Ein fürchterlicher Wind löste sich von ihm und wirbelte auf die Phalanx der Scheusale zu. Auf einer Länge von vierzig Schritt wurden sie von der Sturmböe erfasst, emporgeschleudert und nach hinten geschoben. Die Reihen dahinter verletzten die eigenen Krieger durch die gereckten Waffen, bevor sie selbst abhoben und davonflogen. Der Magus ließ die vernichtenden Kräfte erst enden, nachdem sie eine Schneise von dreißig Schritt geschaffen hatten.
Und genau in diese führte Tungdil das Heer der Zwerge. »Ingrimmsch, du befehligst die rechte Seite«, rief er ihm zu. »Ich nehme die linke.« Schon sprang er davon und ließ Blutdürster unter den Bestien wüten.
Ingrimmsch grinste und reckte stolz die Brust. »Mir nach!«, schrie er und zerschmetterte einem Scheusal, das ihn an einen Gugul auf Beinen erinnerte, den widerwärtigen Kopf. Gallertartige Masse spritzte umher, und es fiel um. »Für das Geborgene Land!«
Die Streitmacht teilte sich und trieb das angeschlagene Heer der Bestien vor sich her. Die Äxte und Beile hackten sich durch Schilde, Rüstungen und Leiber, zerbrachen Waffen und Knochen, sandten Feinde blutend auf den nassen Boden.
Die Kinder des Schmieds ließen sich durch nichts aufhalten, stiegen über die Leichen hinweg und zerschmetterten alles, was sich ihnen entgegenstellte. Ingrimmsch hatte Goda an seiner Seite, die mit kleineren Zaubern für zusätzliche Verwirrung unter den Gegnern sorgte. Coira und Lot-Ionan marschierten mit Tungdil, in dessen Nähe sich auch Balyndar befand. Ingrimmsch vermutete Slin irgendwo in den hinteren Reihen, von wo aus der Vierte den Tod mit seinen Bolzen aussandte.
Er gab sich dem Kampfwahn hin, schrie und lachte gleich einem Tobsüchtigen und führte den Krähenschnabel mit unwiderstehlicher Kraft.
Der Dorn knackte jede Form von Panzerung, jeden Schild und jeden Knochen, die schwere flache Seite zertrümmerte Helme und Gesichter, Kniescheiben und Rippen. Schließlich behinderte das viele Blut der Feinde, das in seine Augen lief, Ingrimmsch in seinem Wüten, und er musste innehalten, um es mit dem Bart wegzuwischen. Da bemerkte er, dass er seinen Teil des Heeres bis zur letzten Reihe der Gegner geführt hatte. Es gab keinen Widerstand mehr zu bekämpfen.
Ingrimmsch riss seine Waffe in die Höhe und schrie ein unbändiges, wildes »Vraccas«, in das die Zwerge ringsum einstimmten. Er drehte sich um, damit er sehen konnte, wie Tungdil sich anstellte.
In diesem Augenblick kam ein einzelner Zwerg aus der Schwarzen Schlucht getreten, und seine Rüstung glänzte im Licht der Sonne rötlich-golden auf.
Sein Erscheinen schien alles zu verlangsamen und der Freude über den ersten Sieg einen Eimer aus Schmutz überzustülpen.
Ingrimmsch musste ihn anstarren und vergaß die Befehle, die er hatte geben wollen. Es erging jedem so, der einen Blick auf den ungewöhnlichen Gegner warf. Er war imposant, trotz seiner im Vergleich zu den Bestien geringen Größe. Eine Aura von finsterer Macht umströmte ihn; daran änderte auch die hellere Rüstung nichts. Der Zwerg in dem geschlossenen Panzer aus Vraccasium hob den rechten Arm, und hinter ihm marschierten Scheusale aus der Schlucht, welche die hochgewachsenen, breiten Ubariu noch um einen Kopf überragten.
Sie trugen dicke Rüstungen aus einem grauen Metall, hatten dunkle Felle darüber geworfen und ihre Helme mit den verschiedensten Hörnern und Spießen zur Zierde versehen. Fratzenvisiere bargen die Gesichter, in ihren Händen hielten sie gewaltige Schwerter oder Äxte, Turmschilde sorgten für zusätzlichen Schutz vor Pfeilen und Angriffen.
Ingrimmsch zählte einhundert. Einhundert besonders gewaltige Herausforderungen. Sie hielten hinter dem Zwerg an und rammten die Schilde auf ein gebrühtes Kommando senkrecht in den Boden, sodass es bedrohlich rumpelte. Und schon marschierte eine weitere Abteilung aus der Schlucht, die ebenso gerüstet war, und begab sich dicht hinter die erste Linie. Diese Bestien hielten Waffen in der Hand, die an Sensen erinnerten; die Schäfte waren lang, mit Eisenbändern verstärkt sowie in der oberen Hälfte mit fingerlangen Dornen besetzt. Der vraccasiumgerüstete Zwerg wartete, bis das Klirren der Rüstungen geendet hatte, dann zog er seine beiden Hämmer und schlug sie fest gegeneinander. Der metallische und äußerst unangenehm hohe Laut, der dabei entstand, brachte Ingrimmsch dazu, sich zu schütteln. Dagegen halfen auch die Pfropfen nichts.
Ingrimmsch sah zu Tungdil, der seine Truppe ebenfalls zum Sieg geführt hatte. Damit standen geschätzte achttausend kampffähige Kinder des Schmieds gegen zweihundert Feinde. Das würde ein Gemetzel werden. Die Größe eines Gegners sagte nichts über sein Können aus.
Einer der riesenhaften Krieger trat neben seinen Herrn. »Der, der viele Namen trägt, verlangt zu wissen«, hallte die Stimme über das Schlachtfeld, »wo der Dieb ist, der seine Rüstung stahl. Der ihn verriet. Der ihn hat feige ermorden wollen.« Da setzte Goda ihr Rufhorn an und gab den Wachen auf den Wehrgängen einen neuen Befehl. Sofort richteten sich die gespiegelten Strahlen auf den unbekannten Zwerg, um ihn in seiner Rüstung zu kochen!
Balyndar hatte sich neben Tungdil durch die Reihen der Gegner gekämpft. Er hielt sich beileibe nicht für einen langsamen, behäbigen Krieger, doch neben dem Einäugigen wirkte er genau so. Während der Fünfte nach einem Schlag noch damit beschäftigt gewesen war, die Feuerklinge aus dem Feind zu ziehen, hatte Tungdil bereits zwei Angreifer zerteilt und sich zwischen die nächsten geworfen. Blutdürster war eine fürchterliche Waffe, die ihrem Namen alle Ehre machte.
Balyndar hatte sich nach Kräften bemüht, doch er hatte den Anschluss kaum halten können.
Coira und Lot-Ionan hatten ihre Kräfte aufgespart und es den Klingen der Zwerge überlassen, die Gegner zu besiegen, was der Fünfte durchaus sinnvoll fand. Ihr Sieg war erschreckend leicht gewesen, und sie hatten sich einige Augenblicke Rast gegönnt, bevor sie auf die Schwarze Schlucht marschierten.
Balyndar suchte mit Blicken nach Slin, entdeckte ihn allerdings nirgends. Die Drohung würde ihn auch nicht von dem abhalten können, was er mit Goda vereinbart hatte. Das Geborgene Land musste über die nächsten tausend Zyklen hinweg sicher sein, und das gelang einzig, indem jegliche Gefahrenquelle zum Versiegen gebracht wurde. Jegliche!
Er bemerkte, dass es um ihn herum stiller geworden war, als ein schmerzhafter Laut in seine Ohren fuhr und ihn zusammenzucken ließ. Balyndar wandte sich nach vorn und sah den Zwerg in der rötlich-goldenen Rüstung vor frischen Gegnern stehen. Schnell schob er sich an Tungdils Seite. Lot-Ionan und Coira erschienen ebenfalls. Er sah der Maga an, dass sie sich fürchtete. Erfahrungen mit dem Krieg, wie er hier tobte, hatte sie keine, und die Begegnung mit Sisaroth hatte tiefe Wunden in ihrer Seele hinterlassen, die wohl noch lange nicht geheilt waren. Das viele Blut, der Gestank nach Gedärmen und Unrat und all die Schreie machten der jungen Frau schwer zu schaffen. Balyndar rechnete fast damit, dass sie bald umkehren würde, um sich in den Schutz der Festung zu begeben. Deswegen berührte er sie sanft am Ellbogen und lächelte ihr aufmunternd zu. Dass sein verschmiertes Gesicht und die triefende Feuerklinge nicht unbedingt die beste Ermutigung waren, fiel ihm zu spät ein.
Coiras Lächeln sah nach einer Grimasse aus, und er bemerkte die Spuren von Erbrochenem an ihrer Lederrüstung.
Auf der anderen Seite des Schlachtfelds kam Bewegung auf.
Einer der riesenhaften Krieger trat neben den in Vraccasium gehüllten Zwerg. »Der, der viele Namen trägt, verlangt zu wissen«, hallte die Stimme über das Schlachtfeld, »wo der Dieb ist, der seine Rüstung stahl. Der ihn verriet. Der ihn hat feige ermorden wollen.«
Tungdil schob sein Visier nach oben und öffnete den Mund, doch da erklang ein Rufhorn.
Die Spiegel bündelten die Strahlen dieses Mal auf den unbekannten Zwerg, dessen Rüstung aufleuchtete.