Pyanfar gebot sich kurz vor einem Zischen Einhalt, entspannte mit Willenskraft die Hände, um die Krallen einzuziehen, tätschelte mit Bedacht seine haarlose Schulter und schob ihn aus der Schleuse hinaus in den Korridor.
Dank schien diese seine Geste auszudrücken. Also doch. Er besaß also ein subtiles Begriffsvermögen, dieser Tully. Sie zuckte mit den Ohren und machte ein Gesicht, auf das hin ihr Chur rasch die Schulter zuwandte, und schob den Außenseiter nach links, auf Chur zu. »Geh dich saubermachen!« sagte sie. »Dusch dich, hörst du? Waschen!«
Chur nahm ihn und gab ihm zu verstehen, dass er ihr mit dem Wagen helfen sollte, und sie rollten ihn durch den Korridor dorthin zurück, wo er hingehörte. Pyanfar atmete kurz aus und schloss die innere Luke, machte sich dann auf in den gemeinsamen Waschraum, wo sie ihre besseren Kleider gelassen hatte — wusch kurz die Haut ab an der Stelle, wo der Außenseiter die Hand auf ihre Schulter gelegt hatte.
Aber er hatte begriffen, was sie taten, sehr gut begriffen, was sie mit dem Köder beabsichtigten, und dass dies in der Tat nichts mit Humor zu tun hatte. Mochten die Götter die Kif verfluchen!
Und dann dachte sie an das lange, feierliche Gesicht des Uruus, so wohltuend dumm, und an den tödlichen Stolz des großen Hakkikt der Kif, und ihre Nase runzelte sich unter einem Lachen, das keinem Humor entsprang.
Das Abendessen stand bevor; ein köstliches Aroma kam von oben aus der Küche, nachdem Hilfy und Geran eine Zeitlang dort und auch in den größeren Einrichtungen des Unterdecks gewirtschaftet hatten. Es war diesmal eine wirkliche Mahlzeit, eine jener köstlichen Zubereitungen, auf die Geran sich verstand, der vorletzte Beitrag des Uruus zu ihrem Wohl, vorbereitet mit all der Sorgfalt, die sie während gewöhnlicherer Reisen auf das Essen verwendeten, wenn das Essen eine Besessenheit war, eine kostbare Abwechslung in der Routine, eine Kunst, die sie zum Ergötzen ihrer gelegentlichen Passagiere ausübten und dazu, sich selbst zu überraschen.
Jetzt war die Hauptmahlzeit sehr willkommen; ein kühnes Aroma durchwehte den Luftstrom aus dem Korridor, und Pyanfar schaltete ihre Kom-Verbindungen zur Brücke und tat das Erforderliche, um den Platz zu sichern, wobei ihre Hände vor Hunger fast zitterten und sie einen großen schmerzenden Hohlraum in der Körpermitte spürte. Nichts Ernstes war bislang aus dem Kom zu hören gewesen, nur Ärgernisse, kein Hinweis auf größere Schwierigkeiten, als sie bereits hatten; und der Uruus in seinem Kokon wartete in der Schleuse, schmelzend und — wie sie per Sichtkontrolle feststellte — immer noch auf den etwas verändert stehenden Füßen an die äußere Luke gelehnt. Sie schaltete das Bild ab und überprüfte erneut die Küche-Gemeinschaftsraum-Verbindung, empfing Hilfys Stimme und schaltete den Strom um, schwor jedem Kif einen gewaltigen Fluch, der vielleicht die Stunde unterbrach, die sie sich verdient hatten. Aber die Verbindung war da für den Fall, dass sie gebraucht wurde, und das Gerät im Gemeinschaftsraum würde alles Wichtige übertragen. Sie empfing das Wort von Geran und leitete es an das ganze Schiff weiter, verließ endlich die Brücke und machte sich auf den Weg zum Essen, wieder sauber und voller Erwartung.
Sie grinste innerlich und äußerlich bei dem sich bietenden Anblick des so weit ausgezogenen Tisches, dass kaum mehr Platz war, herumzugehen, sein Zentrum mit phantastischer kulinarischer Kunst überhäuft, mit Platten voller Fleisch, bei den Göttern, keine abgestandenen gefriergetrockneten Scheibchen und Charque und dergleichen; Fleischsaft und Soßen, in denen Leckerbissen schwammen, garniert mit Kräutern und gebrutzelten Fettstückchen. Der sterile weiße Gemeinschaftsraum war wie umgewandelt, und Hilfy und Geran hasteten umher, um Kissen mit hellen Mustern auszulegen, voller Chanurwappen in Rot, Gold und Blau.
»Wunderbar«, verkündete Pyanfar und atmete tief ein. Plätze für sieben Personen. Sie hörte den Lift und blickte zum Korridor. In kurzer Folge kamen Haral und Chur mit Tully im Schlepp, und hinter ihnen kam Tirun auf ihrem Rohrstock herbeigehumpelt. »Setzt euch, setzt euch!« befahl Pyanfar den anderen Hani und Tully, und sie verteilten sich um den Tisch herum mit den ausweichenden Bewegungen, die die enge Räumlichkeit ihnen abverlangte, nahmen dann Schulter an Schulter ihre Plätze ein. Pyanfar setzte sich an das der Brücke zugewandte Kopfende, Haral an das zur Küche hin liegende. Tirun und Chur nahmen Tully in ihre Mitte, während Hilfy und Geran sich an der anderen Seite des Tisches niederließen. Ein bizarrer Anblick, diese weißgoldene Mähne zwischen zwei rotgoldenen, haarlosen Schultern neben rotbraunem Pelz, und obendrein machte sich Tully etwas krumm, um mit seinen langen Gliedmaßen den Nachbarinnen nicht in die Quere zu kommen… Pyanfar gluckste vor guter Laune und wünschte den anderen Wohlsein, erhielt die angemessene Antwort, deren Lautstärke Tully überraschte. Dann goss sie Gfi aus ihrem Flachmann in den Becher, was von der ganzen Gesellschaft imitiert wurde, mit etwas Verspätung auch von Tully; und für einen Moment war nichts zu hören außer dem Klappern der Messer und Becher und Platten, als Gerans und Hilfys Monumente einem raschen Abriss unterzogen wurden. Tully nahm Happen von diesem und jenem, während die Teller auf der Drehplatte in der Mitte des Tisches die Runde machten, kleine Portionen zu Anfang, als sei er sich nicht sicher, wozu er berechtigt war, und dann größere, nachdem er verstohlene Blicke auf das geworfen hatte, was die anderen nahmen, schöpfte Saucen und legte von diesem und jenem bei für den offensichtlichen Fall, dass es kein zweites Mal vorbeikam. Fragen stellte er nicht.
»Uruus«, sagte Chur boshaft, legte eine Klaue auf seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, und deutete auf die Steaks. »Dasselbe Tier, das da, wie wir es den Kif geben.«
Tully wirkte für einen Moment unsicher, stach mit dem Messer nach dem Steak und hob den Blick wieder zu Churs Grinsen. »Dasselbe, dies?«
»Dasselbe«, bestätigte Chur. Tully zog ein komisches Gesicht und fing dann an zu essen, lachte nach einem Moment auf eine verrückt wirkende Weise in sich hinein, die Schultern gebeugt und die Aufmerksamkeit gänzlich dem Essen zugewandt, und er warf nur gelegentlich kurze Blicke auf ihre Hände und versuchte, die Utensilien hanihaft zu gebrauchen.
»Gut?« unterbrach Pyanfar das allgemeine Schweigen. Tully blickte sofort auf und sie alle nacheinander an, denn er wusste nicht, wer geredet hatte. Der in sein Ohr sprechende Übersetzer besaß keinerlei Persönlichkeit.
»Ich, Pyanfar. In Ordnung, Tully? Ist diese Nahrung das Richtige für dich?«
»Ja«, sagte er. »Ich sein hungrig.« Hungrig sagte der Übersetzer leidenschaftslos in ihr Ohr; aber der Ausdruck, den Tullys Gesicht einen Moment lang zeigte, legte sehr viel mehr hinein. Die Quetschungen traten im weißen Licht des Gemeinschaftsraumes deutlich hervor; die Eckigkeit der Knochen wurde an der Oberfläche seiner Schultern und um die Rippen herum erkennbar.
»Er sagt, dass er die meiste Zeit friert«, berichtete Chur. »Schließlich besitzt er nicht unseren natürlichen Schutz. Ich habe ihm eine Jacke anprobiert, aber er ist zu groß. Er will sie immer noch, hat darum gebeten, sie zurechtzuschneiden. Vielleicht wäre es besser, zuerst mal mit Sachen von Haral anzufangen.«
»Auch noch zu klein für diese Arme«, urteilte Haral. »Aber ich werde schauen, was ich finden kann.«
»Kalt«, sagte Tully in seinem begrenzten Verständnis der Diskussion.
»Wir werden es versuchen, Tully«, sagte Chur. »Ich frage Haral, verstehst du. Vielleicht findet sie etwas für dich.«
Tully nickte. »##«, sagte er verloren, und fügte dann mit hellerem Gesicht und einem Wink auf das Essen hinzu: »Gut. Gut.«
»Du beschwerst dich nicht, oder?« kommentierte Pyanfar. »Du… Götter!«
Der Kom fuhr dazwischen, ein Knnn-Lied, und Tully sprang auf. Alle blickten reflexhaft zum Lautsprecher, und Pyanfar holte tief Luft, als sich herausstellte, dass es sich nur um Knnn handelte. Nur Tully starrte auch weiterhin in diese Richtung.