»Deine Papiere«, sagte Pyanfar. »Alles in Ordnung! Geh, wohin du willst!«
Vielleicht hatte er begriffen. Er deutete zum Ausgang. »Dieser Hani — will, dass ich mit ihm komme.«
»Mit ihr. Dur Tahar, keine Freundin von mir oder diesem Schiff. Nichts, was dich angeht.«
Er stand für einen Moment reglos da und schien darüber nachzudenken. Schließlich deutete er zurück zur inneren Luke. »Ich gehen mich hinsetzen«, sagte er und ließ die Schultern herabhängen. »Ich gehen mich hinsetzen. Richtig?«
»Geh!« sagte sie. »In Ordnung, Tully. Du bist in Ordnung!«
»Freund«, sagte er und berührte im Weggehen ihren Arm, und er ging mit gesenktem Kopf und einer Körperhaltung, die von Erschöpfung kündete. »Soll ich ihm folgen?« fragte Chur.
»Nicht so, dass er es merkt. Durch die Lage im Dock ist sein Quartier nicht benutzbar. Stell ihm ein passendes Feldbett in den Waschraum.
»Wir könnten ihn im Besatzungsquartier aufnehmen.«
»Nein, das will ich nicht. Götter, am Waschraum ist doch nichts auszusetzen. Verabreiche ihm einfach ein Beruhigungsmittel. Ich denke, ihm reicht es fürs erste.«
»Er hat Angst, Käpt‘n. Ich will ihn nicht groß dafür kritisieren.«
»Er besitzt Verstand. Geh und sag Geran, wenn sie in einer halben Stunde noch nichts von der Reparaturmannschaft gehört hat, soll sie mich holen!«
»Aye«, murmelte Chur und eilte in Tullys Kielwasser davon. So. Geschehen war es, ob zum Guten oder zum Schlechten. Pyanfar lehnte an der Wand und hatte Schmerzen in allen Knochen, und obendrein trübte sich ihr Blick. Nach einem Moment ging sie hinaus und durch den leeren Korridor zum Lift und betete zu allen Göttern, dass Geran kein Hindernis finden würde, um es zwischen ihr und dem Bett aufzustellen.
Niemand hielt sie auf. Sie fuhr mit dem Lift hinauf und ging schlaftrunken den zentralen Korridor entlang zu ihrer Tür.
»Tante«, folgte ihr Hilfys Stimme. Sie blieb mit der Hand auf der Schließplatte stehen und wandte sich mit mürrischem und abwehrendem Blick um.
»Die Reparaturmannschaft ist unterwegs«, sagte Hilfy schnell. »Ich dachte, du wolltest das wissen. Die Nachricht kam gerade.«
»Hast du oben Wache gesessen?«
»Habe mich etwas ausgeruht. Ich dachte…«
»Wenn Geran Dienst hat, ist es Verschwendung, wenn sich sonst noch jemand die Mühe macht. Geh zurück ins Quartier und bleib dort! Schlaf, verdammt noch mal! Oder erwartest du, dass ich dich hinterher verhätschele? Nimm etwas ein, wenn du nicht anders schlafen kannst! Komm nicht später und beschwere dich bei mir!«
»Kapitän«, murmelte Hilfy mit zurückgelegten Ohren und verbeugte sich.
Pyanfar hieb auf den Riegel und öffnete die Tür, trat ein und schlug sie wieder zu, bevor die Automatik eine Chance fand zu funktionieren. Verspätet kam ihr Hilfys Gesichtsausdruck wieder in den Sinn und die Tatsache, dass Hilfy während des Transits lange Dienst am Kom getan hatte und dass sie etwas Würdigendes dazu hatte sagen wollen, und es doch nicht getan hatte.
Verflucht! Sie setzte sich auf das Bett und stützte den Kopf in die Hände. Götter, sie war durch das erforderliche Gespräch mit den Mahendo‘sat gestolpert, hatte mit ihnen geschachert, die Tahar beleidigt und auch Tully… hatte verkauft, was zu bewahren drei seiner Schiffskameraden gestorben waren.
In einem solchen Zustand hatte sie ein Glücksspiel gespielt und dabei Chanur und Tullys ganze Rasse eingesetzt. — Sie ließ die Hände zwischen die Knie fallen und langte schließlich in die Schublade neben dem Bett, wo sie eine Tablettenschachtel aufbewahrte. Sie schüttete sich eine Pille auf die Hand und steckte sie in den Mund — spuckte sie in plötzlichem Widerwillen aus und warf die offene Schachtel durch die Kabine. Pillen ratterten und drehten Kreise und blieben dann liegen. Pyanfar streckte sich, wie sie war, auf dem Bett aus, zog die Decke über sich, barg den Kopf in den Armen und schloss die Augen, machte sich an eine ausgiebige Kursberechnung für die Strecke nach dieser Station und erlaubte es dem Verstand nicht, von diesem technischen Problem abzuschweifen. Sie stellte sich die Zahlen vor dem inneren Auge vor und wehrte die Erinnerung an die Gesichter von Tully und Hilfy oder die umherhuschende Gestalt des Knnn mit seiner Beute ab, auch die an Kif, die draußen über die Docks schlichen und miteinander flüsterten.
Achtes Kapitel
»Tante!«
Es war nicht der Kom, sondern Hilfy persönlich, und sie beugte sich über Pyanfars Bett und schüttelte sie. »Tante!«
Pyanfar erwachte mit einer heftigen Bewegung, um den Ellbogen unter sich zu ziehen, schüttelte sich und starrte in Hilfys geweitete Augen. »Die Sternjäger«, sagte Hilfy. »Sie sind durchgekommen und haben Probleme. Sie können nicht bremsen. Die Nachricht kam gerade…«
»Oh, Götter!« Pyanfar warf die Decke zurück und krabbelte aus dem Bett, angezogen wie sie war, und packte beim Hinausgehen Hilfy am Arm. »Sag schon, Kleine, ist jemand hinter ihr her?«
»Die Station hat Minenfahrzeuge aufgerufen, den Weg zu verstellen… auch ein abgehender Frachter soll noch in der Lage sein, den Kurs zu ändern…« Hilfy ließ sich durch die Tür in den Korridor ziehen und lief neben Pyanfar her zur Brücke. »Sie haben noch zwanzig Minuten bis nach draußen, wenn sie Lijahan Richtung Zenith kreuzen.«
»Zwanzig jetzt?«
»Etwa.«
Haral war auf der Brücke, am Scanner, das Gesicht angestrahlt von der Beleuchtung des Gerätes, und ihr Ausdruck war grimmig, als sie sich zu den Ankömmlingen umdrehte. »Sie haben eben angefangen, sich ins Rettungsboot zu begeben«, sagte Haral. »Niemand kann rechtzeitig dort sein oder auch nur diese Masse zum Halten bringen, selbst im entladenen Zustand.«
»Wie lautet unser Status?«
»Wir können da nicht hinkommen«, wandte Hilfy sachlich ein.
»Nicht, um zu retten«, sagte Pyanfar ruhig.
»Die Reparaturen sind im Gang«, sagte Haral. »Eine Düse ist abmontiert. Wenn jemand hinter der Sternjäger her ist, sind wir in Schwierigkeiten.«
Tirun kam eilig hereingehumpelt und das Unterdeck richtete eine Frage an die Brücke. »Wir sagen euch alles, was wir hereinbekommen«, gab Haral an Geran und Chur unten weiter.
»Im Moment ist die Lage noch nicht klar.«
»Komm schon!« brummte Pyanfar dem Blip auf dem Schemabild des Systems zu. »Macht schon, Faha! Kommt da wieder raus!« Sie sank in den Kom-Sessel, ein Auge weiterhin auf den Bildschirm gerichtet, und sendete den Operationskode der Station. »Hier Chanurs Stolz. Dringende Nachricht an Stationsmeister, Pyanfar Chanur am Sender: Ich warne Sie vor möglicher feindseliger Verfolgung des einfliegenden Notfalles! Wiederhole: Warne Sie vor möglicher feindseliger Verfolgung des einfliegenden Notfalles!«
»Nachricht klar empfangen, Chanurs Stolz. Mahen-Schiffe kümmern sich um Notfall. Bitte bereithalten!«
Sie beobachtete den Scanner, kaute auf einem Knöchel und atmete zischend. Schiffe zeigten sich auf dem Schemabild, ein Verkehr, der jetzt völlig stillstand im Vergleich zu dem hereinfegenden Strich, der die Sternjäger darstellte, die Bewegung nur durch den systemumfassenden Maßstab soweit verlangsamt, dass sie mit dem Auge zu erkennen war.
Alles war bereits Geschichte, die Bilder auf dem Schirm, die Stimmen aus der Notfallzone.
Unfähig zu bremsen, würde die Sternjäger hilflos durch das System schießen und sich auf einer ziellosen Reise in die Unendlichkeit verlieren. Es war ein langer Weg in den Tod.
»Empfange die Sendung nicht mehr«, sägte Haral. Hilfy trat mit verzweifeltem Blick neben sie und versuchte sich selbst an den Schaltern. Pyanfar kaute an der Unterseite einer Kralle und schüttelte den Kopf. Die Aufgabe, eine noch vom Sprung betäubte Besatzung auf die Beine zu bekommen und in das Rettungsboot zu führen — beim Typ der Sternjäger weit oben in der Hülle — und das dann auch noch vom Schiff wegzusteuern, all das innerhalb der wenigen Minuten, die sie noch hatten…