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Kabinengang kam Juanita Escorbal. Sie hatte einen Spitzenschal um die Schultern geworfen und rannte nun die Treppe zum Ruderhaus hinauf. Claudia folgte ihr, und dann stürzten die anderen Mädchen an Deck. Sie hatten in den Händen, was sie gerade gefunden hatten: Eisenstangen, eine Axt, ein Stück dickes Drahtseil, eine Holzstange.

»Wohin fahren wir?« rief Juanita schon auf der Treppe zur Kommandobrücke.

»Ich weiß es nicht.« Frank Hellberg zeigte mit einer weiten Handbewegung über das Meer. »Ich habe noch nie ein Schiff gesteuert. Aber irgendwie werden wir schon ankommen.«

»Lassen Sie mich, Frank.« Juanita beugte sich über den Kreiselkompaß. »Mein Bruder hatte eine Jacht, Sie wissen es ja. Ich habe manches von ihm gelernt. Geben Sie mir das Ruder. Kümmern Sie sich um die andere Besatzung. Die Leute im Maschinenraum und in den Mannschaftskojen haben wir eingeschlossen. Aber zwei Stewards sind noch in der Kombüse.«

Hellberg ließ das Ruder los und rannte die Treppe hinunter an Deck. Und zum Beweis, daß der Kampf erst begonnen hatte, schwiegen plötzlich alle Maschinen. Rauschend bohrte sich der Kiel noch einmal durch das blaue Wasser, dann glitt die weiße Jacht lautlos auf dem spiegelnden Meer. Die Männer im Maschinenraum streikten. Von der Kombüse rannten die beiden Stewards herbei.

Frank Hellberg zog die Pistole und ging hinter dem Ruderhaus in Deckung.

»Stop!« schrie Hellberg. »Hands up!« Das war ein Ausdruck, den jeder verstand, ob Italiener oder Kroate. Die Stewards blieben stehen, sprangen dann zur Seite und nahmen Deckung hinter der aufgeklappten Tür des Kabinenganges. Auf der Brücke stand Juanita Escorbal und unterhielt sich durch das Sprachrohr mit dem Maschinisten im Maschinenraum.

»Ich würde raten«, sagte sie ruhig, aber mit großem Nachdruck, »daß ihr die Maschinen wieder laufen laßt. Es hat doch keinen Sinn, toter Mann zu spielen. Wollt ihr hier herumtreiben, bis ihr ver-hungert?«

»Verdammtes Weibsbild!« Der Maschinist spuckte in das Sprachrohr. Ohnmächtiger Zorn war es, und Juanita lachte laut. »Ich zerschlage alle elektrischen Verteiler.«

»Und dann? Willst du über Bord zu den Haien, du Idiot?« Juanita steckte den Pfropfen auf das Sprachrohr und blickte hinunter auf das Deck.

Dort hatte sich in wenigen Minuten alles verändert. Frank Hellberg und Claudia standen noch immer im Schutz des Ruderhauses und starrten sprachlos auf die Szene vor sich.

Die befreiten Mädchen waren, ohne auf die Pistolen der Stewards zu achten, mit lautem Geschrei auf die Männer gestürzt. Mit Knüppeln und Fäusten hieben sie auf die Stewards ein, die vor soviel weiblichem Mut eine Sekunde lang sprachlos waren. Das war ihr Unglück. Vier, fünf Mädchenkörper fielen über sie her, die Pistolen wurden ihnen aus den Händen geschlagen, sie stürzten auf die Planken, und es half kein Umsichschlagen und kein Treten: Wie Katzen hingen die Mädchen an ihnen und hieben mit ihren kleinen Fäusten auf die zuckenden Männerkörper.

Knapp fünf Minuten dauerte der Kampf, dann lagen die Stewards besinnungslos und halb ausgezogen auf Deck. Wie die Furien rannten die Mädchen dann wieder in das Innere des Schiffes; das Schlagen der eisernen Türen und Schotten hörte man bis zur Brücke.

»Der arme Maschinist«, sagte Frank Hellberg und legte den Arm um Claudia. »Ein Glück, daß ich das Krankenzimmer abgeschlossen habe. Sie würden Saluzzo zerreißen wie Raubtiere.«

»Und mit Recht! Mit Recht!« Claudias Augen flammten. Aller Haß einer Frau lag in ihnen. Sie zitterte vor verhaltener Wut und Rache. »Was willst du mit ihm tun, Frank?«

»Der Polizei übergeben.«

»Der Polizei! Ha!« Claudia lachte laut und bitter auf. »Von Ancona bis Taranto gibt es keinen Polizeichef, der nicht mit Saluzzo auf du und du steht! O Liebster, du kennst nicht die Macht des Geldes in Italien.«

»Du, Juanita und die Mädchen sind Zeugen genug, um ihn ins Zuchthaus zu bringen.«

»Ein guter Anwalt wird beweisen, daß die Mädchen freiwillig an Bord gekommen sind. Um etwas zu erleben! Oh, du kennst das alles nicht. Du bist so ehrlich und ahnungslos. Und wenn es ganz hart für Saluzzo wird, stellt er eine Kaution von einer Million Lire -was ist für ihn eine Million! - und geht ins Ausland. Du wirst ihn nie durch Gerechtigkeit besiegen können! Für Saluzzo gibt es keine Gesetze.« Wieder flammten die schönen, schwarzen Augen Claudias auf. »Man sollte ihn töten.«, sagte sie leise.

»Claudia!« rief Hellberg entsetzt.

»Solange er lebt, ist er gefährlich.«

»Mein Gott, wie groß kann der Haß einer Frau sein.« Hellberg schüttelte den Kopf und zog Claudia mit zu den beiden halbentkleideten Körpern der Stewards. Einer von ihnen bewegte sich stöhnend und rollte sich auf die Seite. Sein Gesicht war unförmig angeschwollen und färbte sich bläulich.

Claudia ließ einen Eimer an einem Tau ins Meer - es waren die Eimer, die zum Deckwaschen benutzt wurden - und schüttete das Wasser über die Körper der Ohnmächtigen. Im Inneren des Schiffes schien die Hölle los zu sein, die Planken zitterten vom Türenschlagen, ein einzelner Schuß fiel. Auf der Brücke stand Juanita am Sprachrohr und lauschte nach unten. Der Maschinist hatte sich im Maschinenraum eingeschlossen und drohte, jedem, der die Tür aufsprengen würde und hereinkäme, den Schädel einzuschlagen. Mit einem Schraubenschlüssel, schrie er, und einem stählernen Hammer.

Die beiden Stewards erhoben sich taumelnd. An Gegenwehr dachten sie nicht mehr, ihr Widerstand war zerbrochen. Willenlos ließen sie sich von Hellberg und Claudia zur oberen Barkombüse führen und einschließen. Das Schiff war nun in Hellbergs Hand, aber es trieb, leicht schaukelnd, aufdem leuchtenden blauen Wasser der Adria, mit schweigenden Motoren.

Hellberg kletterte wieder die Treppe zur Brücke hinauf und trat neben Juanita. »Was gibt es unten?« fragte er.

»Der Maschinist kommt sich sehr stark vor.« Juanita deckte die Hand über das Sprachrohr. »Er flucht wie ein Fischweib.«

»Versuchen wir es noch einmal. Vielleicht nimmt er Vernunft an. Ohne ihn treiben wir hier wie ein Stück lackiertes Holz. Und ich möchte nicht, daß den Mädchen wirklich die Köpfe eingeschlagen werden, wenn sie die Tür aufbrechen.«

Hellberg trat an das Sprachrohr und klopfte dagegen. Von unten antwortete ein wütendes Hämmern.

»Hallo!« sagte Hellberg. Er winkte Claudia. »Du mußt dolmetschen. Sag ihm, daß es keinen Sinn hat, Widerstand zu leisten. Er ist der einzige der Besatzung, der sich noch wehrt. Sag es ihm.«

Claudia beugte sich über das Sprachrohr, und eine Flut italienischer Worte sprudelte in den Maschinenraum. Dann trat sie zurück, und Hellberg preßte das Ohr an die trompetenähnliche Sprechmuschel.

Von unten tönte laut die Stimme des Maschinisten. Und er sagte deutlich auf deutsch: »Leckt mich am Arsch!«

»Ach nee!« Hellberg schrie in das Sprachrohr und klopfte dabei gegen das blanke Messing. »Auch das noch. Mensch, ein Deutscher! Mach die Luke auf, du Idiot, und stell' die Maschinen wieder an!«

Im Maschinenraum war es einen Augenblick still. Der Maschinist schien ebenso verblüfft zu sein wie Hellberg. Aber dann hatte auch er den Schock überwunden und klopfte gegen das Rohr.

»Hallo.«

»Wo kommst du her?«

»Aus Düsseldorf.«

»Und was machst du auf dem Kahn?«

»Das erzähle ich dir alles nachher. Stell' erst die Maschinen an, Junge.«

»Geschissen, Kumpel! Was ist oben los? Was machen die brüllenden Weiber vor meinem Schott?«

»Das Kommando des Schiffes habe ich übernommen! Nun frag' nicht so - laß die Motoren rauschen.« »Klingt wie im Kino! Wo ist der Chef?«

»Saluzzo schläft im Krankenraum, zusammen mit Foramente. Ein bißchen Äther auf die Nase.«