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Doch bevor einer von ihnen einen Fuß in die Ebene setzen konnte, musste der erste Schlag gelingen.

Lot-Ionan trat vor und musterte die dunkelroten Ausläufer der Barriere, dann legte er die linke Hand dagegen und sprach einen kurzen Satz, an dessen Ende er unvermittelt schrie und seinen Körper anspannte.

Weiße Blitze rannten rissgleich durch den Schild und brachten ihn dazu, sich aufzulösen. Mit einem hellen Ton schwand die Barriere!

»Für das Geborgene Land!«, rief Tungdil und stieß in sein Rufhorn. Sein Pony trabte an, und alle vier Heere begannen mit ihrem Vormarsch, während die Katapulte der Festung die Vernichtung über die verdutzten Scheusale brachten.

Krachend und rumpelnd schleuderten sie ihre Steine, Pfeile und Speere, ihre brennenden Petroleumbeutel und glühenden Eisenkugeln in das ungeschützte Lager. Sie trafen Zelte samt den Bewohnern darin, Belagerungstürme, Rammböcke, Sturmleitern und all diejenigen Scheusale, die sich im Freien aufhielten.

Feuer flammten auf, das laute Knistern von berstendem Holz mischte sich mit dem Schreien der Kreaturen. Gleichzeitig riss die Wolkendecke auf, und der Regen ließ nach, als sandten die Götter ihnen gutes Wetter. Doch unvermittelt entstand keine zwanzig Schritt vor ihnen eine neue Barriere, von welcher die Geschosse abprallten. »Schilde!«, schrie Ingrimmsch nach hinten und suchte seinen eigenen. Die ersten abgefälschten Steine flogen trudelnd auf die Zwerge zu, die ihre Schilde nach oben rissen und sich dahinter verbargen, bis der tödliche Schauer endete. Zwar hatten die Katapultmannschaften auf den Wehrgängen rasch reagiert und den Beschuss eingestellt, doch es hatten sich genügend Geschosse in der Luft befunden, um Unheil in den eigenen Reihen anzurichten.

Ingrimmsch spürte zuerst einen leichten Einschlag, danach einen heftigen, der ihn aus dem Sattel des Ponys warf. Er rollte sich so ab, dass er hinter dem Schild blieb. Das war sein Glück, denn etwas Weiches prallte dagegen, und eine Feuerwolke loderte empor. Rasch warf er den brennenden Schutz von sich und sprang vom Feuer weg. Hätte der Petroleumsack ihn richtig getroffen, wäre er in den Flammen umgekommen. Ingrimmsch sah Goda, die glücklich lächelnd zur Sonne sah, ihr Rufhorn an die Lippen setzte und eine schnelle Tonfolge spielte, mit der er nichts anzufangen wusste. Rings auf den Zinnen von Übeldamm blitzte es unvermittelt grell.

Er sah, wie die Soldaten gehämmerte Metallspiegel von zwei Schritt Durchmesser aufrichteten. Hunderte Reflexionen der Sonne tanzten über den Boden und bündelten sich auf dem größten der gegnerischen Belagerungstürme, wo sich eben die Scheusale bereit machten, die Katapulte in Gang zu setzen. Das Licht störte sich nicht an der magischen Barriere.

Verwirrt schlossen die Ungeheuer die Augen, Ingrimmsch sah sie mit den Armen fuchteln, dann fing das erste von ihnen Feuer! Ingrimmsch staunte. Die Spiegel fangen die Kraft des Gestirns ein und vervielfältigen sie! Auch vom nassen Holz kräuselten erste Rauchfahnen auf, bis sich plötzlich das Petroleum für die Brandpfeile von selbst entzündete und mit einer gewaltigen Stichflamme verpuffte. Der Unterstand verging in der Lohe, der Belagerungsturm brannte.

Goda jauchzte laut auf, und Kiras umarmte sie. Ingrimmsch war stolz, dass seine Gemahlin sich diese List ausgedacht hatte. Auch eine kleine Gelehrte. Nicht nur eine Maga, dachte er und beeilte sich, zu Tungdil und Balyndar aufzuschließen.

Die Spiegel richteten sich von Neuem aus und legten den blitzenden Tod über den nächsten Turm. Das Licht reichte schon aus, um die Bestien hinunterklettern oder -springen zu lassen. Sie konnten sich denken, was ihnen blühte, wenn sie länger an dem Punkt standen, an dem die vereinten Strahlen zusammenliefen; gleich danach wurde aus dem Bauwerk eine riesige Fackel, während der erste Turm zusammenbrach und unzählige Feinde unter seinen brennenden Trümmern begrub.

Aus Ingrimmschs Zuversicht, diese Schlacht zu gewinnen, wurde Überzeugung, aber noch keine unerschütterliche Gewissheit.

Lot-Ionan befand sich an der Barriere und brachte sie ein weiteres Mal zum Zusammenbrechen, doch die Katapulte schwiegen aus Angst, dass plötzlich ein weiterer Schild erschien und die eigenen Leute durch die Querschläger verletzt wurden.

Ingrimmsch sah nach den Verletzten und überschlug die Verluste unter den Zwergen. Einige lagen am Boden, andere bluteten, wieder andere hatten Dellen in ihren Helmen, Schilden und Rüstungen, doch hielten sich tapfer auf den Beinen.

Tungdil sprang von seinem Pony. »Vorwärts!«, brüllte er frenetisch und schwang Blutdürster. »Macht sie nieder!« Dann stürmte er voran, packte den Griff seiner Waffe mit beiden Händen.

Das Heer der Zwerge folgte ihm mit einem gemeinsamen Kampfschrei, der von den Mauern der Festung widerhallte und sie anstachelte.

Die Bestien waren damit beschäftigt, sich in Schlachtformation zu begeben, aber die Aufregung unter ihnen war groß.

Daran änderte auch die Verstärkung nichts, die aus der Schlucht quoll. Die Scheusale wurden von der Verwirrung ihrer Artgenossen angesteckt, und die wütenden Befehlshaber schlugen nur so um sich und droschen mit langen Peitschen auf ihre Truppen ein, als wären sie die Gegner.

Die Zwerge befanden sich keine hundert Schritt mehr von derersten Reihe der Feinde entfernt, da schob sich der hässliche Kopf des Kordrion aus der Schlucht.

Ingrimmsch erkannte ihn unverzüglich als das Exemplar, das Tungdil bei seiner Rückkehr angegriffen hatte. Die Narben und das verlorene Auge waren deutliche Zeichen dafür.

Schnell nahm er die Wachspfropfen heraus und schob sie sich in die Ohren. Und er war damit nicht alleine. Im nächsten Augenblick vernahm er die Geräusche um sich herum dumpf und wie aus weiter Ferne durch Wolken hindurch.

Der Kordrion öffnete das Maul zu einem Schrei und schob sich weiter aus der Spalte. Ingrimmsch grinste. Kein Zwerg und keine Zwergin gerieten ins Stocken, der Schrei wirkte nicht gegen sie. Sicher, er klang nach wie vor erschreckend, aber keineswegs lähmend. Das verunsicherte die Bestien noch mehr.

Und die Antwort erfolgte prompt: Lot-Ionan sandte dem Kordrion zwei gellendblaue Strahlen aus seinen Händen entgegen und traf ihn gegen den Hals. Flämmchen loderten auf, die graue Haut des Scheusals warf Blasen und verbrannte zu Schwarz. Schließlich platzte sie, und schwarzbläuliches Blut schwappte auf die unter ihm stehenden Bestien.

Aufkreischend rannte der Kordrion aus der Schlucht und trampelte die Ungeheuer zu seinen Klauen einfach nieder. Er drückte sich ab und die Schwingen entfalteten sich, als ihn eine weitere magische Attacke - dieses Mal von Goda - traf. Ein knisternder gelber Blitz bohrte sich in seine Flanke und hinterließ ein Loch von der Größe eines kleinen Mühlrads.

Der Kordrion katapultierte sich brüllend in die Luft und schwang sich mit kräftigen Schlägen hoch in den Himmel, während sich Blut aus der Wunde ergoss und auf die Erde niederschlug. Er dachte nicht einmal daran, den Magus und die Maga mit seinem weißen Feuer zu überschütten; der Schrecken und der Schmerz waren zu unvermittelt gekommen. Solche Attacken kannte er nicht.

Ein lautes Jubeln erklang, als die Zwerge ihren größten Feind flüchten sahen. Doch wer auf eine entmutigende Wirkung bei den Bestien gehofft hatte, sah sich enttäuscht. Sie hatten ihr Durcheinander in der Aufstellung kurz vor dem Zusammenprall mit den Zwergen beseitigt und stemmten ihnen nun die Schilde entgegen. Wieder zeigte Lot-Ionan, dass er zu Recht von den Bewohnern des Geborgenen Landes gefürchtet wurde. Er breitete die Arme langsam aus, als wolle er eine Mauer umfangen, und gab einen hohlen, pfeifenden Laut von sich.