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Der Jubel in Übeldamm wollte gar nicht mehr enden. Auch von den anderen drei Toren schallten die Hörner, die Rufe und das Klappern der Beile und Äxte, die gegen die Schilde und Rüstungen geschlagen wurden, zu ihnen herüber. Ein Gewitter des Hochgefühls ging auf sie nieder, es hatte Zwerge, Menschen, Untergründige und Ubariu gleichermaßen erfasst.

Ingrimmsch lief aufrecht wie selten in seinem Leben zuvor. Stolz drückte er den Rücken durch und schulterte den Krähenschnabel, ging breitbeinig und winkte schließlich sogar mit einem Grinsen im Gesicht. Balyndar und Slin erging es nicht anders. Sie genossen es, als Helden betrachtet zu werden. Zu Recht.

Allein Godas verschlossene Miene trübte die Stimmung des Kriegers ein wenig. Aber nur ein wenig.

Die Doppeltür, die in die Beratungshalle führte, wurde von den Ubariuwächtern aufgestoßen.

Ingrimmsch klappte der Unterkiefer vor Staunen herab: An dem Tisch saßen Zwerge! Viele Dutzend Zwerge, allesamt Clanführer, und die Fahnen, die an den Wänden hinter ihnen befestigt waren, erklärten, um welche Abordnungen es sich handelte. »Bei Vraccas!«, entfuhr es ihm, und sein Herz raste voller Freude. »Gelehrter, siehst du das?« Er wollte ihn an der Schulter packen und ungestüm schütteln, um seinem Glücksgefühl freien Lauf zu lassen, doch er unterließ es.

»Bleibt an meiner Seite«, sagte Tungdil leise zu ihnen. »Sie sollen sich die Gesichter ihrer größten Helden einprägen und niemals mehr vergessen.« Er marschierte langsam und kraftvoll hinein.

Ein Klingeln und Klirren ertönte, als sich die Zwerge vor ihrem Großkönig verneigten, auf ein Knie sanken und in der alten Schwurgeste ihre Waffen hoben, um ihm den Treueid zu leisten. Sämtliche Stämme waren gekommen, sogar die Dritten und die Freien beugten sich vor Tungdil und versammelten sich unter seinem Befehl.

Niemand sprach in diesem feierlichen Moment, dem größten Augenblick in der Geschichte der Kinder des Schmieds.

Der überwältigende Anblick rührte Ingrimmsch zu Tränen. Sein Gelehrter hatte erreicht, was keinem Großkönig vor ihm gelungen war. Er schämte sich nicht für die salzigen Tropfen, die aus den Augenwinkeln in seinen Bart liefen, und sah die deutliche Regung auf vielen anderen Zwergengesichtern.

»Lange lebe Großkönig Tungdil Goldhand!«, rief er und reckte den Krähenschnabel, bevor auch er sich verneigte. Slin und Balyndar konnten sich der Wirkung des Anblicks nicht entziehen und taten es ihm nach. Goda ging als Letzte vor dem Einäugigen auf die Knie.

»Ihr seid meinem Ruf gefolgt«, erhob Tungdil seine dunkle Stimme, und sie sandte das Majestätische aus seinem Innern aus und übergoss die Zuhörer damit. »Dafür danke ich euch. Die entscheidende Schlacht um das Geborgene Land wird in der Schwarzen Schlucht geschlagen, denn der Krieg, der vor zweihundertfünfzig Zyklen begonnen hat, ist nicht beendet.« Er ließ den Blick schweifen. »Deswegen bin ich zurückgekehrt: um meinem Volk beizustehen.«

»Das ist gelogen«, zischte Goda, was aber nur Ingrimmsch vernahm.

Er funkelte sie an, und sie biss sich auf die Lippen.

»Ihr seht, dass ich mich verändert habe, doch in meinem Herzen bin ich ein Kind des Schmieds geblieben. Ohne meine Freunde«, er zeigte auf die Zwerge hinter sich, »wäre mir meine erste Aufgabe niemals gelungen. Umso gewisser ist es, dass wir die zweite Herausforderung gemeinsam bestehen werden.« Er bedeutete ihnen, sich zu erheben. »Ich trage den Titel des Großkönigs durch die Wahl der Vierten und der Fünften. Manche mögen das als Makel sehen, nicht von allen Stämmen gekrönt worden zu sein.« Tungdil hob die Arme. »Ich frage euch, jeden Einzelnen von euch, jeden Clanführer und jeden König, aus diesem Grund ein zweites Maclass="underline" Wollt ihr, dass ich euch führe?« Unter der laut gerufenen Zustimmung erbebte der Raum, und Ingrimmsch rannte ein Schauer über den Rücken. Eine solche Einigkeit!

Tungdil verbeugte sich nun vor den Zwergen. »Ich schwöre, dass ich meinem Volk diene und dass ihr meine Wahl niemals bereuen werdet.« Dann richtete er sein braunes Auge dorthin, wodie Dritten standen. »Tritt vor, König der Dritten, und verkünde, was wir besprochen haben.«

Zu Ingrimmschs Erstaunen wich Rognor Sterbenshieb einen Schritt zurück und machte einem vertrauten Gesicht Platz. »Hargorin Todbringer!«, entschlüpfte es ihm überrascht. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet.

Der stattliche Zwerg legte die breiten Hände an den Gürtel. »Mein Name ist als Anführer der Schwarzen Schwadron gefürchtet, doch meine Taten unterstanden einem einzigen Zweck: meinem Stamm das Überleben zu sichern, damit er sich an einem Umlauf wie diesem gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern an eine Tafel zu setzen vermag. Und das Böse zu bekämpfen«, erklärte er getragen. »Rognor war mein Kanzler, der die Befehle von mir empfing und sie ausführte. Er wäre für mich gestorben, wenn die Albae eine Heimtücke geplant hätten, um den König der Dritten zu töten.« Er zeigte auf Balodil. »Und es war auch meine Anweisung, dass tapfere Krieger sich in Zhadär verwandelten, um weitere Geheimnisse der Albae zu ergründen und sie mit eigener List zu schlagen.«

Der erste Dritte mit Anstand. Abgesehen vom Gelehrten.

Ingrimmsch lauschte ihm gebannt wie alle anderen in der Halle.

»Wir haben Vorbereitungen getroffen. Und wir sind es leid«, sprach Hargorin weiter. »Wir sind es leid, gegen unsere Brüder und Schwestern zu kämpfen. Auch wenn es uns ein Leichtes wäre, die verbliebenen Stämme auszulöschen, weil wir in der Überzahl sind und dank der Zhadär die Festungen in- und auswendig kennen: Wir greifen euch nicht an. Das Wissen, euch besiegen zu können, reicht uns aus.« Er atmete tief ein. »Ich, Hargorin Todbringer aus dem Clan der Todbringer, erkläre hiermit die Fehde zwischen uns und den übrigen Zwergen des Geborgenen Landes, mögen sie einem Stamm angehören oder sich als frei bezeichnen, für beendet! Keine Zwergin und kein Zwerg muss mehr um sein Leben fürchten, wenn er das Schwarze Gebirge betritt oder einen meines Stammes trifft.« Er pochte gegen seine Waffe. »Sie wird niemals Zwergenblut zu schmecken bekommen. Das schwöre ich bei Vraccas! Wir sind ein Volk, die Kinder des Schmieds!«

Ingrimmsch stand wie vom Donner gerührt. Er blickte zu Tungdil, dann zu Goda und schließlich zu Hargorin. »Friede?«, kam es undeutlich aus seinem Mund. »Die Dritten schließen Frieden mit uns?« Hargorin lächelte ihn an. »Friede«, wiederholte er.

Hätte man in diesem Augenblick eine winzige Spatzenfeder zu Boden schweben lassen, man hätte sie auftreffen hören.

Die Könige und Clanführer starrten Hargorin und seine Abordnung an. Sie hatten die Worte vernommen, doch noch fehlte ihnen der Glaube daran.

Ingrimmsch konnte es nachvollziehen. Auch er fand die Sprache nicht wieder. Weitere Hunderte, ja, Tausende von Zyklen der Hatzjagd, des Krieges, des Hasses waren mit wenigen Sätzen beendet worden, ohne dass es lange Verhandlungen gegeben hatte! Ermöglicht von einem einzigen Zwerg: Tungdil Goldhand.

Das ist seine größte Leistung, dachte er. Es wird keinen Großkönig mehr nach ihm geben, der ihnüberragt. Er wird als Bringer der Einigkeit in Stein gemeißelt werden. Aus einem angezweifelten Rückkehrer wurde der unerreichte Krieger und Großkönig der Stämme. Ingrimmsch atmete vor Aufregung immer schneller, und als noch immer keiner ein Wort verlauten ließ, rief er: »Da schlag Vraccas mit seinem Hammer rein: Will denn niemand jubeln?« Ein Stimmorkan brach los, der das Gewitter bei ihrem Einzug in den Schatten und die Ohren auf eine harte Probe stellte. Die Zwerginnen und Zwerge schrien ihre Erleichterung und überbordende Freude laut hinaus, schwenkten die Waffen und eilten auf die Dritten zu. Nicht um sie anzugreifen, sondern um ihnen die Hände zu schütteln. Tungdil stand immer noch an seinem Platz, eine Hand in die Seite gestemmt, die andere hielt Blutdürster, und besah sich die Szene mit einem Lächeln.