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Siegfried und der dunkle Runenzauber

Siegfried, der Prinz von Xanten, soll zum Ritter geschlagen werden. Doch jede Waffe, die der junge Recke für seine Schwertleite schmiedet, zerbricht. Da erfährt Siegfried von dem sagenumwobenen Runenschwert, das sein Vater Siegmund einst im Kampf gegen die Friesen führte. Seit dieser blutigen Schlacht gilt Siegmund als tot und das magische Schwert als verschollen. Siegfried macht sich auf die Suche. Er weiß nicht, daß zerstörerische, dunkle Kräfte im Reich mit der Magie des Schwertes eine andere, heidnische Zeit heraufbeschwören wollen.

Jörg Kastner ist mit dem Bestseller »Thorag oder die Rückkehr des Germanen« bekannt geworden. In diesem Nibelungen-Roman beschreibt er den gefährlichen Weg, den der junge Held Siegfried nehmen muß, um die dunklen Mächte am Königshof zu überwinden.

ECON Unterhaltung

Die Nibelungen:

Kai Meyer, Der Rabengott (TB 27410)

Alexander Nix, Das Drachenlied (TB 27411)

Jana Held, Die Flammenfrau (TB 27412)

Bernhard Hennen, Das Nachtvolk (TB 27413)

Jörg Kastner, Das Runenschwert (TB 27414)

Martin Eisele, Der Feuerstern (TB 27415)

Siegfried von Xanten gilt in der weltberühmten Nibelungen-Saga als der blonde Held, dem nur eine geheime Intrige den Untergang bringen kann. Eine ganz andere Geschichte über den Recken Siegfried wird in diesem Band erzählt. Der junge Prinz soll seiner Mutter Sieglind als Regent zur Seite stehen. Siegmund, sein Vater, ist angeblich im Kampf gegen die Friesen gefallen. Sein magisches Runenschwert hat ihn in der Schlacht zum Berserker gemacht, der, ohne auf seine ritterliche Ehre zu achten, alles vernichtete, was ihm in den Weg kam. Nach der düsteren Schlacht blieb das Runenschwert verschwunden. Nun, wenige Tage vor seiner Schwertleite, sucht Siegfried nach dem Schwert, denn erst mit der magischen Waffe in den Händen glaubt er die Nachfolge seines Vaters antreten zu können.

Jörg Kastner, Jahrgang 1962, lebt als freier Autor in Hannover. Er hat bisher mehrere genau recherchierte Historienromane veröffentlicht; u.a. erschien von ihm »Die Flügel des Poseidon«, ein Roman über die olympischen Spiele der Antike.

Jörg Kastner

Das Runenschwert

Roman

Der Romanzyklus »Die Nibelungen« entstand nach einer Idee von Kai Meyer

Konzeption: Kai Meyer/Reinhard Rohn

ECON Taschenbuch Verlag

Veröffentlicht im ECON Taschenbuch Verlag

Originalausgabe

Der ECON Taschenbuch Verlag ist ein Unternehmen der ECON & List Verlagsgesellschaft.

© 1997 by ECON Verlag GmbH, Düsseldorf

Umschlaggestaltung: Init GmbH, Bielefeld

Titelabbildung: Agentur Schlück

Lektorat: Reinhard Rohn

Gesetzt aus der Goudy, Linotype

Satz: Josefine Urban - KompetenzCenter, Düsseldorf

Druck und Bindearbeiten: Ebner Ulm

Printed in Germany

ISBN 3-612-27414-7

Prolog

Die Nacht der Rache, die Nacht der Zerstörung war gekommen...

Die stolze Königsstadt streckte sich unter einem finsteren, Sternenlosen Himmel am Ufer des Rheins aus, und auch das Stift lag in Dunkelheit und Ruhe. Die Mönche hatten ihr Nachtgebet schon vor Stunden gesprochen und sich zur Ruhe begeben. Bis zur Mette, dem Nachtgottesdienst, blieb den frommen Brüdern noch über eine Stunde Schlaf - so glaubten sie.

Fromme Brüder?

»Verfluchtes Christengezücht!« flüsterte fast unhörbar, aber mit vor Ingrimm bebenden Lippen die dunkle Gestalt, die an der kalten Außenmauer des Dormitoriums lehnte. Große, kräftige Hände verkrallten sich im groben Stein, als wollten sie die starke Mauer durchbrechen. Die Finger kratzten haßerfüllt über die Fugen, und in winzigen Stücken rieselte der alte, ausgetrocknete Mörtel zu Boden.

Dicht über dem kapuzenverhüllten Kopf des Rächers gähnte eins der scheibenlosen Fenster, die in regelmäßigen Abständen die Wand des Schlafsaals durchbrachen. Er hörte den vielfachen Atem der schlummernden Mönche, ihr zufriedenes Schnarchen, dann auch im Schlaf hervorgebrachtes Gemurmel, das wie Latein klang - wie ein Gebet!

Die Worte schmerzten in seinen Ohren, ekelten ihn an wie der widerliche Geruch von Weihrauch, der in seine Nase stach und den er im Mund fühlte wie den bitteren Geschmack verdorbenen Gerstenbiers.

Voller Haß auf den Geschmack, den Geruch, die Gebete, die Mönche und das große Gebäude ihres Stifts stieß sich der Rächer von der Mauer ab und schlich zu dem niedrigen Anbau der Vorratskammer, die das Dormitorium mit dem Speisesaal verband. Das Dach der Kammer war im Gegensatz zu den anderen Gebäuden nicht abgeschrägt, sondern lag flach hinter niedriger Brüstung, etwa in doppelter Manneshöhe. Wieder griffen die Hände des Rächers in die Mörtelrillen, dann auch die Füße, die in dunklen Lederstiefeln steckten. Geschickt wie eine Eidechse erkletterte die Gestalt die Mauer, packte schließlich über die Steinbrüstung und schwang sich ohne große Mühe aufs Dach.

Zufrieden über den gelungenen ersten Teil seines Unternehmens starrte er auf den Klosterhof mit dem gepflegten Garten hinab. Der fahle, kaum wahrnehmbare Schein des hinter den Wolken verborgenen Vollmonds genügte dem Rächer. Seine Augen waren wie die einer Raubkatze oder eines Waldkauzes: Er war ein Jäger der Nacht.

Die Fensteröffnungen des rundum führenden Kreuzgangs waren genauso dunkel wie alle anderen im Monasterium. Das Stift lag unter dem düsteren Nachthimmel und wartete auf seinen Untergang - ahnungslos und wehrlos.

Der Rächer löste das Seil, das er um seine Hüften gebunden hatte. Geschickt knotete er ein Ende um eine der niedrigen Zinnen, die das Flachdach umgaben. Das andere Ende ließ er in den Klosterhof fallen und kletterte, schnell und leise, hinab.

Der Hof lag so still und leer, wie es vom Dach aus den Anschein gehabt hatte. Der Rächer warf nur einen kurzen Blick hinüber zur Kirche mit dem hohen Glockenturm, der die Welt der Menschen mit dem Reich des verhaßten Gottes verbinden sollte. Beim Gedanken an diesen Gott spie der Rächer verächtlich aus.

Er lief zu den Stallungen, quer über den Hof. Es war Zeitverschwendung, sich im Schatten der Gebäude und Bäume zu halten, so dunkel und so verlassen, wie es hier war.

Als er zu einer Gruppe hochwuchernder Holundersträucher kam, erkannte er seinen Irrtum, seinen verfluchten Leichtsinn, geboren aus dem brennenden Verlangen nach Rache. Das leise Knacken von Zweigen in seinem Rücken warnte ihn. Er blieb stehen und fuhr herum.

Zwischen den Sträuchern stand eine Gestalt derart im Schatten, daß selbst die an Finsternis gewöhnten Augen des Rächers sie nicht zu erkennen vermochten.

»Wer bist du, Bruder?« fragte eine rauhe Stimme.

Ein Mönch! schoß es dem Rächer bei der Anrede »Bruder« durch den Kopf. Aber warum schlief der verwünschte Pfaffe nicht?

Der Rächer trat langsam auf die Holundersträucher zu, während seine Rechte nach der Lederscheide an seiner Hüfte tastete.

»Gib dich zu erkennen, Bruder!« verlangte der Mann im Schatten des Holunders.

»Warum nennst nicht zuerst du deinen Namen?« erwiderte der Rächer.

»Weil ich annehme, als Propst dieses Klosters über dir zu stehen, Bruder.«

Der Propst also!