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Ingrimmsch sah den Bolzen auf sich zufliegen und konnte es noch immer nicht glauben. Es blieb ihm keine Zeit mehr zu reagieren - das Geschoss war heran... ... und verfehlte seine linke Augenhöhle um eine Fingerlänge. Der Zwerg hörte es schwirren, als der Bolzen ihn passierte, undverspürte den Luftzug. Dennoch krachte es gleich darauf, als wäre er hinter ihm eingeschlagen.

Ingrimmsch wusste, was das bedeutete. Er duckte sich auf der Stelle und kreiselte dabei um die eigene Achse, wobei er den Krähenschnabel in Kopfhöhe führte. Er sah den Arm mit dem Doppelklingendolch über sich hinweghuschen, und der Dorn fuhr Tirigon bis zum Anschlag in die linke Seite.

»Du wirst doch wissen, wann du gefällig tot zu sein hast, Schwarzauge!«, schrie er den Alb an, in dessen Herz der Bolzen steckte.

Lautlos brach Tirigon auf die Knie und kippte zur Seite.

»Das glaube ich dir dieses Mal nicht«, knurrte Ingrimmsch, nahm die flache Seite des Krähenschnabels und zertrümmerte den Schädel des Albs mit mehreren Schlägen. Danach schleifte er den Leichnam zum Kraterrand und schleuderte ihn hinab. »Guten Flug!« Er sah zu, wie der Alb die drei Meilen in die Tiefe stürzte, mehrmals mit der Wand zusammenstieß und schließlich auf dem Boden aufschlug. Das überlebte keiner. »Da ist ja endlich jemand«, hörte er Rodarios erleichterte Stimme unter sich. Der Schauspieler hing am Griff seines völlig verbogenen Schwertes in der Felswand; die Klinge hatte er bei seinem Sturz in einen waagrechten Spalt gerammt, was ihn vor einem tieferen Fall bewahrt hatte.

»Ho, und wo ist dein Pferd?«, musste Ingrimmsch einfach fragen und grinste trotz allem. »Du hättest es mit deinen langen Beinen doch festklammern können!« »Ingrimmsch, ich brauche dich!«, rief ihm Slin zu. »Mallenia hat es schwer erwischt. Wir müssen sie verbinden.«

Er warf einen Blick in die Tiefe zu Rodario. »Das Schwert wird noch eine Weile halten. Ich muss mich um dein Liebchen kümmern«, brüllte er und eilte zum Vierten, der neben der Frau kniete und die Wunden betrachtete.

Ingrimmsch sah, dass sie noch atmete. Der Schuss in den Hals hatte lediglich Fleisch und vielleicht ein paar Sehnen getroffen, der Blutung nach war keine Ader verletzt. Mehr Sorgen bereitete ihm der Pfeil im Rücken der Ido.

»Wir können nichts tun, außer dafür sorgen, dass sie sich irgendwie so lange am Leben hält, bis Coira zurückkommt und sie auf magische Weise heilt«, sagte er zu Slin und half ihm, Verbände anzulegen. »Rede mit ihr und halte ihren Verstand wach. Ich kümmere mich um den Schauspieler, bevor das Eisen bricht under dem Schwarzauge in den Krater folgt.« Er legte dem Vierten die Hand auf die Schulter. »Danke. Ich stehe in deiner Schuld.«

»Nein. Das tust du nicht«, wehrte Slin ab. »Wir sind eine Gruppe, in der jeden auf den anderen achtete.« Er stockte. »Zumindest wir Kinder des Schmieds sollten das tun.« »Da hast du recht.« Ingrimmsch stand auf und zog den Pferden das Zaumzeug aus, um daraus eine lange Leine zu knoten. Während er daran arbeitete, gesellte sich Balodil zu ihm. Er hatte seine Wunde im Arm selbst verbunden und warf ihm einen Trinkbeutel zu.

»Derjenige, dem er gehörte, hat keine Verwendung mehr dafür«, sprach er. »Du dagegen wirst es benötigen.« Dann setzte er sich und half ungeachtet seiner Verletzung, aus dem Zaumzeug einen Strang zu knüpfen.

Gemeinsam gingen sie an die Kante und ließen die Leine zu Rodario hinab, der im Wind hin und her pendelte. »Das wurde aber Zeit«, begrüßte er die Zwerge. »Lange kann ich mich nicht mehr halten.«

»Mit dem Pferd zwischen den Beinen wäre es noch schwerer«, gab Ingrimmsch zurück. »Greif zu! Wir ziehen dich hoch.«

Balodil und Ingrimmsch schafften es, den Mimen aus der Tiefe zu befreien, der sogar sein verbogenes Schwert aus dem Spalt gezogen und mitgenommen hatte. »Was willst du denn damit?«, wunderte sich Ingrimmsch. »Um die Ecke schlagen?« »Aufheben. Als Erinnerung.« Rodario erbleichte, als er Mallenia auf der Erde liegen sah. Er rannte zu ihr und legte ihren Kopf auf seinen Schoß. »Wir müssen etwas tun...«, sagte er verzweifelt.

»Mehr als warten können wir nicht«, sagte Ingrimmsch. »Die Verletzung ist zu schwer, und da keiner von uns ein Heiler ist, brauchen wir die Maga, damit sie die Wunden schließt.«

Rodario schluckte und nickte.

Der Wind drehte erneut, und die Flammen in Dsön waren erloschen. Ingrimmsch blickte hinüber zum Turm, in dem sich sein Freund, Coira und Balyndar aufhielten, um Lot-Ionan zu besiegen. »Vraccas, lass es ihnen gelingen«, bat er und sah zu Balodil, der neben der Leiche seines toten Kampfgefährten saß und mit geschlossenen Augen betete. Wenn er es richtig vernommen hatte, sprach auch der Zhadär mit Vraccas.

Die Feuerklinge traf Sisaroth in die rechte Schulter, hob ihn von den Beinen und schleuderte ihn auf den Rücken. Der Alb schlitterte mehrere Stufen hinab, bis er zum Liegen kam.

Keuchend rannte Balyndar zu Sisaroth, um ihm den Rest zu geben. Im Vorbeieilen hob er das lange Zweihandschwert des Albs auf, der sich eben in die Höhe stemmte. Die Feuerklinge steckte noch in ihm, das dunkle Blut floss in Strömen aus der Wunde und lief über die Rüstung.

Balyndar öffnete den Mund zu einem Schrei und hechtete nach vorn, das Schwert zum Stoß am Griff und an der Parierstange haltend.

Sisaroth versuchte auszuweichen, doch seine eigene Klinge traf ihn in den Unterleib. Knirschend fuhr sie durch die Rüstung, und er schrie seinen Schmerz laut hinaus. Balyndar lachte und packte die Feuerklinge am Griff. »Das höre ich gerne!« Er nahm die Axt an sich, und während Sisaroth zu einem letzten Stich gegen seine Kehle ansetzte, schlug ihm der Zwerg einhändig den Kopf von den Schultern. Eine Blutfontäne spritzte bis an die Gewölbedecke, dann fiel der Enthauptete rücklings auf die Stufen. Keuchend musste sich Balyndar setzen, ein Schwächeanfall suchte ihn heim und machte Arme und Beine schwerer als Blei. Er vermochte kaum mehr, sich zu bewegen, die Feuerklinge wog mehr als vier Säcke Gold.

Ein Schatten fiel über ihn, dann stand Lot-Ionan vor ihm. Er musterte den Zwerg, um seine Lippen spielte ein boshaftes Lächeln.

Balyndar überlegte verzweifelt, dass es keine Möglichkeit gab, den Magus aufzuhalten, wenn er ihnen allen ans Leben wollte. Er fühlte sich ermattet, Tungdil war nirgends zu sehen, und Coira bedeutete für den Mann keine Gefahr. »Denke nicht einmal daran«, drohte er Lot-Ionan dennoch.

Der Magus schien mit den Fingern zu wackeln, zwischen denen es unvermittelt blau flimmerte. Es kroch auf Balyndar zu, drang in seine Nase und den Mund ein. Ein warmes Gefühl durchflutete ihn, als bekäme er Geborgenheit, Liebe und Freude geschenkt. Sein Körper erhielt neue Kraft, und die Wunden kribbelten und kitzelten. Als die Empfindungen abflauten und er nach seinen Verletzungen sah, blickte er auf makellose Haut, als wäre er weder von einem Schwert noch von anderen Gegenständen getroffen worden. Lot-Ionan ging einfach an ihm vorbei die Stufen hinab.

Coira richtete sich indes stöhnend auf und hielt sich den Kopf. Sie sah den toten Alb, dann sah sie zu Balyndar und verfolgte den Magus mit Blicken, bis er um die Biegung der Treppe verschwunden war. »Was ist geschehen?«

»Viel«, gab der Zwerg knapp zurück und stand auf. Er fühlte sich, als habe er einen Umlauf lang geschlafen und sich frisch gestärkt. Lot-Ionan hatte sich an die Abmachung gehalten und ihn geheilt. »Und ein kleines Wunder. Kommt, wir wollen nach Goldhand sehen!«

Gemeinsam liefen sie zügig den Turm hinab.

Tungdil Goldhand lag in seiner erstarrten Rüstung neben der entkräfteten Mallenia am Lagerfeuer, das sie eine Meile nördlich vom Kraterrand entfacht hatten. Lot-Ionan hatte den bewegungsunfähigen Zwerg mit einem Schwebezauber aus Dsön nach oben bugsiert, während Coira die Verletzten der Gruppe mit ihren restlichen magischen Kräften versorgt hatte. Den Blutverlust der Ido konnte sie jedoch nicht ausgleichen, und so blieb die Kämpferin schwach wie ein kleines Kind. Rodario kümmerte sich liebevoll um sie, doch alle wussten, dass Mallenia sie nicht weiter begleiten konnte. Es ging bei ihrer Reise um Geschwindigkeit, und diese würde sie so nicht halten können. Beim nächsten Gehöft, so lautete das Vorhaben, würde sie zurückbleiben und dann nachkommen, sobald sie sich kräftig genug fühlte. Ingrimmsch stand neben Tungdil und hatte dessen Visier nach oben geschoben, rieb sich den Bart. »Schon wieder, Gelehrter«, seufzte er. »Dieses Mal war es der Alb?« »Ja. Er hat eine Formel gesprochen.« Tungdil versuchte, seinen Arm zu heben. »Nichts.«