Выбрать главу

Richard war überrascht, wie scharf, fast scheidend ihre Stimme klang, und fühlte sich einmal mehr daran erinnert, daß sich unter ihrer weiblichen Grazie ein überaus robustes Wesen verbarg.

Mit immer noch aufgerissenen Augen erwiderte Owen: »Natürlich nicht. Ich ... ich hab nur noch nie so ... schönes Haar gesehen, das ist alles.«

»Vielen Dank.« Jennsens Lächeln kehrte zurück, und sie bot ihm von neuem ein Stück Trockenfleisch an.

»Es tut mir wirklich leid«, entschuldigte Owen sich höflich, »aber wenn es Euch nichts ausmacht, ziehe ich es vor, auf Fleisch zu verzichten.«

Er langte rasch in seine Jackentasche und holte ein zusammengeknotetes Tuch hervor in dem sich trockener Zwieback befand. Mit einem bemüht wirkenden Lächeln bot er ihn Jennsen an.

»Mögt Ihr vielleicht einen hiervon?«

Tom fuhr hoch und warf Owen einen zornigen Blick zu.

»Vielen Dank, nein.« Jennsen zog ihre bereits ausgestreckte Hand zurück und ließ sich auf einem flachen Stein nieder. »Wenn du kein Fleisch ißt solltest du den Zwieback am besten selbst essen«, sagte sie zu Owen. »Leider haben wir außer Fleisch fast nichts.«

»Und warum ißt du kein Fleisch?«, erkundigte sich Richard.

Owen sah über seine Schulter hoch zu Richard auf der Ladefläche des Wagens. »Weil mir die Vorstellung nicht behagt, Tiere zu töten, nur um mein Bedürfnis nach Nahrung zu stillen.«

Jennsen zwang sich zu einem höflichen Lächeln. »Welch noble Einstellung.«

Ein verlegenes Lächeln zuckte um Owens Mundwinkel, ehe sein Blick erneut wie magisch von ihrem Haar angezogen wurde. »Ich empfinde es halt so«, sagte er, ehe er den Blick schließlich doch von ihr losriß.

»Darken Rahl dachte ähnlich«, fügte Cara mit einem wütenden Seitenblick auf Jennsen hinzu. »Ich habe ihn eine Frau mit der Roßpeitsche zu Tode prügeln sehen, nur weil er sie dabei erwischt hatte, wie sie in den Fluren des Palasts des Volkes ein Stück Wurst verspeiste; er fühlte sich dadurch in seinem Empfinden verletzt.«

Jennsen starrte sie erstaunt an.

»Ein anderes Mal«, fuhr Cara fort, während sie genüßlich ein Stück Wurst hinunterschlang, »stand ich ganz in der Nähe, als er draußen bei den Gärten um eine Ecke bog und einen Kavalleristen eine Fleischpastete essen sah. Darken Rahl schleuderte ihm einen magischen Blitz entgegen, der sein Reittier im nu enthauptete; der Pferdekopf landete mit einem lauten Rascheln in der Hecke. Mit knapper Not schaffte es der Soldat, auf den Beinen zu landen, während sein Pferd unter ihm zusammenbrach. Darken Rahl griff sich das Schwert des Soldaten und schlitzte dem Tier in rasender Wut den Bauch auf. Dann packte er den armen Kerl im Nacken, stieß ihn mit dem Gesicht voran in die Eingeweide des Kadavers und befahl ihm mit sich überschlagender Stimme zu essen. Der Soldat gab sein Bestes, aber am Ende erstickte er schließlich doch an den noch warmen Eingeweiden.«

Owen schlug sich die Hand vor den Mund und schloß entsetzt die Augen.

Cara gestikulierte mit dem Stück Wurst, als sähe sie Darken Rahl vor sich stehen. »Nachdem sich sein Anfall schließlich wieder gelegt hatte, wandte er sich an mich und fragte, wie man nur so grausam sein und Fleisch essen könne.«

Jennsen, völlig entgeistert, fragte: »Und was habt Ihr geantwortet?«

Cara zuckte die Achseln. »Was hätte ich ihm schon antworten können? Ich sagte, ich wüßte es selbst nicht.«

»Aber warum aßen die Leute denn überhaupt Fleisch, wenn er so darauf reagierte?«

»Meistens tat er das ja gar nicht. Es gab Händler im Palast, die Fleisch verkauften und die er für gewöhnlich überhaupt nicht beachtete. Manchmal schüttelte er angewidert den Kopf oder bezeichnete sie als grausam, aber im Allgemeinen nahm er keine Notiz von ihnen.«

Friedrich nickte bestätigend. »Das war ja das Unheimliche an diesem Mann, man wußte nie genau, wie er reagieren würde. Mal lächelte er einen an, dann wieder ließ er jemanden zu Tode foltern. Man wußte nie, woran man war.«

Cara starrte gedankenverloren in die Flammen des heruntergebrannten Feuers. »Es war vollkommen unmöglich abzuschätzen, wie er auf irgend etwas reagieren würde.« Ihre Stimme bekam plötzlich einen bedrückten, gequälten Unterton. »Viele Leute gelangten einfach zu dem Schluß, es sei ohnehin nur eine Frage der Zeit bis er sie ebenfalls tötete, also führten sie das Dasein von zum Tode Verurteilten, die nur noch darauf warteten, daß das Henkersbeil sich senkte. Sie verloren alle Freude am Leben und hatten für die Zukunft keine Hoffnung mehr.«

Tom bestätigte Caras Darstellung des Lebens in D’Hara mit einem grimmigen Nicken, während er ein Kienholz ins Feuer nachlegte.

»Habt Ihr auch so ein Dasein geführt, Cara?«, wollte Jennsen wissen.

Cara sah auf, einen finsteren Ausdruck im Gesicht. »Ich bin eine Mord-Sith. Mord-Sith sind allzeit bereit, in den Tod zu gehen. Schließlich möchten wir nicht alt und zahnlos sterben.«

Owen, der lustlos an seinem Zwieback knabberte, so als fühlte er sich aus reiner Geselligkeit verpflichtet, etwas zu essen, hatte die Geschichte sichtlich erschüttert. »Ein Leben in solcher Barbarei, wir ihr es alle offenbar führt, vermag ich mir gar nicht vorzustellen. War dieser Darken Rahl mit Euch verwandt, Lord Rahl?« Fehler! Owen sputete sich, seine Frage zu präzisieren. »Er trägt denselben Namen, deswegen dachte ich ... na ja, ich dachte ... aber ich wollte damit auf keinen Fall andeuten, daß Ihr ihm irgendwie ähnlich seid ...«

Richard kletterte vom Wagen herunter und reichte Owen seinen gefüllten Wasserschlauch. »Er war mein Vater.«

»Die Frage ist mir einfach so herausgerutscht. Ich würde niemals absichtlich jemandes Vaters Ehre in den Schmutz ziehen, erst recht nicht, wenn dieser jemand ...«

»Ich habe ihn eigenhändig getötet.«

Richard war nicht danach zumute, das Thema weiter auszuführen. Schon die Vorstellung, auf die ganze entsetzliche Geschichte näher einzugehen, ließ ihn innerlich erschaudern.

Owen blickte erschrocken um sich wie ein von Wölfen umringtes Kitz.

»Er war eine Bestie in Menschengestalt«, sagte Cara, die offenbar das Bedürfnis verspürte, etwas zu Richards Verteidigung vorzubringen.

»Jetzt kann das Volk D’Haras endlich voller Hoffnung in eine Zukunft blicken, in der es über sein Leben selbst bestimmen kann.«

Richard ließ sich neben Kahlan nieder. »Vorausgesetzt, es gelingt ihm, sich von der Imperialen Ordnung zu befreien.«

Gesenkten Hauptes knabberte Owen an seinem Zwieback, während er die anderen verstohlen beobachtete.

Als niemand etwas sagte, ergriff Kahlan das Wort. »Warum verrätst du uns nicht den Grund, weshalb du hergekommen bist, Owen?«

Richard vermochte ihren Tonfall sofort einzuschätzen; es war die höfliche Art der Mutter Konfessor, einem verängstigten Bittsteller mit einer freundlich klingenden Frage die Befangenheit zu nehmen.

Er senkte respektvoll kurz den Kopf. »Sehr wohl, Mutter Konfessor.«

»Sie kennst du auch?«, fragte Richard.

Owen nickte. »So ist es, Lord Rahl.«

»Woher?«

Owens Blick wanderte von Richard zu Kahlan und wieder zurück. »Ihr und die Mutter Konfessor seid überall in aller Munde. Die Geschichte, wie ihr die Bevölkerung Altur’Rangs von der Unterdrückung durch die Imperiale Ordnung befreit habt ist landauf, landab bekannt. Wer sich nach Freiheit sehnt, weiß, daß Ihr derjenige seid, der sie ihm geben kann.«

Richard runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen – ich sei derjenige, der sie den Menschen geben kann?«

»Nun, früher herrschte hier die Imperiale Ordnung. Es sind brutale Barbaren – verzeiht, aber diese Menschen sind fehlgeleitet und wissen es nicht besser, deswegen ist ihre Herrschaft so barbarisch. Vielleicht liegt der Fehler nicht bei ihnen – es steht mir nicht zu, darüber zu befinden.« Owen wandte den Blick ab und schien nach den passenden Worten zu suchen, wahrend er sich offenbar gleichzeitig, gewissermaßen als Beweis ihrer Barbarei, die Verbrechen der Imperialen Ordnung vor sein inneres Auge rief. »Aber dann seid Ihr auf den Plan getreten und habt den Menschen die Freiheit geschenkt – so wie in Altur’Rang.«