Der Außenseiter blieb im Eingang plötzlich stehen, und Chur und Geran tätschelten seine haarlosen Schultern und ließen ihn für einen Moment ruhig überlegen; was die richtige Maßnahme zu sein schien. Er blieb für eine geraume Weile stehen, blickte in beide Richtungen den Korridor hinab, schien erstarrt zu sein, entschied sich dann aber auf neues Drängen hin — »Komm schon!« sagte Geran mit der sanftestmöglichen Stimme und zog sehr leicht an ihm —, zu kooperieren und sich in den Gang und Richtung Op-Raum führen zu lassen. Pyanfar folgte mit dem Buch unterm Arm und machte ein finsteres Gesicht wegen der Kosten, die der Außenseiter ihnen bereits verursacht hatte, und auch wegen des verzagten Gefühls, dass sie sich vielleicht in allen ihren Annahmen irrte. Sie hatten bereits viel zuviel dafür bezahlt.
Und was dann? — Ihn nach allem doch den Kif zurückgeben, die Achseln zucken und vorgeben, es sei nichts gewesen?
Der Außenseiter stutzte mehr als einmal auf dem Wege und sah sich dabei jeweils so ausgiebig um, als gingen ihm die Dinge zu schnell vonstatten und er musste sich erst eine Übersicht verschaffen. Chur und Geran ließen ihn auch immer wieder stehen bleiben, wenn er wollte, drängten ihn nie zur Eile, bewegten ihn dann auf sanfte Weise, weiterzugehen.
Das Geschöpf ging ihretwegen — vielleicht, dachte Pyanfar griesgrämig, wartete es den rechten Augenblick ab, testete ihre Reflexe und prägte sich die Korridore ein — wenn sein Verstand dazu ausreichte.
Sie brachten ihn in den Op-Raum, vor all die Pulte und die schimmernden Lichter, und wieder stutzte er und atmete schwer, sah sich um. Jetzt, glaubte Pyanfar, bekamen sie möglicherweise Schwierigkeiten; aber nein, er ließ sich weiterführen und in einen der Sessel an der abgeschalteten Frachtmonitorkonsole setzen, dicht an dem Tisch, wo Hilfy an dem Übersetzer arbeitete und eine Zahlenfolge über den Schirm laufen ließ. Der Außenseiter sackte in sich zusammen, sobald er saß, wirkte betäubt und schwitzte überreichlich, eingewickelt in die Decke, die er fest um sich geschlungen hielt. Pyanfar trat an die Armlehne des Sessels; sein Kopf ruckte augenblicklich hoch, als sie dort stand, und Wachsamkeit kam wieder in die Augen. Mehr als Wachsamkeit — Angst. Er erinnerte sich daran, wer ihn verletzt hatte. Er kannte sie als Individuen, auch über einen Kleiderwechsel hinaus. Zumindest das.
»Hai«, sagte Pyanfar auf ihre beste Freundmit-Außenseitern-Art, tätschelte seine haarlose und schwitzende Schulter, fegte Hilfy zur Seite, als sie sich dem Übersetzter näherte, einem billigen und austauschbaren Aufsatzgerät, per Kabel mit einem ihrer nicht so billigen Scanner verbunden. Sie schaltete auf Löschen, beseitigte damit Hilfys Zahlen, drückte dann auf den Knopf für zweifüßige Intelligenzen, mit der Strichfigur eines langgliedrigen Wesens darauf. Dasselbe Bild erschien auf dem Schirm. Sie rief das nächste ab, das eine Hani in fotografischer Abbildung zeigte, und deutete auf sich selbst.
Er begriff. Seine Augen glänzten vor Furcht. Er schlang die Decke noch fester um sich und machte einen schwankenden Versuch, seine Füße wieder auf den Boden zu setzen und aufzustehen. Er langte nach der Maschine. »Lasst es los!« sagte Pyanfar, und Chur half ihm auf. Er ignorierte sie alle, beugte sich über den Tisch und hielt eine zitternde Hand über die Tastatur. Der ganze Arm zitterte. Er drückte auf einen Knopf.
Schiff. Er blickte auf, und seine Augen suchten in den ihren nach Begreifen.
Pyanfar nahm vorsichtig seine fremde Hand — ganz vorsichtig —, aber er ließ die Berührung zu. Sie streckte seinen Zeigefinger aus und führte ihn zum Löschknopf, dann wieder zurück zum Schiffsknopf. Er befreite die Hand und suchte, und das Zittern der Hand wurde heftig, während sie über die Tasten glitt. Gehende Gestalt, drückte er. Schiff — gehende Gestalt.
Wieder Schiff. Dann Hani. Schließlich Löschen. Er wandte den Blick zu Pyanfar um.
»Ja«, sagte sie, erkannte die Äußerung. Bedeutete ihm, fortzufahren.
Er drehte sich wieder um, untersuchte noch einmal die Schlüssel. Liegende Figur, drückte er. Er fand die bildliche Darstellung für Kif. Dieses langschnauzige graue Gesicht schmückte den Schirm neben der Liegenden Gestalt.
»Kif«, sagte Pyanfar.
Er verstand. Das war eindeutig. »Kif«, wiederholte er. Seine Stimme war voller vibrierender Töne, wie Schnurren. Es war seltsam, zu hören, wie er ein vertrautes Wort äußerte… schwierig, das Wort überhaupt zu verstehen, wo seine Zunge weder das Kif-Klicken noch das Hani-Husten zustande brachte. Und der Blick in seinen Augen war jetzt mehr als besorgt. Wild. Pyanfar fuhr die Krallen aus und hielt sie demonstrativ über das Bild. Drückte auf Löschen. Sie rief wieder das Hani-Symbol ab und schaltete auf Aufnahme:
Hani, verkündete der Audio auf Hani-Sprechweise. Pyanfar nahm das billige Mikro in die Hand und sprach für das Studienband der Maschine, die ihre Stimme aufzeichnete. »Hani.«
Sie rief ein weiteres Bild ab. »Stehen.« Ein drittes. »Gehen.« Es brauchte ein paar Wiederholungen, aber der Außenseiter fing an, sich mit dem Vorgang zu beschäftigen und nicht mehr mit seiner bebenden Hysterie wegen des Kif-Bildes. Er begann mit dem ersten Knopf… arbeitete trotz seiner Schwäche an dem System, zeichnete seine eigene Identifizierung für all die einfachen Symbole der ersten Reihe auf, nüchtern und ohne Freude über seine Entdeckungen, aber auch nicht träge. Er wurde schneller und schneller, drückte Knöpfe, redete, eins nach dem anderen mit wahnsinnigem Tempo, als wäre er dabei, etwas zu beweisen. Es gab sechsundsiebzig Schlüssel an diesem Gerät, und er ging sie alle durch, obwohl gegen Ende seine Hand kaum noch kontrollierbar war.
Dann hielt er inne und wandte ihnen wieder denselben finsteren Blick zu, tastete dann nach dem Sessel, aus dem er aufgestanden war. Er schaffte es kaum, sank in die Polster und wickelte sich die Decke um die bleichen und schwitzenden Schultern.
»Es ist an den Grenzen seiner Kraft«, meinte Pyanfar. »Holt ihm etwas Wasser!«
Chur holte es aus dem Automaten. Der Außenseiter nahm es mit einer Hand an, roch an dem Pappbecher und leerte ihn dann. Es gab den leeren Becher zurück, deutete auf sich und auf die Maschine auf dem Tisch, betrachtete Pyanfar, schätzte korrekt ein, wer den Befehl innehatte. Er wollte weitermachen, las Pyanfar die Gesten.
»Hilfy«, sagte sie, »das Handbuch auf dem Tisch. Gib es her!«
Hilfy reichte es herüber. Pyanfar suchte auf den ersten Seiten nach den exakten Symbolen für das augenblickliche Modul in der Maschine. »Wie viel haben wir von diesen Modulen?«
»Zehn. Und zwei Handbücher.«
»Damit sollten wir bis zu abstrakten Begriffen kommen. Gut für Haral.« Sie legte dem Außenseiter das geöffnete Buch auf den Schoß und deutete auf die Symbole, die er gerade benutzt hatte, zeigte ihm, wie weit diese Sektion führte. Jetzt verstand er. Er drückte das Buch mit beiden Armen an sich, wollte es behalten. »Ja«, sagte Pyanfar und nickte zustimmend. Vielleicht war Nicken eine Geste, die sie gemeinsam hatten; er nickte als Antwort, sah zu keinem Moment glücklich aus, zeigte jetzt aber weniger Schmerz in seinem Blick. Das Buch umklammerte er noch fester.
Pyanfar schaute zu Hilfy, Geran und Chur, die ihre Gesichter unter Kontrolle hielten. Sie wussten jetzt sehr wohl, welche Art von fühlendem Wesen sie an Bord hatten. Wie viel sie über ihre Schwierigkeiten mit den Kif vermuteten, war eine andere Sache; jedenfalls eine Menge, vermutete Pyanfar — sie schnappten die Dinge aus der Luft heraus auf und setzten sie zusammen, ohne Fragen stellen zu müssen. »Eine Passagier-Kabine«, sagte sie. »Ich glaube, er würde Kleider begrüßen. Essen und Trinken. Sein Buch. Ein Bett mit sauberem Bettzeug, um darin zu schlafen. Einrichtungen der Zivilisation. Das bedeutet nicht, dass ihr nicht vorsichtig mit ihm sein müsst. Bringen wir ihn weg, nicht wahr, und lassen wir ihn sich ausruhen.«