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Ingrimmsch konnte sich nicht länger zurückhalten: Er umarmte seinen Freund lachend und klopfte ihm dabei mehrmals auf den Rücken. »Das war großartig, Gelehrter!«, rief er.

»Ohne dich, alter Freund, wäre es mir nicht geglückt«, gab der Einäugige zurück und reichte ihm die Hand, dann drehte er sich zu Slin, Balodil und Balyndar. »Ohne keinen von euch wäre es mir geglückt. Ihr hattet euren Anteil daran.« Schließlich wandte er sich an die Versammlung. »Feiern können wir später«, verschaffte er sich mit dröhnender Stimme Gehör. »Lasst uns der Toten gedenken, die bei unserer Mission ihr Leben ließen und bei Vraccas in der Schmiede willkommen geheißen wurden.«

Zu Ingrimmschs Verblüffung nannte Tungdil jeden einzelnen Namen der Gefallenen, vom Zwerg bis zum Zhadär.

»Und nun möchte ich von dir hören«, er blickte zu Goda, »was sich während unserer Abwesenheit zugetragen hat.«

Die Maga berichtete. Vom eigenen Überfall auf die Scheusale, von ihrer Gegenattacke und dem Erscheinen des gegnerischen Magus, von der Entführung ihrer Tochter, von der Verwundung des Sohnes. Von sämtlichen Vorgängen rund um die Schwarze Schlucht.

Ingrimmschs Hochstimmung verflog jäh, und die Sorge um seine Kinder ließ ihn aufspringen.

Aber Goda hielt ihn mit einem Blick davor zurück, die Versammlung zu verlassen. »Es geht ihnen beiden gut. Besuche sie, wenn die Unterredung beendet ist«, bat sie ihn. »Seit der Flucht meiner Tochter hat sich nichts mehr ereignet. Die Ungeheuer haben ihre Türme neu errichtet und sie mächtiger gebaut als zuvor. Das Lager hat wieder die alte Größe wie vor unserem ersten Ausfall«, schloss sie ihre Erzählung. »Aber der Magus hat sich nicht mehr blicken lassen.«

Tungdil nickte. »Da habt ihr vernommen, weswegen wir einen Lot-Ionan benötigen, um es mit diesem Zwerg aufzunehmen, der sich selbst Vraccas nennt. Ich habe ihn mir in den Zyklen jenseits der Schlucht zu meinem Todfeind gemacht, doch ich versichere euch, dass er früher oder später hinausgedrängt wäre. Seine Machtgier ist unersättlich.« Er ließ das Modell der Schwarzen Schlucht bringen, auf dem die Zelte, sogar die Türme mit kleinen Markierungen festgesteckt waren. »Er ist unser vorderstes Ziel, denn wenn er stirbt, werden die Bestien den Mut verlieren. Danach haben wir leichtes Spiel und werden die Schlucht endgültig über ihnen einstürzen lassen, damit nichts Böses mehr aus ihr emporsteigen kann!«

»Wann werden wir losschlagen?« Hargorin betrachtete das Modell mit gerunzelter Stirn.

»In zwei Umläufen. So lange möchte ich mich von meiner Reise erholen.« Tungdil pochte mit dem Zeigefinger gegen die Glaskuppel, die den Schirm darstellte. Klirrend zerbarst sie. »Das wird Lot-Ionan für uns tun und an meiner Seite in die Schlacht reiten. Wir räumen mit den Scheusalen auf, und sobald der Zwerg seine drohende Niederlage bemerkt, wird er sich zeigen.« Er sah die Könige eindringlich nacheinander an. »Niemand stellt sich ihm in den Weg! Er gehört allein mir und Lot-Ionan, denn kein anderer vermag es, ihn aufzuhalten. Goda hat es euch bereits geschildert. Ihr würdet vergehen.«

»Außer mir«, fiel im Balyndar ins Wort. Er zog die Feuerklinge aus dem Futteral und zeigte sie der Versammlung. Ein lautes Raunen war die Folge. »Die Waffe, die einst den Dämon besiegte, der Nödonn und viele Feinde des Geborgenen Landes vernichtete, ist zu ihrem Volk zurückgekehrt. Und wird ein weiteres Mal vonnöten sein.« »Die Diamanten leuchten ja«, rief einer der Zwerge. »Was ist unter uns, das sie zum Glimmen bringt und vor dem sie uns warnen will?«

Der Zhadär trat vor. »Ich«, kicherte er. »Ich mag wie ein Zwerg wirken, doch ich habe mich schon längst verändert. Die Albae gaben mir den Keim des Bösen zu kosten, doch ich nutzte ihn, um Gutes zu tun. Deswegen«, säuselte er und zeigte auf die Feuerklinge, »funkelt sie so schön. Sie wittert mich.«

Goda blickte zu Tungdil und wollte etwas sagen, doch Ingrimmsch verbot ihr mit einer deutlichen Geste den Mund. Er ahnte, dass sie aufs Neue Zweifel an der Echtheit des Gelehrten hatte schüren wollen. Nicht jetzt, formulierte er tonlos.

»Er ist der Letzte seiner Art«, sagte Tungdil. »Seine Freunde und Kampfgefährten sind unterwegs gefallen und haben sich für die gute Sache und die Befreiung des Geborgenen Landes geopfert. Mit seiner Hilfe werden wir auch den verstecktesten Alb in seinem Loch aufspüren und ihn vernichten, sobald wir unseren Sieg im Jenseitigen Land eingefahren haben.«

Die Zwerginnen und Zwerge klatschten oder trommelten mit ihren Waffen gegen den Tisch.

»Dann geht zu euren Kriegerinnen und Kriegern, verkündet ihnen, was in zwei Umläufen geschehen wird, und ruht euch aus.« Der Großkönig verneigte sich wieder vor ihnen. »Vraccas wird mit euch sein.« Er drehte sich um, nickte Ingrimmsch zu und verließ die Halle.

Goda kam zu ihrem Gemahl. »Du hast es so gut vernommen wie ich.« »Was denn?« »Vraccas wird mit uns sein.« Sie sah Tungdil nach. »Aber wer ist mit ihm?« »Ach, Goda.« Ingrimmsch seufzte und schüttelte den Kopf. Er ließ sie stehen und sah endlich nach seinen Kindern.

Einen Umlauf später, Ingrimmsch hatte sich gerade für ein Nickerchen auf das Lager geworfen, klopfte es an seiner Tür, und ein Bote bat ihn, mit ihm in die Besprechungshalle zu kommen. Der Großkönig hatte geladen.

Also machte sich Ingrimmsch auf die Sohlen, um zum Treffen zu eilen. Dabei dachte er über den kommenden Umlauf und die bevorstehende Schlacht nach. Überall in Übeldamm erklang das Reiben der Schleifsteine und Klirren der Schmiedehämmer, letzte Vorbereitungen wurden getroffen. Die Taktik war festgelegt. Nichts mehr konnte etwas daran ändern.

Sorgen machte er sich weniger um sich und sein Überleben, sondern vor allem um Sanda. Ich würde so vieles geben, dass sie sich wieder erholt. Während sein verletzter Sohn genas, sah er an Sandas Augen, dass sie das Erlebte in der Gefangenschaft noch lange nicht abgestreift hatte.

Einen ähnlichen Ausdruck bemerkte er bei Coira, die sich von ihrem Beinahetod durch Sisaroth nicht erholt hatte. Aus diesem Grund hatte er sie beide zusammengeführt und hoffte, dass sie sich gegenseitig helfen konnten.

Balyndar war sein zweites Sorgenkind. Ingrimmsch fürchtete, dass der Fünfte etwas Unbesonnenes mit der Feuerklinge tun könnte, was den Verlauf der Schlacht zum Schlechten für die Zwerge wenden würde. Der Blick, den Balyndar und Goda sich zugeworfen hatten, war der zweier Verschwörer gewesen. Es brachte auch nichts, mit seiner Gemahlin zu reden. Sie hatte ihre Meinung und wich nicht davon ab. Tungdils Verdienste zählten für sie nicht.

»Vraccas, warum hast du uns einen solch störrischen Verstand gegeben?«, beschwerte er sich leise, bevor er in den Gang bog, der zur Versammlungshalle führte. Auch Coira war eben auf dem Weg dorthin.

Grüßend hob er den Arm, und sie verlangsamte ihre Schritte. Sie trug ein dunkelblaues Gewand mit langen Ärmeln und eine schwarze Haube auf dem Kopf. Ingrimmsch erkannte Weyurns Wappen als Stickerei und Ziernaht an den Ärmelaufschlägen. »Wie geht es Euch, Königin?« »Gut, danke.« Sie lächelte. »Ihr wollt wissen, ob ich mit Eurer Tochter gesprochen habe?«

Ingrimmsch wackelte mit dem Kopf, der Zopf rutschte nach vorne. »Es beschäftigt mich sehr, sie so... angeschlagen und verwirrt zu sehen. Sie ist so anders.«

Auf Coiras Stirn erschienen Falten. »Habt Ihr Euch von den Zweifeln Eurer Gemahlin anstecken lassen?«

»Welche Zweifel?«