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»Prego.«, sagte er voll Spott zu Hellberg und zeigte auf das Kreuz. Auch Juanita ließ das Steuerrad los und trat heran.

»Wie weit bis zur Küste?« fragte sie.

»Bis Ulcinj, das liegt am nächsten, noch 4 Stunden.«

»Und Treibstoff für eine halbe Stunde!«

Foramente hob die Schultern. Über sein Playboy-Gesicht lief ein ironisches Lächeln. »Ist es meine Schuld? Aber wenn Sie Kurs auf die Küste halten - ich richte Ihnen den Kurs ein - können wir in ein Gebiet kommen, wo uns jugoslawische Thunfischfänger sehen.«

»Bitte.«

Juanita beobachtete den Kompaß, als Foramente ein paar Drehungen am Steuerrad machte und dann die weiße, schnelle Jacht gegen die Sonne laufen ließ.

»Das ist es!« sagte er und trat zurück, die Hände auf dem Rücken. Dann sah er Hellberg an, mit der Frage in den Augen, was nun weiter geschehen sollte.

»Kommen Sie mit!« sagte Hellberg und winkte, da Foramente ihn doch nicht verstand. Er führte ihn zum Bug, wo Saluzzo immer seine Speisetafel aufgeschlagen hatte, und zeigte auf einen Teller mit Früchten, Weißbrot und Butter. Daneben stand ein großes Glas Orangensaft.

Foramente zögerte, doch dann stürzte er sich heißhungrig wie ein eingesperrtes Raubtier auf das Brot, legte die Butter darauf, aß mit würgendem Schlucken und trank mit einem Schluck das halbe, große Glas leer.

Einen Augenblick nur war Hellberg unvorsichtig, und Foramen-te nutzte es sofort aus. Aus dem Kabinengang kam Claudia, und

Hellberg drehte sich halb herum und sah ihr entgegen. Er wollte ihr zuwinken, aber ihr Aufschrei warnte ihn.

»Frank!« schrie sie. »Hinter dir.«

Hellberg warf sich herum. Ein brennender Schmerz durchfuhr seinen linken Arm, er fühlte, wie Blut über seine Hand rann, aber geistesgegenwärtig schlug er mit der rechten Faust gleichzeitig auf den Körper ein, der sich ihm entgegenwarf.

Foramente taumelte zurück. Das Messer, mit dem er gerade noch das Weißbrot bestrichen hatte, blitzte in seiner Hand und war rot vom Blut Franks.

Hellberg schnellte vor. Wieder hieb er auf Foramente ein, traf ihn am Kinn, doch die Stichwunde in seinem Arm schmerzte so höllisch, daß es ihm schwarz vor Augen wurde und er zu taumeln begann.

Foramente duckte sich. Wie ein Tiger vor dem Sprung war er, das Messer mit der blanken Klinge von sich gestreckt. Hellberg hob den rechten Arm zur Abwehr, der linke hing an ihm herunter, und um seine Füße bildete sich eine breite Blutlache.

In diesem Augenblick fiel ein Schuß. Foramente ließ das Messer fallen, sein Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an, dann knickte er in den Knien ein und rollte auf die Seite über das Deck bis an den Tisch.

Hellberg lehnte sich keuchend gegen eine Stange des Sonnensegels. Das Blut rann aus seinem Arm über Hose und Schuhe. Claudia lief auf ihn zu, die Pistole in der Hand, und vom Kiel, wo sie sich gesonnt hatten, rannten kreischend die anderen Mädchen zu ihnen.

»Ist es schlimm?« rief sie und hob Franks schlaffen Arm hoch. »O Liebster, Liebster ... er hätte dich getötet.« Sie riß sich die Bluse vom Körper und drückte sie auf die Wunde, während die anderen Mädchen einen Kreis um sie bildeten und entsetzt auf Foramente starrten.

Hellberg atmete tief auf. Der Schwächeanfall ging vorüber, die sich drehenden Nebel lichteten sich. Er nahm Claudia die Pistole aus den weißen Fingern und steckte sie ein.

»Ist er tot?« fragte er.

»Ich weiß es nicht. Aber du lebst! Du lebst! O Gott, er wollte dich von hinten erstechen!« Sie klammerte sich an ihm fest und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust.

Foramente rührte sich. Er stöhnte auf, rollte sich auf den Rücken und tastete mit der Linken nach seiner rechten Schulter. Dort war in der Uniform ein kleines Loch, mehr sah man nicht.

»Sag den Mädchen, sie sollen ihn verbinden und in irgendeine Kabine einsperren«, sagte Hellberg. Er stützte sich auf Claudia, als er gehen wollte, und als er das viele Blut aufden Planken sah, wußte er, daß er eine Menge Blut verloren hatte. Mit weichen Beinen ging er unter Deck, legte sich auf ein Bett, und Claudia wusch ihm die große Fleischwunde aus und verband sie mit ein paar Handtüchern.

»Gib mir den Schlüssel zum Sanitätsraum, Liebster«, sagte sie mehrmals. »Dort ist alles, was du brauchst.«

Hellberg schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Die Mädchen würden Saluzzo zerreißen. Ich könnte sie nicht daran hindern. Ich will kein indirekter Mörder werden.«

Nach knapp einer dreiviertel Stunde blubberten die Maschinen merkwürdig, dann schwiegen sie. Julius Scheible pochte an das Sprachrohr.

»Aus!« sagte er, als sich Juanita Escorbal meldete. »Der letzte Tropfen ist weg. Ich komme jetzt raufund sonne mich. Daraufhabe ich wochenlang gewartet. Ist das Wasser schön warm?«

Juanita steckte den Stöpsel ohne Antwort auf den Trichter und verließ die Brücke. Ihre Aufgabe war erfüllt. Nun lag es ganz in des Schicksals Hand, ob man sie aufdem Meer entdeckte oder ob man sie eines Tages als vertrocknete Tote von einem Geisterschiff holte.

Bis zum Abend trieben sie auf der leichten Dünung dahin, ohne daß sie am Horizont ein Segel oder die Aufbauten eines Schiffes entdeckten. Ganz weit sahen sie einmal, im Abendrot, ein kreisendes

Flugzeug ... der Pilot mußte auch das weiße Schiff sehen, aber er hielt es sicherlich für eine der Luxusjachten, die auf dem Meer ankern oder langsam von Küste zu Küste ziehen.

Als die Dunkelheit über das Meer glitt, schoß Juanita die erste Notrakete in den Himmel.

Hellberg war neben ihr auf der Brücke. Er hatte, als er die Schwäche überwunden hatte, aus dem Sanitätsraum Verbandszeug geholt und Tabletten gegen die Schmerzen. Nun lag Foramente mit einem Schulterschuß und leicht fiebernd in der Kabine Claudias, und auch Hellberg spürte, daß sein Kopf zu summen begann und sein Körper glühte.

Nach einer halben Stunde schoß Juanita die zweite Rakete in den Nachthimmel. Blutrot hing die Feuerkugel an einem kleinen Fallschirm und pendelte langsam ins Meer zurück.

Hellberg suchte mit dem Nachtglas den Horizont ab.

Keine Antwort.

Unendlich lag das Meer im fahlen Mondlicht. Julius Scheible, der auf der anderen Seite den Horizont mit dem Fernglas abtastete, putzte sich die Nase und schnaubte.

»Hier sind wir am Arsch der Welt!« sagte er laut. »Kinder, der Foramente hat uns verschaukelt. Wer weiß, wo wir hier rumgondeln?«

»Dort irgendwo muß Ulcinj sein.« Hellberg hielt das Glas mit einer Hand umklammert, die Linke trug er in einer schwarzen Schlinge. »Wir dürfen nicht den Mut verlieren, Julius! Noch ein Ding hoch, los!«

Die dritte Rakete.

Nichts. Stumm und feindlich in seiner nächtlichen Schwärze umgab sie das Meer.

Die vierte Rakete war eine weiße. Eine grelle Leuchtkugel, die an ihrem Fallschirmchen ein paar Minuten in der Luft schwebte und das Meer weit im Umkreis taghell erleuchtete.

Und da geschah es.

Claudia und Juanita stießen gemeinsam einen Schrei aus. Ganz fern, kaum sichtbar, antwortete ihnen eine andere Rakete. Ein weißer Strahl pendelte durch die Nachtluft, wie ein fallender Stern sah es aus, der im Meer versinkt.

»Gerettet!« schrie Claudia und fiel Hellberg um den Hals. »Wir sind gerettet, Liebster!«

Der Jubel der Mädchen, die auf dem Deck angstvoll ausgehalten hatten, antwortete ihnen. Ein Jubel, der hinunterdrang bis zu Sa-luzzo, den Stewards und zu dem bewegungslosen Foramente.

Von jetzt an ging alles schnell, und obgleich es Stunden dauerte, war es allen, als verfliege die Zeit.