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»Irrtum.« Hellberg zog das Kinn an. »Ich habe genug gehört, um Ihren Laden hier hochgehen zu lassen!«

»Das ist eine Nötigung«, sagte Dr. Tezza milde.

»Bitte! Sie soll es auch sein! Gehen wir zusammen zur Polizei! Dann wollen wir sehen.«

»Obzwar Sie mir zuwider sind, möchte ich Ihnen eine Blamage ersparen.« Dr. Tezzas Stimme war sanft wie ein Streicheln. »Die Polizei! Glauben Sie wirklich, daß im weiten Umkreis ein Polizist gegen einen Dr. Tezza ermitteln wird? Sie verkennen die Verhältnisse zwischen Apennin und Abruzzen. Wir leben hier nicht im kühlen Germania.«

»Das alte Lied! Gute Lire.«, sagte Hellberg bitter.

»Sehr gute Lire.« Dr. Tezza hob beide Hände. »Was wollen Sie eigentlich? Einen Artikel über mich schreiben? Viel Feind, viel Ehr' ... das ist eines Ihrer deutschen Sprichwörter. Außerdem verklage ich Sie!«

»Es gibt da manche Dinge, die für die Öffentlichkeit interessant sind: Einem Lungenkranken legten Sie goldene Amuletts auf die Brust. Andere Krebskranke werden hypnotisiert, bekommen Breipackungen, werden elektrisiert und mit Magnetismus behandelt. Und dann das Wichtigste. >Dr. Tezzas Lebenstrank<! Er schmeckt nach Zitrone und wird nichts anderes sein als Zitronenwasser. Jeden Tag zwei Liter müssen die Kranken trinken. >Wir spülen mit dem Lebenstrank den Krebs hinaus<, das sagen Sie selbst allen Kranken. Und die Armen trinken und zahlen, trinken und zahlen . bis sie sterben oder arm geworden sind. Zitronenwasser gegen Krebs!«

»Die Ausgeburt einer kleinen Irren!« Dr. Tezzas Gesicht hatte sich verdunkelt. »Ich habe Beweise echter Heilungen. Innerhalb von acht Tagen! Die sind stärker als die Phantasien einer Schizophrenen.«

»Man wird das alles nachprüfen.« Hellberg spürte, daß er Land gewonnen hatte. Zum erstenmal schien ein Journalist zu wissen, wie man in der Clinica Santa Barbara Krebs >heilte<. »Lassen wir also den Tanz beginnen: Tezza gegen Hellberg. Ich glaube, die Weltpresse hat da einen herrlichen Stoff!«

»Was wollen Sie eigentlich?« Dr. Tezza steckte die Hände in die Taschen seines weißen Anzuges. Er war sichtlich nervös. »Was soll der ganze Rummel?«

»Lassen Sie Claudia frei, geben Sie den Scheck an Herrn Hauß-mann zurück!« »Das muß Herr Haußmann selbst.«

»Ich handle im Auftrag von Herrn Haußmann.«

»Und dann?«

»Dann verlassen wir so schnell wie möglich diesen Ort.«

»Warten Sie.«

Dr. Tezza ging die Marmortreppe hinauf. In seinem Arbeitszimmer stand Claudia noch immer an der Wand, zusammengeduckt, als habe man sie geschlagen. Tezza beachtete sie gar nicht, setzte sich, spannte einen Bogen in die Schreibmaschine und schrieb. Dann hob er das Papier über den Tisch, legte einen Kugelschreiber daneben und winkte Claudia. »Unterschreibe!«

Claudia kam an den Tisch. Sie überflog die wenigen Zeilen, es war eine Art Ehrenerklärung:

Ich versichere hiermit, daß ich entgegen ärztlichem Anraten und im vollen Bewußtsein aller möglichen Komplikationen und Konsequenzen aus freien Stücken die >Clinica Santa Barbara< verlasse.

Ich habe gegen Herrn Dr. Giancarlo Tezza keinerlei Ansprüche mehr und versichere, daß alles getan worden ist, was zur Heilung meiner Krankheit aus ärztlicher Sicht möglich war. Ich bestätige, daß Herr Dr. Tezza nach bestem Wissen gehandelt hat. Ich kann seine Klinik nur empfehlen.

»Das unterschreibe ich nicht!« sagte Claudia und trat zurück. »Nicht den letzten Satz.«

»Willst du wirklich ins Irrenhaus?«

»Das ist eine Lüge, was da steht!«

»Das ganze Leben ist eine Lüge, mein Kleines. Du bist frei und kannst mit deinem Liebhaber hingehen, wohin du willst.«

»Er ist nicht mein Liebhaber.«

»Er wird es werden.« Dr. Tezza lächelte spöttisch. »Du könntest auch bei mir leben. Es fehlte dir nichts.«

Claudia biß die Lippen zusammen. Sie trat wieder vor, nahm den Kugelschreiber und unterschrieb die Ehrenerklärung Dr. Tezzas. Sie wußte, daß er damit unangreifbar geworden war. Aber was tut man nicht alles, um einer Hölle zu entfliehen?

»Danke, mein Kleines!« sagte Dr. Tezza. »Laß dir von der Ober-schwester deine Sachen geben.« Er faltete das Papier zusammen. »Du kannst gehen, wann du willst.«

Mit fliegenden Haaren rannte Claudia hinaus.

In der Halle standen sich wenig später Dr. Tezza und Hellberg wieder gegenüber. Diesmal waren auch Karl und Erika dabei. Mit kurzen Worten hatte Hellberg ihnen erklärt, was hier in dieser Klinik gespielt wurde. Haußmann war hochrot und maßlos erregt. Daß er einem Scharlatan aufgesessen war, konnte er nicht überwinden.

»Mein Geld!« schrie er sofort, als Dr. Tezza auf der Treppe sichtbar wurde. »Mein Geld, Sie Pfuscher!«

»Bitte!« Dr. Tezza schwenkte den Scheck Haußmanns. Er war weit davon entfernt, sich beleidigt zu fühlen. Niemand hörte sie. Die Kranken hatten Zimmer-Liegestunde, das Personal war sowieso für solche Vorwürfe taub. Man konnte ungeniert sprechen.

»Wo ist Claudia?« rief Hellberg.

»Sie packt die Koffer. Zufrieden?« Dr. Tezza sah jeden an. Seine Sicherheit war bedrückend. Hellberg ahnte etwas Unangenehmes. Und seine Ahnung wurde sofort bestätigt. Tezza reichte Hellberg die unterschriebene Erklärung.

»Bitte, lesen Sie.«

Hellberg gab das Papier zurück, nachdem er es zweimal gelesen hatte.

»Damit sind Sie gerettet!«

»Ich glaube, ja. Ihre Kronzeugin fällt aus. Andere Zeugen haben Sie nicht. Es wird auch niemand aussagen in diesem Haus.« Dr. Tez-za steckte die Erklärung in die Brieftasche. »Nun schreiben Sie Ihre Artikel, Herr Hellberg! Es wird Sie Millionen Schadenersatz kosten.«

Oben erschien Claudia. In beiden Händen Koffer. Mit glücklichem, strahlendem Gesicht. In Hellbergs Herz leuchtete eine heiße Sonne auf. Er rannte ihr entgegen, nahm ihr die Koffer ab.

»Kommt!« rief er. »Gehen wir! Ich kann nicht garantieren, ob ich mich noch fünf Minuten zu beherrschen vermag!«

Sie verließen die Clinica Santa Barbara, ohne sich umzublicken, und fuhren zurück nach Avezzano.

Dr. Tezza sah dem Auto nach, bis es hinter einer Kurve der Serpentinenstraße verschwand. Er war der Sieger, aber er kam sich nicht als solcher vor.

Er ahnte: Er hatte nur eine kleine Galgenfrist bekommen.

Neben dem Gutshof, auf einer Wiese, lag unter einem Sonnenschirm Marion Gronau auf einer Decke. Sie sprang erschreckt auf, als sie die quietschenden Bremsen des Wagens vor dem Haus hörte. Ihr Bikini war atemberaubend, aber keiner beachtete ihn. Karl half seiner Frau aus dem Wagen, Hellberg bemühte sich um Claudia.

»Nanu, wer ist denn das?« fragte Marion, die mit verzerrtem Gesicht an der Hauswand lehnte. »Bekommt man Medizin jetzt in solcher Verpackung mit?«

»Laß die dummen Bemerkungen, bitte.« Hellberg stellte Claudia vor, und Marion nickte von oben herab. Wie zwischen Tezza und Hellberg war zwischen Claudia und ihr gleich vom ersten Blick an eine stille, aber unüberwindliche Feindschaft.

»Ein Heilungserfolg Dr. Tezzas?« fragte Marion.

»Nein. Ich habe Fräulein Torgiano aus der Klinik dieses Scharlatans geholt. Ich erzähle es dir später.«

»Du entwickelst dich zum großen Samariter, mein Lieber. Nur scheint mir, daß in den Zimmern der Klinik auch weniger junge Patienten liegen, die man >retten< müßte!«

Hellberg antwortete nicht. Er trug die Koffer ins Haus, Claudia folgte. In Marions Zimmer stellte Hellberg die Koffer ab und zeigte auf das Bett.

»Ruhen Sie sich etwas aus, Claudia. Die Aufregung war zuviel für Sie, und mit meinen Freunden werde ich sprechen ... wegen Bari.« Er drehte sich um und ging. An der Tür aber fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Lautlos war ihm Claudia nachgeeilt und stand nun dicht vor ihm.

»Sie sind ein guter Mensch«, sagte sie leise. Dann hob sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen schnellen Kuß auf den Mund.