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»Aber auch nicht gut genug«, meinte Ingrimmsch grinsend. »Der Gelehrte hat ihn auseinandergenommen.« Ihm fiel wiederein, dass er das Ende des Famulus gar nicht gesehen hatte. Wegen der geblendeten Augen.

»Ich habe mich mit ihm unterhalten, und seine Geschichte klang glaubwürdig. Franek gehörte zu denen, welche die Statue aus den Kellern des ehemaligen Palastes in Porista geborgen haben. Allerdings haben wir niemals eine Bekanntschaft gemacht«, erklärte Tungdil weiter. »Wir hatten es damals mit drei anderen zu tun: Risava, Dergard und Lomostin.«

Ingrimmsch staunte, wie gut sich Tungdil erinnerte. Ausgerechnet an solche Nichtigkeiten! Auch wenn er selbst noch alles von der Jagd auf die Statue wusste und wie das Fröschi aufgetaucht war, um sie zu stehlen, er hätte sich für alles Gold des Geborgenen Landes nicht mehr der Namen der Famuli entsinnen können. Tungdil betrachtete seine Fingerspitzen. »Ich habe ihn gefragt, ob er mir eine Erklärung liefern kann, weswegen sich Lot-Ionan verändert hat. Als er mir beschrieb, wie der Magus sich kleidet, wie er sich benimmt und wie er spricht, musste ich an Nödonn denken.«

»Nicht schon wieder! Wir haben dieses Übel besiegt. Der Dämon kann unmöglich zurückgekommen sein.« Ingrimmsch tat so, als schwinge er eine Axt. »Du hast die Feuerklinge genommen und den Nebel gespalten... ich meine, das Wesen, das aussah wie eine Wolke.«

»Weißt du noch, dass wir uns alle gefragt haben, wer denn ein Loch in Lot-Ionans Statue gebohrt haben könnte?«

»Jemand, der versucht hat, ihn... zu töten? Seine Magie abzuzapfen?« Ingrimmsch hob die Schultern, doch dann wurden seine Augen groß. »Nein, man hat etwas in ihn hineingesteckt! Bei Vraccas! Sie haben ihm den Keim des Bösen eingepflanzt, als er sich nicht zu wehren vermochte, und als wir ihn erweckt haben, ging die Saat in ihm auf!« Tungdil nickte. »Franek sagt, dass Risava ihn beinahe umgebracht hätte, als er sich gegen ihren Plan stellte. Sie wollte, dass Lot-Ionan nach seiner Befreiung böse wird.« Boindil machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich versuche gerade, mir vorzustellen, was man in einen Menschen schieben muss, damit er böse wird. Es klingt so... einfach? Aber das dürfte es mich Sicherheit nicht sein.«

Coira nickte. »Ich kann es mir auch nicht vorstellen.« »Zerbrecht euch nicht den Kopf. Ihr kämt nicht darauf.« Tungdil hob ein Steinchen vom Boden auf. »Risava hatte in Porista einen Splitter des Malachitkristalls gefunden, der einst Nödonn gehörte. Sie nahm ihn an sich und verwahrte ihn. Als Franek ihr den versteinerten Lot-Ionan brachte, wusste sie, was sie damit versuchen wollte. Sie bohrte ein Loch und setzte den letzten Überrest des Übels in ihn ein. Lot-Ionan bekam niemals eine Gelegenheit, sich dagegen zur Wehr zu setzen.«

Ingrimmsch scharrte mit dem Fuß über die aschebedeckte Erde. »Das würde ja bedeuten, dass Lot-Ionan unschuldig ist. An dem, was er tut. Weil er... besessen ist.« Wie ärgerlich. Dann können wir ihn nicht so einfach über die Klinge springen lassen. »Das hätte man von Nudin auch annehmen können, als er von dem Dämon zu Nödonn gemacht wurde«, warf Mallenia ein. »Es entbindet uns nicht davon, gegen ihn vorzugehen.«

»Das müssen wir auch. Unbedingt. Wir brauchen ihn gegen Vraccas«, bekräftigte Tungdil.

»Gegen deinen Meister, Gelehrter, nicht Vraccas. Vraccas ist mein Schöpfer, aber der Zwerg, den wir töten wollen, hat nichts Göttliches.« Ingrimmsch blickte seinen Freund an. »Ich habe mir etwas überlegt: Können wir Lot-Ionan nicht zuerst diesen Splitter rausreißen? Damit er wieder gut ist?«

»Wir brauchen einen bösen Magus, um meinen einstigen Meister zu bezwingen«, widersprach er. »Mir wäre es auch lieber, wir könnten ihn vorher von dem Fluch befreien.«

Coira wischte sich die Nase mit einem Taschentuch. »Ich hoffe, dass es uns überhaupt gelingt. Ihn vom Splitter zu befreien.«

»Ich weiß, wo er sitzt. Es wird für Lot-Ionan schmerzhaft, aber er wird es überleben. Mit Goda und Euch, Königin, haben wir zwei Magae, die mit Heilzaubern zur Stelle sind, wenn es nach dem Eingriff zu schlecht um ihn steht.« Tungdil sah sie der Reihe nach an. »Kein Wort über unsere wahren Absichten zu Franek. Er soll denken, dass wir Lot-Ionan töten wollen, um das Geborgene Land zu befreien. Wenn wir ihm diese Aussicht rauben, könnte er sich entschließen, uns nicht weiter zu unterstützen.« Ingrimmsch runzelte die Stirn. »Das ist schön und gut, doch wir werden ihn nicht in die Quelle steigen lassen, Gelehrter! Wer weiß, welche Niederträchtigkeiten sich in ihm verbergen? Es kann den Malachitsplitter ebenso in den Magus geschoben haben. Auf das Wort eines Verräters verlasse ich mich nicht.« »Ich bin dagegen«, sagte auch Rodario und bekam die Zustimmung von Mallenia. »Wir sollten ihn niederschlagen und fesseln, sobald wir am Ziel angelangt sind. Danach sollen die Zweiten über ihn richten: Er hat sich am Untergang ihrer Heimat beteiligt und schuldig gemacht.« Er sah zu Ingrimmsch. »Ich nehme nicht an, dass Ihr das ungesühnt lassen möchtet.«

»Ho, sicherlich nicht!« Der Zwerg pochte auf den Krähenschnabel. »Auge um Auge.« Tungdil musterte seinen Freund. »Du wirst ihn beobachten, Ingrimmsch. Franek hat ebenso wenig Vertrauen in uns wie wir in ihn. Er möchte unsere Zweckgemeinschaft sicherlich eher aufkündigen als uns lieb ist. Sollte er versuchen zu fliehen, weißt du, was du zu tun hast.« Er sah zu Coira. »Für Euch gilt nach wie vor: kein Einsatz Eurer Magie. Ihr habt gesehen, dass wir es auch ohne Euch schaffen, uns die Feinde vom Leib zu halten.«

Sie nickte. Er hatte offenbar nicht vor, ihr Geheimnis auszuplaudern, und damit Rodario es nicht tat, nahm sie seine Hand und drückte sie fest. Er blickte verwundert, sagte aber nichts.

Tungdil deutete auf das Haus hinter ihnen, während er einen Zhadär zu sich winkte und sich den Rucksack des getöteten Famulus bringen ließ. »Ruht euch aus. Wir gehen morgen früh weiter. Leider zwingt uns der Zusammenstoß mit Droman dazu, schneller zu reisen. Lot-Ionan wird sich wundern, wo sein Famulus abgeblieben ist, und etwas auf den Weg schicken, um ihn zu suchen. Dass er etwas schicken kann, was uns alle in Bedrängnis bringt, wissen wir seit dem Untergang von Seenstolz.« Er rollte Karten auf seinen Knien auf und bedeutete Barskalin, zu ihm zu kommen. »Wir suchen die schnellste Route.«

Mallenia erhob sich. »Und wenn wir vor den Albae ankommen?«

Tungdil überflog bereits die Zeichnungen. »Gehen wir dennoch in Lot-Ionans Reich. Uns läuft die Zeit davon.«

»So plötzlich?«, fand Rodario.

»So plötzlich.« Mehr sagte der Einäugige nicht mehr und vertiefte sich in die Karten. Ratlos zog sich die Gruppe in das Torhaus zurück.

Coira kam zu Mallenia, die sich im Speicher eine Ecke ausgesucht hatte und ihre Decke als Unterlage ausbreitete. »Ich wollte Euch noch danken, dass Ihr mit ausgezogen seid, um mich zu suchen.« »Ihr hättet das Gleiche für mich getan.« Die Ido legte sich hin und suchte eine bequeme Position, dann breitete sie ihren langen Mantel über sich aus. Sie betrachtete die Maga lange. »Ihr denkt doch etwa nicht, ich würde Euch wegen unserer Rivalität um Rodario im Stich lassen?«

Coira versuchte ein Lächeln.

»Seht«, Mallenia stützte sich auf die Ellbogen, »Ihr habt einen Vorsprung, was das Erobern angeht. Ich sah, dass Ihr vorhin seine Hand genommen habt und er sich nicht dagegen sträubte.« Ihre Augen fixierten die Maga. »Als ich an dem Teich sagte, dass wir ihn uns teilen können, meinte ich es ernst. Es hängt von Euch ab.« »Und von Rodario«, warf Coira ein.

»Er ist ein Mann. Es würde ihm gefallen, zwei Frauen zu haben«, hielt Mallenia grinsend dagegen und ließ sich auf ihr hartes Lager sinken. »Um ihn mache ich mir da weniger Sorgen.« Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Es gibt einige Landstriche in Tabain, wo es durchaus üblich ist, dass ein Mann so viele Frauen haben kann, wie er möchte, solange er sie ernähren und versorgen kann. An dem Gedanken an sich ist nichts Unredliches. Oder seht Ihr es anders? Wir werden dazu nicht gezwungen.«