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»Runter!«, schrie Ingrimmsch und ließ sich fallen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Rodarios Pferd einen Pfeil in den After bekam, vor Schmerzen wieherte und gleichzeitig einen enormen Satz nach vorn machte - über den Rand hinweg in die Tiefe. Mir dem Schauspieler auf seinem Rücken. Merkwürdigerweise ging Ingrimmsch durch den Kopf, dass der Schütze eine verquere Art von Humor besaß. Beinahe schon zwergisch.

Balyndar zog sich sein Halstuch, das ihm bereits in der Wüste gute Dienste gegen den Sand geleistet hatte, gegen den Rauch vor Mund und Nase. Sein Pferd schnaubte und bockte, also hielt er an, bevor es ihn abwarf. »Wartet! Es hat Angst vor dem Feuer«, rief er.

»Es ist besser, wenn wir sie hierlassen.« Coira rutschte ebenfalls aus dem Sattel, und Tungdil folgte ihrem Beispiel.

»Wir müssen hinüber zum Turm. Dort haben sich sicherlich die letzten Bewohner Dsöns vor dem Magus verkrochen.« Der Einäugige stemmte die Hände in die Seiten und starrte gegen die Wand aus zuckenden, tänzelnden Flammen. »Was schlagt Ihr vor, Maga?«

Coira schloss die Augen und murmelte einen einfachen Zauber, um die Natur der Lohen zu ergründen, die haushoch vor ihnen tobten. »Ich möchte wenig Kraft vergeuden und mir das meiste für Lot-Ionan aufsparen«, erklärte sie. »Fliegen werden wir also nicht können.« Sie spürte, dass die Feuer weiterhin durch Magie gespeist wurden und sie nicht durch einen einfachen Spruch zum Verlöschen gebracht werden konnten.

Balyndar betrachtete die Axt. »Würde die Feuerklinge mich nicht vor Magie schützen?« »Aber nicht vor dem geschmolzenen Metall, in dem deine Füße verbrennen werden«, erwiderte Tungdil grübelnd.

Coira hatte lose, faustgroße Kieselsteine um sie herum bemerkt, und unvermittelt legte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Mir ist etwas eingefallen«, sagte sie und wob einen einfachen, leichten Schwebezauber.

Die Steinchen hoben sich und bildeten auf dem Boden einen Steg, der sie sicher über das Metall mitten in die Feuersbrunst führte.

Balyndar zögerte nicht und begab sich auf den Pfad. Der Axtkopf schimmerte und bildete eine schützende Sphäre um ihn, in die auch Coira und Tungdil passten. Zwar musste die Maga den Kopf einziehen und in einer sehr unbequemen Haltung laufen, doch sie war vor den Flammen sicher.

Coira tat nichts anderes, als die Steinchen hinter ihnen um sieherum nach vorn schweben zu lassen und vor ihnen wieder abzusetzen. Die Hitze machte ihr zu schaffen, während Tungdil keine Miene verzog und Balyndar sich ab und zu Schweiß von der Stirn wischte. Als Zwerg war er die Temperaturen einer Esse gewohnt.

Sie bewegten sich entlang der breiten Straße auf den Berg zu. Zeit, um die vergehende Schönheit zu betrachten, hatten sie keine. Es war auch beinahe nichts mehr übrig, das an den Liebreiz Dsöns erinnerte; die hölzernen Bauten waren überwiegend vergangen. Tungdil, Coira und Balyndar erreichten die Treppe, die den Berg hinauf zum Basaltturm führte. Sie wussten, dass es sie sehr viel Kraft kosten würde, Stufe um Stufe zu erklimmen, doch einen anderen Weg gab es nicht. Nicht für sie.

Sie stiegen hinauf, und vor allem die Zwerge mussten sich weiter strecken als sonst. Die Abstände waren auf das Schrittmaß der Albae abgestimmt und nicht auf die kurzen Beine der Kinder des Schmieds; dabei blickten sie sich immer wieder um, ob ihnen nicht doch vielleicht jemand folgte.

Der Kraterrand, wo Ingrimmsch und der Rest warteten, war in Rauch gehüllt und nicht einsehbar für sie, und auch die Spitze des Turms verschwand in den beißenden Schwaden. So wurden auch sie schwer von oben erkennbar.

Keuchend und mit schmerzenden Beinen gelangten sie nach langer, langer Zeit auf die Plattform, auf der vorher Lot-Ionan zu sehen gewesen war. Die Leiche des Albs lag noch immer auf dem Platz, um sie herum hatte sich ein schwarzer Blutpfuhl gebildet. »Ob sie auch mit ihrem eigenen Blut malen?«, höhnte Balyndar.

»Es wird keiner mehr da sein, der es versuchen könnte«, gab Tungdil zurück und eilte auf das Tor zu, das in das Innere des Gebäudes führte. Nacheinander betraten sie es, der Einäugige und der Fünfte vorweg, dahinter die Maga.

Es war kühl und still hier. Coira schloss die Tür hinter ihnen und verriegelte sie, das dumpfe Rumpeln der Riegel grollte laut in ihren Ohren. Das Prasseln des Feuers, das Knistern der Funken, das Krachen der einstürzenden Balken und Mauern - das alles blieb auf der anderen Seite. Wegen der Geräuschlosigkeit konnte man annehmen, der Turm stünde auf einem einsamen Berg. Friedlich und freundlich. Ingrimmsch roch den Stein, darunter mischte sich erkalteter Weihrauch und der Duft nach einem starkem Gewürz.

»Zur Treppe.« Tungdil packte Blutdürster mit beiden Händen und stapfte die nächsten Stufen hinauf, die sich wie ein Gewinde nach oben schraubten.

Es war Balyndar und nicht Coira, der nach unzähligen Windungen eine Pause erbat. »Ich spüre meine Füße nicht mehr«, erklärte er leise. »Ich weiß nicht, wie du das in der schweren Rüstung anstellst, Goldhand, aber ich kann nicht mehr.«

»Du kannst nicht mehr?« Tungdil kam ihm zwei Stufen entgegen, packte ihn am Kragen. »Es geht nicht um irgendeine kleine unwichtige Streiterei zwischen den Albae und einem Magus. Es geht um das Schicksal des Geborgenen Landes. Und das Schicksal der Zwerge!« Er zerrte ihn nach oben und versetzte ihm einen Stoß mit Blutdürsters Griff. »Geh vor! Wenn du langsamer werden solltest, steche ich zu.« Coira wusste nicht recht, wie sie die Drohung des Einäugigen einzuordnen hatte. Aber sie genügte, um Balyndar die Beschwerden und das Beschweren vergessen zu lassen. Ihre eigene körperliche Müdigkeit unterdrückte sie, ihr Geist war hellwach. Sie rechnete jederzeit mit dem Auftauchen eines Albs. Oder Lot-Ionans.

Für Licht im Treppenschacht sorgten kleine, leuchtende Kristalle, die abwechselnd dunkelrot und tiefblau leuchteten, Fenster besaß der Turm hier zumindest keine. Nach einhundert Stufen gelangten sie in eine Vorhalle, in der vier tote Albae lagen. Ihre Brustkörbe waren zerfetzt worden, auch die gehärteten Lederrüstungen hatten den magischen Attacken nicht widerstanden.

»Wir kommen ihm näher«, raunte Balyndar aufgeregt und fasste die Feuerklinge fester. Tungdil marschierte durch die Halle und schritt auf die andere Seite des Tores. Sie hatten den Thronsaal gefunden, den die Dsön Aklän gern für sich gehabt hätten, anstatt ihn Aiphatön zu lassen. Ein düsterer, zehn Schritt hoher Raum mit filigranen Metallsäulen darin, die eigentlich zu dünn sein mussten, um den Druck von den Stockwerken darüber auszuhalten. Aber sie taten es dennoch.

Zwischen den Säulen waren Seile gespannt, von denen Fahnen bis auf den Boden hingen und den Blick der Besucher von selbstauf den Stuhl lenkten, der in der Mitte auf einem Podest stand. Sieben Stufen führten hinauf, der Stuhl bestand aus Tionium und Palandium und vereinte damit die Metalle des Guten und Bösen gleichermaßen in sich.

Auf dem Boden lagen sieben weitere tote Albae, sie wiesen verschiedene Brandspuren an ihren Körpern auf; ihre Waffen waren von mächtigen Kräften geschmolzen oder zersprengt worden.

Balyndar wollte etwas fragen, da knisterte es, und ein durchdringendes Leuchten wurde durch viele Stoffbahnen hindurch sichtbar. Ein langer Schrei erklang, gefolgt von einem Lachen einer zweiten Stimme. Es klirrte, als sei eine Waffe zu Boden gefallen.

Tungdils Kiefer mahlten. »Ihr wisst, was es bedeutet«, flüsterte er der Maga und dem Fünften zu. »Wir lenken ihn ab, Ihr, Coira, müsst ihn niederringen, wenn er sich genügend an uns ausgetobt hat.« Sein braunes Auge fixierte sie. »Nicht töten!«, schärfte er ihr ein. »Unterdrückt Eure Rachegefühle und Empfindungen, und seht stattdessen in ihm das letzte Mittel gegen die Bedrohung, die Euer Reich schlimmer treffen würde als zehn Drachen zusammen.« Er gab Balyndar das Zeichen zum Vorrücken. Die Maga wartete, bis sie hinter den ersten Stoffbahnen verschwunden waren, dann folgte sie ihnen. Sie hatte die Arme halb erhoben, damit die Finger die notwendigen Gesten auf der Stelle ausführen konnten. Sie spürte, dass ihr Herz schneller schlug, der Schweiß ihr den Rücken hinablief und sie schreckhaft war. Das Leben als Prinzessin hatte sie auf solche Aufgaben nicht vorbereitet.