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»Und dort?« Richard deutete auf den Felsstreifen.

»Dort wächst noch gar nichts«, antwortete Cara mit einem entnervten Seufzer. »In dieser Gegend gibt es jede Menge Stellen, an denen überhaupt nichts wächst, schließlich sind wir noch immer mitten in der Wüste. Aber nur Geduld, Lord Rahl, schon bald werden wir uns wieder inmitten üppiger Felder und Wälder befinden.«

Kahlan hatte nicht auf Caras Geplapper geachtet und sich statt dessen interessiert vorgebeugt. »Also, wenn das nicht merkwürdig ist.«

»Das meine ich allerdings auch«, sagte Richard.

»Und ich meine, Lord Rahl sollte mehr Wasser trinken«, giftete Cara.

»Hier, stellt Euch hier herüber«, forderte Richard sie schmunzelnd auf. »Stellt Euch neben mich und seht es Euch noch einmal an.«

Caras Neugier war geweckt; sie tat, wie ihr geheißen, und besah sich den felsigen Boden, ehe sie stirnrunzelnd die Stellen musterte, auf denen die ersten Anzeichen von Leben zu erkennen waren.

»Die Mutter Konfessor hat Recht«, meinte sie schließlich – in einem Tonfall, der schlagartig etwas entschieden Sachliches bekommen hatte. »Glaubt Ihr, das hat etwas zu bedeuten? Oder könnte uns womöglich gefährlich werden?«

»Die Antwort – wenigstens auf Eure erste Frage, lautete eindeutig ja.« Richard ging neben Kahlan in die Hocke. »Und jetzt seht euch das an.«

Als Kahlan und Cara neben ihm niederknieten und sich vorbeugten, um den felsigen Untergrund genauer zu betrachten, mußte Richard erst die neugierige Ziege aus dem Weg schieben, ehe er auf eine mit einer gelb durchsetzten Flechte bewachsene Stelle zeigen konnte.

»Seht ihr, hier«, sagte er. »Seht ihr diesen fast kreisrunden Flechtenbewuchs? Er wirkt irgendwie seitenverkehrt – auf der einen Seite ist er abgerundet, zur anderen Seite hin, wo fast nichts mehr wächst, ist er dagegen flacher.«

Kahlan sah zu ihm hoch. »Flechten wachsen in allen möglichen Formen auf dem Felsgestein.«

»Stimmt, aber jetzt sieh, wie der Fels dort, wo Flechten und Gestrüpp wachsen, mit winzigen Stellen von Bewuchs überzogen ist. Hier dagegen, auf der Seite mit der verkümmerten Flechte, wächst nahezu nichts. Fast so, als wäre der Fels blank gescheuert worden. Sieht man genauer hin, kann man ein paar winzige Pflänzchen erkennen, Bewuchs, der sich erst während der letzten paar Jahre gebildet, aber noch keinen rechten Halt gefunden hat.«

»Stimmt«, meinte Kahlan vorsichtig gedehnt, »seltsam ist es schon, nur weiß ich noch immer nicht recht, worauf du hinauswillst.«

»Sieh dir genau an, wo etwas wächst und wo nicht.«

»Nun ja, dort drüben wächst überhaupt nichts, hier dagegen schon.«

»Schau nicht nur senkrecht nach unten.« Richard bog ihr Kinn mit der Hand nach oben. »Laß den Blick an der Grenze zwischen den beiden Stellen entlangwandern, damit du das Bild in seiner Gesamtheit erfassen kannst.«

»Bei den Gütigen Seelen«, entfuhr es ihr leise.

Endlich hatte sie gesehen, worauf er die ganze Zeit hinauswollte. Richard konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Merkwürdig«, meinte nun auch Cara und blinzelte in die Ferne. »Der Bewuchs scheint entlang einer verhältnismäßig geraden Linie einfach zu enden – so als hätte jemand einen unsichtbaren, in östlicher Richtung verlaufenden Zaun errichtet.«

»Genau.« Richard erhob sich und wischte sich die Hände ab. »Und jetzt kommt weiter.« Er marschierte los, Richtung Norden. Kahlan und Cara rappelten sich mühsam auf und folgten ihm über das unbelebte Felsgestein. Betty schloß sich ihnen meckernd an.

Eine halbe Stunde lang folgten sie seinen forschen Schritten, während er über felsigen Grund und Geröllflächen, auf denen nicht das Geringste wuchs, auf einer geraden Linie nach Norden marschierte. Es war ein drückend schwüler Tag, doch Richard war so auf dieses leblose Gelände konzentriert, das sie durchquerten, daß er die Hitze fast nicht spürte. Obwohl er bislang noch nicht gesehen hatte, was sich jenseits dieses Geländestreifens verbarg, glaubte er sicher zu wissen, was sie dort vorfinden würden.

Schweißgebadet hetzten seine beiden Begleiterinnen hinter ihm her, während die gelegentlich meckernde Ziege die Nachhut bildete.

Als sie schließlich an der gesuchten Stelle anlangten, wo wieder die ersten Flechten und kargen Sträucher zu sehen waren, bat er sie, stehenzubleiben.

»Seht euch das an«, forderte Richard die beiden Frauen auf. »Versteht ihr jetzt, was ich meine?«

Von dem flotten Fußmarsch in dieser Hitze ging Kahlans Atem schwer. Sie nahm ihren Wasserschlauch von der Schulter und trank gierig, ehe sie ihn an Richard weiterreichte. Während er trank, beobachtete er Cara, die die Stelle auf dem Boden einer eingehenden Prüfung unterzog.

»Genau hier setzt der Bewuchs erneut ein«, sagte Cara. »Und zwar augenscheinlich entlang einer ähnlich geraden Linie wie dort drüben auf der anderen Seite, wo wir vorhin gestanden haben.«

»Richtig«, bestätigte Richard und reichte Cara den Wasserschlauch. »Und jetzt folgt mir, bitte.«

Empört warf Cara die Arme in die Luft. »Aus der Richtung sind wir doch eben erst gekommen.«

»Kommt einfach mit«, rief Richard über die Schulter.

Die kleine Gruppe im Schlepptau, steuerte er wieder Richtung Süden, zurück mitten in das felsige Gelände, wo es nicht das geringste Anzeichen von Leben gab. Betty beschwerte sich lauthals meckernd über das Tempo der staubigen Exkursion in dieser Gluthitze. Sofern Kahlan oder Cara derselben Meinung waren, hielten sie sich mit ihrem Protest zurück.

Als sie nach Richards Schätzung wieder ungefähr die Mitte des Geländes erreicht hatten, blieb er mit weit gespreizten Beinen stehen, die Hände in die Hüften gestemmt, und blickte wiederum nach Osten. Von ihrem Standort aus konnten sie die Ränder des leblosen Felsstreifens erkennen, hinter denen der Bewuchs einsetzte.

Blickte man von hier nach Osten, zeichnete sich ein augenfälliges Muster ab – ein sich deutlich hervorhebender, mehrere Meilen breiter Streifen, der sich in der Ferne verlor.

Nichts wuchs innerhalb der Grenzen dieses schnurgeraden Streifens lebloser Wüste, unabhängig davon, ob dieser über Felsen oder Sandboden führte. Das Gelände rechts und links davon mit den weit auseinander liegenden Sträuchern und flechtenbewachsenen Felsen war dunkler, die völlig unbewachsene Stelle dazwischen von etwas hellerem Braun. In der Ferne war der Farbunterschied noch deutlicher zu erkennen.

Der Streifen vollkommen leblosen Bodens erstreckte sich meilenweit bis zu den fernen Bergen, verjüngte sich allmählich zu einer undeutlichen Linie, die dem ansteigenden Gelände folgte, bis sie sich schließlich im fernen Dunst verlor.

»Denkst du dasselbe wie ich?«, fragte Kahlan leise mit sorgenvoller Stimme.

»Was denn?«, fragte Cara dazwischen. »Was denkt Ihr denn?«

Richard betrachtete die Mischung aus Verwirrung und Besorgnis in den Zügen der Mord-Sith. »Was hat Darken Rahls Armeen in D’Hara festgehalten? Was hat ihn all die Jahre daran gehindert, bis in die Midlands vorzudringen und sie zu erobern, obwohl das sein erklärtes Ziel war?«

»Er konnte die Grenze nicht überschreiten«, sagte Cara, so als sei er im Begriff, jeden Augenblick einem Hitzschlag zu erliegen.

»Und woraus bestand die Grenze?«

Plötzlich wich auch aus Caras vom Schwarz des Wüstengewandes eingerahmtem Gesicht jegliche Farbe. »Die Grenze war ein Teil der Unterwelt?«

Richard nickte. »Man muß sich das Ganze wie einen Riß im Schleier vorstellen, durch den die Unterwelt in diese Welt einsickern konnte. Zedd hat uns davon berichtet. Er hat die Grenze damals mit Hilfe eines Banns, den er in der Burg der Zauberer gefunden hatte – eines Banns aus der grauen Vorzeit des Großen Krieges – wieder errichtet. Als sie schließlich wieder stand, wurde die Grenze zu einem Ort im Diesseits, an dem gleichzeitig die Welt der Toten existierte. Und an diesem Ort an dem die beiden Welten einander berührten, konnte nichts wachsen.«

»Aber seid Ihr wirklich vollkommen sicher, daß dort auch später nichts mehr gewachsen ist? Immerhin war es nach wie vor unsere Welt – die Welt des Lebens?«