»Er ist in Ordnung«, berichtete Geran über den Außenseiter. »Schläft ein Weilchen.«
Es war gut, dachte sie, dass das jemand konnte.
Sie ging schließlich die Krümmung hinauf in die Küche, ohne besonderen Appetit, aber mit vor Hunger schwachen Gliedern. Sie erwärmte eine Mahlzeit aus dem Gefrierfach, zwang sie gegen die ernsten Beschwerden ihres Magens hinunter und warf den Teller anschließend in den Sterilisator. Dann ging sie zurück in ihr Privatquartier, um zu versuchen ein wenig zu schlafen.
Aber sie machte sich zuviel Sorgen, um schlafen zu können, schritt ziellos auf dem Boden umher, sortierte den Kartenstoß und setzte sich und plante wieder und immer wieder mögliche Alternativen, die sie bereits eingeschätzt hatte, gegen Chancen, die sie bereits kannte. Schließlich schob sie diese ganze Arbeit zur Seite und benutzte die Konsole an ihrem Bett, um via Hauptcomputer und Zugangskodes eine Verbindung mit dem Terminal des Außenseiters herzustellen. Er war wieder aktiv; sie hörte seine Stimme ebenso wie sie die Symbole sah, die mit Hilfe der Übersetzungsschlüssel abgerufen worden waren. Er benutzte sie einen nach dem anderen, und als Pyanfar auch den Kom einschaltete, konnte sie Churs Stimme aus dem Raum des Außenseiters empfangen, ein ruhiger Beistand — Töne, die auch zu einer Pantomime gepasst hätten. Gelegentlich erfolgte eine paarweise Zusammenstellung von Symbolen, die nicht von der Maschine stammte — Churs Eingriff vielleicht, der Versuch, einen Punkt zu übermitteln. Pyanfar schaltete Kom und Übersetzerempfang ab und starrte auf den toten Schirm.
Das Geschwätz aus dem Urtur-System drang weiterhin aus dem Funkgerät an ihrem Gürtel, gedämpft und deprimierend im Inhalt. Mahendo‘sat-Schiffe wurden von ihrer eigenen Station angewiesen, nicht zu fliehen, sich der Durchsuchung zu unterwerfen, im Falle sie von den Kif ausgesondert wurden, an der Station liegenzubleiben, wenn sie bereits dort waren, und auf Sicherheit zu hoffen.
Eine Hani-Stimme warf eine Frage ein.
Hani!
Pyanfar sprang von der Bettkante auf; die Wände ihrer Kabine wurden immateriell vor ihrer Vision von dieser Station mit einem Hani-Schiff im Dock; mit Kif, die in der Lage waren, sich jederzeit draufzustürzen. Die Hani hatte schon vor langer Zeit gesprochen angesichts der Zeitverzögerung. Was auch immer geschehen konnte… hatte vielleicht seitdem schon lange stattgefunden. Zeit und Raum lagen zwischen der Stolz und diesem Hani-Schiff und den Kif, und es gab nichts, was sie — Pyanfar — tun konnte, blind und in antriebslosem Drift, um ihm zu helfen.
»Götter!« spie sie hervor und schleuderte den Schreibtischstuhl auf seiner Schiene krachend beiseite. Ein Faha-Schiff lag im Hafen — Fahas Sternjäger —, und dabei handelte es sich um ein Haus und eine Gesellschaft, die mit Chanur verbündet war. Ihres Bruders Kohan erste Frau war Huran Faha. Hilfys Mutter, um der Götter Willen! Es gab Bindungen, Pakte, Bündnisvereinbarungen… — und Hilfy.
Die Mahendo‘sat auf der Urtur-Station drängten das Hani-Schiff, ruhig zu bleiben. Die Mahe hegten, wie sie bekannten, nicht die Absicht, in einen Kif-Streit verwickelt zu werden, und sie wollten auch nicht zulassen, dass eine übereilte Hani sie mit hineinzog.
Die Hani verlangte Informationen; Kif jagten ein Chanur-Schiff. Bis jetzt hatten die Faha zugehört und sich in ihrer Klemme Sorgen gemacht, und sie wollten jetzt Antworten. Sie wussten, dass das alles über Kom hinausging, wie auch die Station wusste, was die Faha taten, wenn sie stimmlichen Ärger machten und sicherstellten, dass Informationen hinausgelangten in die Dunkelheit, wo Chanur-Ohren sie möglicherweise auffingen.
O Götter, o Götter. Da war ein Verbündeter und tat das Beste für sie, was er im Augenblick tun konnte… und sie beide waren hilflos vor dem Feind.
Pyanfar zog den Stuhl wieder heran, setzte sich und verlor sich für eine Weile im Lauschen.
Es gab keine weitergehenden Informationen. Sie hatten diesen Gruß aus den Fernsendern der Station oder der Sternjäger erhalten… Informationen, die wie ein Leuchtfeuer gezielt in das äußere System geschossen worden waren. Und wenn die Faha sich ausgerechnet hatten, dass die Stolz hier war, dann hatten das auch die Kif.
Es gab Echos, Wiederholungen der Botschaft; der Kom sortierte die Sendungen nach abweichenden Graden der Klarheit, und die Haare kribbelten in Pyanfars Nacken bei der plötzlichen und dankbaren Erkenntnis, dass im ganzen System Schiffe damit begonnen hatten, die Botschaft weiterzuleiten, sie auszustrahlen wie sich vervielfältigende Ringe in stillem Wasser, ein massiver Trotz gegen die Kif. Und die Kif hatten kein Schweigen befohlen.., nicht auf dieser Zeitlinie. Sie vermochten eine solche Forderung nicht durchzusetzen innerhalb der augenblicklichen Grenzen ihrer Aggression in Urtur, aber diese Grenzen konnten sich verlagern. Die Informationen gingen wie ein vervielfältigter Ruf hinaus; — waren schon vor langer Zeit hinausgegangen und immer noch unterwegs.
Sie fand Hilfy diesmal dort, wo sie sein sollte, schlafend in ihrem Quartier. Sie zögerte, als sie die schläfrige Stimme auf den Türkom-Gruß antworten hörte, beließ es aber bei einem kurzen Zögern. »Aufstehen«, sprach sie in den Kom. »Ich muss dir etwas mitteilen.«
Hilfy war rasch an der Tür. Sie wurde aufgerissen, und dort stand Hilfy, noch zerzaust vom Schlaf und mit einer Grimasse in das volle Licht des Korridors blickend. Sie hatte sich nicht mit Anziehen aufgehalten.
Pyanfar ging an ihr vorbei hinein und wartete, während Hilfy die Innenbeleuchtung verstärkte, hob abwehrend die Hand, damit das Aufblenden nicht für dauernd oder auch in voller Stärke geschah. Es handelte sich um einen Raum, den Hilfy selbst gestaltet hatte, mit sehr viel Chanur-Stil, mehr als in Pyanfars eigener Kabine, mit an den Wänden befestigten Andenken, Bildern von den Bergen der Heimatwelt und den weiten Ebenen der Chanur- Besitzungen, der Holding selbst, oder mit Goldstein, von Ranken überwuchert. Pyanfar sah sich um und betrachtete dann Hilfy. »Um es kurz zu sagen«, begann sie, »ich habe dir etwas mitzuteilen; und es gibt nichts, was wir diesbezüglich tun könnten, das will ich gleich vorausschicken. Wir haben ein Signal von einem Faha-Schiff im Dock der Station aufgefangen. Sie stecken mitten zwischen den Kif, und sie haben eine Botschaft für die Station abgesandt, die wir, wie ich glaube, hören sollten: geräuschvolles Gerede. Ich glaube, sie wissen, dass wir hier draußen sind und in welcher Art von Schwierigkeiten wir stecken.
Aber die Kif sind zwischen uns, und es gibt keine Möglichkeit, dass wir viel füreinander tun könnten. Verstehst du?« — Hilfy hielt die Augen jetzt nicht mehr vor dem Licht zusammengekniffen. Sie starrte, mit Bernsteinringen um die schwarzen Pupillen und ihre Ohren senkten sich und richteten sich durch eine Willensanstrengung wieder auf. Für eine junge Frau, nackt aus dem Schlaf gerissen, erlangte sie doch eine ruhige Würde bei dem Versuch, ihre Geister zu sammeln. »Weißt du, um welches Schiff es sich handelt, Tante?«
»Die Sternjäger. Lihan Faha führt den Befehl.«
Hilfy nickte. Die ringlosen Ohren zuckten, aber das Gesicht blieb gelassen. »Sie werden in Gefahr sein, wie die Reisende. Und sie werden es nicht wissen, denn niemand erwartet einen solchen Angriff.«
»Lihan ist keine Anfängerin, Kleine, glaub mir das! Wir spielen nicht ihr Spiel, und sie mischen sich nicht in unseres ein. Können sie auch nicht. Und wir können hier draußen nichts machen.«