Slin lachte freudlos auf. »Sehr spaßig. Ihr hattet beide nur Augen für diese Axt.« Er zeigte mit dem Bolzen auf die Kreatur. »Da ist sie nun, wenn ihr sie haben wollt.« »Will ich auch.« Ingrimmsch nickte und senkte entschlossen den Kopf, die Brauen zogen sich zusammen. »Die Klingen schrecken mich nicht. Keiner bedroht mich mit meiner eigenen Waffe!« Er hob eine geborstene Holzlatte auf, die einmal zu einer Truhe gehört hatte, und schlug damit nach dem Angreifer.
Es klickte, der Arm mit den Spießen und Schwertern drehte sich rasend und gleich einem Bohrkopf, dann krachte er gegen das Holz.
Ingrimmsch wurde mit Spänchen überschüttet, und dann hielt er nichts mehr außer dem Griff in den Händen. »Verdammtes...« Bestürzt sah er auf den traurigen Rest des Balkens. »Weg hier!« Er drehte sich um und rannte los, Slin und Balyndar taten es ihm nach; nebeneinander hetzten sie die Straße entlang.
»Wohin?«, wollte der Fünfte wissen und sah sich nach dem künstlichen Scheusal um, das eben gebückt aus dem Laden trat und sich aufrichtete. Die Waffen, die vor dem Eingang des Geschäfts gelegen hatten, schnellten auf es zu und verbanden sich mit den vorhandenen.
Damit nicht genug.
Klickend und schabend änderte die Kreatur aus Stahl und Magie ihre Form, gab sich drei zusätzliche Beinpaare, machte den Leib schlanker und ahmte die Gestalt einer Spinne nach; dann nahm sie die Verfolgung auf. »Wir bringen Tungdil die Feuerklinge zurück. Er wird sie sich schon nehmen«, keuchte Ingrimmsch. »Ich ärgere mich am meisten, dass ich vor meiner eigenen Waffe davonrennen muss.«
Sie bogen um die Ecke und wählten eine kleine Gasse, durch welche die Stahl- und Klingenspinne nicht passen würde.
Als es hinter ihnen jedoch ratterte und metallisch schleifte, musste sich keiner umdrehen, um zu wissen, dass sich ihr Feind schmaler gemacht hatte und sie durch enge Schächte hetzte wie Guguls.
Rodario saß vor dem Haus im Schatten und dachte nach, hatte ein paar Blätter Papier vor sich liegen und notierte seine Gedanken mit einem Federkiel. Zeilen von der Freiheit der Menschen, vom Abenteuer waren bislang entstanden.
Mallenia gesellte sich zu ihm und reichte ihm einen Becher Wasser. Wie zufällig berührten sich dabei ihre Finger, und sie sahen sich an.
»Wie geht es Coira?«, erkundigte er sich und richtete die Augen auf das Blatt. »Sie ist ein bisschen schwach vom Marsch der letzten Umläufe. Wenn man in einem Reich aufwächst, in dem Wasser das vorherrschende Element ist, hat man in der Wüste schwerer mit den Umständen zu kämpfen.« Mallenia senkte die Stimme. »Ihr wisst, dass sie kaum mehr Magie in sich trägt.«
Erstaunt sah er sie an. »Wie kommt es, dass Ihr...«
»Sie hat es mir gesagt. Angeblich besitzt sie noch ein Drittel ihrer magischen Energie, und diese baut sich jeden Umlauf etwas mehr ab. Nach dem Entdeckungszauber, den sie sprach, wird es noch weniger geworden sein. Wir müssen sie so schnell wie möglich zur Quelle bringen.« Sie trank vom Wasser. »Die Götter mögen uns vor magischen Angreifern schützen.«
Rodario schrieb weiter und fragte nebenbei: »Was hat sie Euch noch anvertraut?« »Noch?« Mallenias Tonfall war aufmerksam. »Gibt es noch etwas?«
»Nein«, wiegelte er rasch ab. »Das heißt: Ich weiß es nicht. Ihr scheint ja gern Frauengeheimnisse auszutauschen, deswegen dachte ich, dass ich mehr erführe. Wer weiß denn noch von ihren Schwierigkeiten?«
»Tungdil und Boindil. Mehr nicht. Dabei sollte es auch bleiben.« Sie warf einen Blick auf die Aufzeichnungen. »Was tut Ihr da?« »Schreiben. Für das Kommende.«
»Was nicht das Gefecht gegen Lot-Ionan sein wird.«
»Nein. Die Zeit danach. Es sind Ideen. Sie werden von den Nachfahren des Unglaublichen unter die Menschen des Geborgenen Landes getragen, sobald die Schlacht um die Zukunft geschlagen ist. Zwar hat der unbekannte Poet als Verfechter von Selbstbestimmung und Widerständischer gegen die Besatzer ausgedient, doch die Arbeit von uns Mimen ist damit nicht zu Ende.« Er wirkte ungewohnt ernsthaft, beinahe staatsmännisch. »Die Ordnung muss rasch gefestigt werden, ehe sich neue, gierige Machthaber emporschwingen und sich Rechte aneignen, die ihnen nicht zustehen.« Rodario bot ihr den Platz neben sich. »Ich möchte Euch auf dem Thron von Idoslän sehen und nicht irgendeine andere.«
»Das ist sehr nett von Euch.« Die Ido setzte sich neben ihn und betrachtete die Quelle. »Habt Ihr mir meinen Kuss letztens übel genommen?«
»Nein.« Er senkte den Kiel.
»Ich hatte aber den Eindruck, dass Ihr Euch seitdem weniger für mich interessiert.« Sie nippte an ihrem Getränk, dann wandte sie den Kopf. »Dummerweise gefallt Ihr mir nach wie vor, auch wenn ich den schüchternen Rodario wohl nicht mehr erwarten kann.«
»Er ist immer noch da, tief in mir«, erwiderte er lächelnd. Dann atmete er tief ein. »Frauen schätzen es nicht, wenn sie ihre Männer mit anderen Frauen teilen müssen. Die meisten Frauen erwarten das. Ich nahm daher an, dass es Euch gegenüber nur redlich wäre, Euch freizugeben und meine Aufmerksamkeit allein auf Coira zu richten.« »Ihr werdet lachen, aber die Maga und ich haben bereits über uns und Euch gesprochen.« Mallenia lächelte. »Nach dem letzten Stand der Dinge macht es uns beiden nichts aus, wenn wir Euch zwischen uns aufteilen.«
Nun musste Rodario den Kiel und das Papier zur Seite legen. »Ihr habt was!« »Das getan, was Männer sich doch so oft wünschen: uns geeinigt«, wiederholte sie und hob die Hand, streichelte seine Wange. »Ihr müsst Euch nicht zwischen uns entscheiden, Rodario, und wir werden uns Euretwegen nicht die Augen auskratzen oder den Krieg erklären.« Sie lächelte und freute sich über seine abgrundtiefe Verblüffung. Jetzt hatte er wieder etwas Hilfloses, was sie unglaublich reizend fand. »Eine Bedingung gibt es jedoch: Ihr werdet niemals das Lager mit uns beiden gleichzeitig teilen.«
»Ich kann noch immer nicht glauben, was ich höre«, rief er halb belustigt, halb erstaunt. »Und ich weiß auch nicht...«, er stand auf und lief auf dem Platz einige Schritte hin und her, »ich weiß wirklich nicht, ob mir diese Sache gefällt.«
»Aha. Es geht gegen Eure männliche Seele, dass sich Frauen absprechen.« »Nein«, sagte er sofort. »Oder doch?« Er kratzte sich am Kopf, dann am Bart. »Das hat es in meinem Leben noch niemals gegeben«, sagte er vor sich hin. Endlich blieb er stehen und stemmte die Hände in die Seiten, schaute die blonde Kämpferin an. »Was erlaubt Ihr Euch eigentlich?«, brach es empört aus ihm hervor.
»Ich?« Mallenia zeigte mit dem Finger auf sich.
»Nein, Ihr beide. Coira und Ihr! Verschwestert Euch, macht mich zu Eurem... Sklaven, ohne mir...«, jetzt hob er den Zeigefinger, »ohne mir auch nur einmal anzudeuten, was hinter den Kulissen vorgeht!« Er trat mit dem Fuß auf. »Ich fühle mich... benutzt und übergangen!«
Sie war beinahe sprachlos. »Ich eröffne Euch, dass zwei Frauen das Herz an Euch verloren haben und Ihr beide haben könnt, und Ihr benehmt Euch wie ein Kind?« Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Wie süß und niedlich! Das ist der andere Rodario, den Ihr eigens für mich herauslasst, habe ich recht?«
»Was?« Er warf die Arme in die Luft. »Ihr Götter! Das hat die Welt noch nicht gesehen!« Mallenia erhob sich grinsend und kam auf ihn zu.
»Halt!«, rief er sofort. »Bleibt, wo Ihr seid! Am Ende wollt Ihr mich küssen, weil Ihr mich niedlich...«
»Das stimmt.«
»... und süß findet.«
»Auch das entspricht der Wahrheit.« Sie hatte ihn fast erreicht, als er ihr auswich und mit der Hüfte gegen das Brunnenbecken stieß. »Was müssen wir denn tun, damit Ihr Euren Groll vergesst? So tun, als wärt Ihr der Eroberer von uns beiden?« Mallenia sagte es spöttisch und amüsierte sich sehr über den roten Kopf des Mannes. Man konnte kaum glauben, dass es sich bei dem ruhigen, gefassten Rodario, der Sätze über die Zukunft des Geborgenen Landes verfasste, und diesem aufgebrachten Mann um dieselbe Person handelte. Immerhin wusste sie nun, wie sie »ihren« Rodario zum Vorschein bringen konnte. Der Mime hob abwehrend die Hände. »Kommt mir nicht zu nahe. Ich muss erst nachdenken, bevor ich überhaupt eine von Euch beiden küsse.«