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Richard stand vor den Männern und hoffte, ihnen irgend etwas an die Hand geben zu können, das ihnen half, den Sieg davonzutragen.

»Ich hatte gehofft, wir würden nicht gezwungen sein, es auf diese Weise zu tun«, begann er. »Ich hatte gehofft, wir könnten so ähnlich vorgehen wie zuvor, als wir Feuer und Gift eingesetzt haben, so daß keiner von euch verletzt würde. Doch diese Möglichkeit ist uns nun verwehrt. Nicholas weiß, daß wir hier sind; wenn wir zu fliehen versuchen, werden seine Leute uns verfolgen. Einigen von uns würde die Flucht vielleicht sogar gelingen ... für eine Weile jedenfalls.«

»Wir sind es leid, immer nur davonzulaufen«, warf Anson ein.

»Das stimmt«, bestätigt Owen. »Nach unseren Erfahrungen führt fortzulaufen und sich zu verkriechen stets zu noch größerem Leid.«

Richard nickte. »Dem kann ich nur zustimmen. Aber über eins müßt ihr euch im Klaren sein: Einige von uns werden am heutigen Tag wahrscheinlich sterben, vielleicht sogar die meisten. Möglicherweise sogar wir alle. Wenn also jemand nicht kämpfen möchte, müssen wir das jetzt wissen. Sind wir erst in der Stadt, müssen wir uns blind aufeinander verlassen können.«

Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ging er langsam vor ihnen auf und ab. In dem trüben Licht war es schwierig, ihre Gesichter zu erkennen. Andererseits wußte Richard, daß ihm die Zeit davonlief. Sein Augenlicht würde zunehmend schlechter werden, und das Gleiche galt für sein Schwindelgefühl.

Er wußte auch, daß er nie wieder gesund werden würde. Wenn er also eine Chance haben wollte, Kahlan aus der Gewalt der Imperialen Ordnung zu befreien, dann würde dies sofort geschehen müssen – entweder mit Hilfe dieser Männer oder ohne sie.

Als niemand erklärte, er wolle aufgeben, fuhr Richard fort: »Aus zwei Gründen müssen wir an ihre Befehlshaber herankommen: zum einen, um herauszufinden, wo die Mutter Konfessor gefangen gehalten wird, und zweitens, um sie auszuschalten, damit sie ihre Soldaten nicht im Kampf gegen uns anführen können. Mittlerweile ist jeder von euch im Besitz einer Waffe; darüber hinaus haben wir euch, in der wenigen Zeit, die uns zur Verfügung stand, nach besten Kräften in ihrem Gebrauch unterrichtet. Aber da ist noch etwas, was ihr wissen müßt. Ihr werdet Angst haben. Genau wie ich auch. Und um diese Angst zu überwinden, müßt ihr euch eure Wut zunutze machen.«

»Wut?«, unterbrach ihn einer. »Wie sollen wir wütend werden, solange wir Angst haben?«

»Diese Soldaten haben eure Frauen vergewaltigt, eure Schwestern, Mütter, Töchter, Tanten, Nichten und Nachbarn«, fuhr Richard fort, indem er weiter auf und ab ging. »Denkt daran, wenn ihr den Feinden in die Augen seht. Sie haben fast alle eure Frauen verschleppt. Jeder von euch weiß, zu welchem Zweck. Sie haben Kinder gefoltert, um euch zur Aufgabe zu zwingen. Denkt an das Grauen eurer Kinder, als sie, vor Angst und Schmerzen schreiend, mutterseelenallein in einer Lache ihres eigenen Blutes sterben mußten, nachdem diese Soldaten sie verstümmelt hatten.«

Richards flammender Zorn übertrug sich auf seine Ansprache. »Denkt daran, wenn ihr sie mit siegesgewissem Grinsen auf euch zukommen seht. Diese Männer haben Menschen gefoltert, die ihr liebtet, Menschen, die ihnen nie ein Leid angetan haben. Denkt daran, wenn diese Männer sich mit ihren Händen, an denen Blut klebt, auf euch stürzen.

Diese Soldaten haben viele von euch verschleppt, um sie als Sklaven zu mißbrauchen. Viele andere wurden von ihnen einfach umgebracht. Denkt daran, wenn sie kommen, um euch ebenfalls zu töten.«

Richard wandte sich herum und sah den Männern ins Gesicht. »Denkt daran, wenn ihr diesen Bestien gegenübertretet.« Die Zähne zusammengebissen, schlug er sich mit der Faust gegen die Brust. »Und wenn ihr diesen Männern gegenübertretet, Männern, die euch und euren Lieben diese grauenhaften Dinge angetan haben, dann tretet ihnen mit Haß im Herzen gegenüber. Bekämpft sie mit haßerfülltem Herzen, und tötet sie mit haßerfülltem Herzen. Nichts anderes haben sie verdient.«

Im Wald war es vollkommen still, während die Männer sich seine harten, für manche sicherlich erschreckenden Worte durch den Kopf gehen ließen. Sein eigener Zorn und Haß waren so übermächtig, daß er es kaum noch erwarten konnte, sich auf die Soldaten der Imperialen Ordnung zu stürzen.

Richard, durchdrungen von der Bedeutung dessen, was er ihnen am Vorabend einer Schlacht von solcher Tragweite zu erklären hatte, blickte in jedes einzelne Gesicht, als ihm plötzlich der Schriftzug auf der Statue am Eingang dieses Landes in den Sinn kam, die Worte des Achten Gesetzes der Magie: Taiga Vassternich.

»Da ist noch ein letztes, was ich euch erklären muß«, erklärte er. »Das Wichtigste überhaupt.« Richard trat als Herrscher des d’Haranischen Reiches vor sie hin, eines Reiches, das um sein Überleben und für seine Freiheit kämpfte, und rief ihnen die Worte in ihrer eigenen Sprache zu. »Erweist euch des Sieges würdig.« Es wurde gerade eben hell, als sie in die Stadt einfielen. Zurückgeblieben war nur Jennsen; Richard hatte ihr verboten, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Zum einen, weil sie zu jung und nicht annähernd so kräftig war wie die Krieger, mit denen sie es zu tun bekommen würden, aber auch, weil sie ein zu verlockendes Ziel böte. Vergewaltigung war die heilige Waffe der Gottlosen, eine Waffe, der sich dieser Feind mit erschreckender Zuverlässigkeit bediente. Um einen solchen Fang würden sich die Krieger der Imperialen Ordnung scharen. Bei Cara dagegen lag der Fall anders, denn sie war ja eine ausgebildete Kriegerin und, mit Ausnahme Richards, tödlicher als jeder andere von ihnen.

Aus einer engen Seitengasse trat ein Mann, den sie wegen seiner guten Kenntnisse der Gegend als Kundschafter vorausgeschickt hatten. Als sie bei ihm waren, traten sie alle bis dicht vor die Häuserwand, um möglichst ungesehen zu bleiben.

»Ich habe sie gefunden«, erklärte der Kundschafter atemlos. Er deutete auf das Gebiet rechts von ihrer in die Stadt hineinführenden Route.

»Wie viele sind es?«, erkundigte sich Richard.

»Meiner Meinung nach muß es sich um ihre Hauptstreitmacht innerhalb der Stadt handeln. Lord Rahl. Das Gebäude ist ihr Schlafhaus; sie scheinen noch immer alle dort und noch nicht auf den Beinen zu sein, genau wie Ihr es erwartet hattet. Der Komplex, den sie beschlagnahmt haben, besteht aus mehreren Gebäuden, in denen die Amtszimmer der Stadtverwaltung untergebracht sind. Aber ich bringe auch schlechte Nachrichten. Sie werden von Einwohnern aus der Stadt beschützt.«

Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er mußte sich zusammennehmen, um nicht zu husten, und stützte sich mit einer Hand am Fensterrahmen des Gebäudes neben ihm ab.

»Was soll das heißen, sie werden beschützt?«

»Das von den Soldaten besetzte Gebäude ist von Scharen Stadtbewohnern umringt. Offenbar haben sich diese Leute dort eingefunden, um die Soldaten zu beschützen – und zwar vor uns. Mit ihrer Anwesenheit wollen sie uns daran hindern, anzugreifen.«

Richard stieß ein verärgertes Schnauben aus. »Also gut.« Er wandte sich wieder herum zu den besorgt dreinblickenden, erwartungsvollen Gesichtern. »Hört jetzt genau zu, was ich euch sage. Wir haben uns entschlossen, den Kampf gegen das Böse aufzunehmen. Wer sich dagegen auf die Seite des Bösen schlägt, indem er seine Handlanger zu beschützen sucht, setzt sich für dessen Fortbestand ein.«

Verunsichert fragte einer der Umstehenden: »Soll das etwa heißen, wir könnten, wenn sie uns aufzuhalten versuchen, gezwungen sein, gewaltsam gegen sie vorzugehen?«

»Was wollen diese Leute denn erreichen, was ist ihr Ziel? Sie wollen uns daran hindern, die Imperiale Ordnung auszulöschen. Sie hassen das Leben, deswegen verachten sie die Freiheit mehr als die Sklaverei.«