tür. Kaum waren sie in die Nacht hinausgestürzt; brach das gesamte Gebäude hinter ihnen unter donnerndem Getöse in Flammen aus. Teile des Gebäudes fielen in sich zusammen, wodurch die lodernden Feuersäulen neue Nahrung erhielten. Ringsumher gingen brennende Planken nieder, sprangen und trudelten über den vom Schein des Feuers hell erleuchteten Boden und zwangen Richard und Cara, die Köpfe einzuziehen.

»Wir müssen von hier verschwinden«, erklärte er Anson. »Nicholas weiß, daß wir hier sind. Das Feuer wird sie auf uns aufmerksam machen und Truppen hierher locken. Wir haben also nicht viel Zeit.«

Er sah sich um, aber noch immer konnte er Kahlan nirgendwo entdecken. Seine Besorgnis nahm noch zu, als er Jennsen, Tom und Owen durch die Gasse auf ihn zulaufen sah. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm sofort, daß etwas nicht stimmte.

Kaum war Jennsen bei ihm angelangt, packte er sie beim Arm. »Wo ist Kahlan?«

Jennsen rang nach Atem. »Richard, sie ... sie ...«

Sie brach in Tränen aus. Owen, auch er in Tränen aufgelöst, schwenkte ein rechteckiges Fläschchen sowie einen kleinen Zettel.

Richard starrte Tom an und wartete auf eine Antwort, auf eine schnelle Antwort. »Was geht hier vor?«

»Nicholas hat das Gegenmittel gefunden und es im Tausch gegen ... gegen die Mutter Konfessor angeboten. Wir haben versucht, es ihr auszureden, Lord Rahl, ich schwöre, wir haben nichts unversucht gelassen. Aber sie wollte auf keinen von uns hören und beharrte darauf, erst einmal das Gegenmittel zu beschaffen, um anschließend Nicholas töten zu können. Sobald Ihr es eingenommen habt, möchte sie, falls es ihr nicht selbst gelingt, ihn zu töten und zurückzukehren, daß Ihr sie holen kommt.«

Die lodernden Flammen beleuchteten die grimmigen Gesichter der Umstehenden.

»Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat«, setzte er hinzu, »ist es unmöglich, es ihr wieder auszureden. Sie versteht sich darauf, einen dazu zu bringen, zu tun, was sie verlangt.«

Richard kannte das nur zu gut. Inmitten des Getöses und dem Prasseln der Flammen hörte man das Gebäude ächzen und knacken, bis das Dach schließlich nachgab und eine gewaltige Funkenwolke gen Himmel stieben ließ.

Owen drückte Richard das kleine rechteckige Fläschchen in die Hand. »Lord Rahl, sie hat es doch getan, um das Gegenmittel zu beschaffen. Sie wollte, daß Ihr es bekommt, damit ihr wieder gesund werdet. Sie meinte, das sei wichtiger als alles andere.«

Richard entkorkte das Fläschchen. In Erwartung eines durchdringenden, süßlichen, aromatischen Geschmacks nahm er den ersten Schluck – und wurde bitterlich enttäuscht.

Er starrte in die Gesichter von Jennsen und Owen. »Es ist Wasser.«

Jennsen riß entsetzt die Augen auf. »Was?«

»Wasser. Wasser, versetzt mit ein wenig Zimt.« Richard schüttete es auf den Boden. »Jedenfalls ist es nicht das Gegenmittel. Sie hat sich für nichts in Nicholas’ Gewalt begeben.«

Jennsen, Owen und Tom waren sprachlos vor Schreck, Richard dagegen überkam ein Gefühl losgelöster Ruhe; es war vorbei. Dies war das Ende. Ihm blieb nur noch eine sehr begrenzte Zeit um zu tun, was getan werden mußte ... ehe für ihn alles zu Ende ging.

Zu Owen gewandt, sagte er: »Laß mich mal einen Blick auf den Zettel werfen.«

Owen reichte ihn ihm. Richard hatte keine Mühe, ihn im Schein der Flammen zu entziffern; er las ihn dreimal sorgfältig durch. Als er seinen Arm schließlich sinken ließ, riß Cara ihm das Stück Papier aus der Hand, um es selbst zu überfliegen.

Richard, den Blick starr durch die enge Hintergasse auf das brennende Gebäude gerichtet, versuchte zu begreifen. »Woher kann Nicholas gewußt haben, daß jemand das Gegenmittel holen kommen würde? Er sagte, wir hätten eine Stunde Zeit; woher wußte er überhaupt, daß wir schon nahe genug sind, um in seinem Brief eine solche Zeitangabe machen zu können?«