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Ein Motorfangboot kam auf sie zu, von dem staatlichen jugoslawischen Thunfisch-Kombinat. Mit Megaphon rief man sich zu, aber man verstand sich nicht, denn die Jugoslawen sprachen nur ihr Serbokroatisch und schüttelten bei Italienisch, Französisch und Englisch nur die Köpfe. Soviel sahen sie aber, daß das Schiff bewegungsunfähig war, warfen starke Leinen hinüber und nahmen die Jacht in Schlepp.

Hellberg stieg hinunter in den Sanitätsraum.

»Meinen Glückwunsch, Hellberg«, empfing ihn Saluzzo. Seine Stimme war rauh, die Lippen waren aufgesprungen, er litt einen entsetzlichen Durst. Hellberg nahm ein Glas, füllte es mit Wasser und gab Saluzzo und dem Steward zu trinken. Gierig schlürften sie das Wasser; es war das köstlichste Getränk, das sie je getrunken hatten.

»Wir sind im Schlepp, Saluzzo«, sagte Hellberg, nachdem er ihnen den brennendsten Durst gestillt hatte. »Wir werden wahrscheinlich nach Ulcinj abgeschleppt. Haben Sie dort auch Freunde?«

»Überall.« Saluzzo lächelte schwach. »In Ulcinj kenne ich den staatlichen Fischereidirektor, Sofie Urbangic. Er wird für mich gut aussagen und alles als einen Irrtum hinstellen.«

»Aber die Mädchen sind frei, das ist die Hauptsache. Einmal wird die Gerechtigkeit auch Sie ergreifen!«

»Das hoffen viele!« Saluzzo lauschte auf das Tuckern des Fischerbootes, das die Jacht an den Trossen hatte. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Hellberg: Spielen wir die Komödie elegant zu Ende.

Sie binden mich los und meine anderen Männer auch, wir laufen wie gute Freunde in Ulcinj ein, die Mädchen können frei über sich verfügen - und alles ist vergessen!«

»Danke, Saluzzo.« Hellberg erhob sich und schüttelte den Kopf. »Jetzt weiß ich, daß Sie Angst haben. Sie haben in Ulcinj gar keine Freunde.«

Es war gegen Morgen, als sie den kleinen Hafen der jugoslawischen Fischerstadt erreichten. Der Hafenkommandant, durch Funk bereits unterrichtet, stand an der Mole, neben sich zehn Mann Miliz mit Maschinenpistolen. Man nahm es sehr genau in Ulcinj. Das fremde Schiff hatte keine Landeerlaubnis, und merkwürdig war es auch, daß abseits der normalen Wasserstraßen eine italienische Jacht treibt.

»Das habe ich gern«, sagte Julius Scheible neben Hellberg und sah hinüber zu den Milizsoldaten. »Von Uniformen habe ich die Schnauze voll. Wieder Verhöre, wieder in 'ner Zelle, und dann abgeschoben werden. Nee! Ich mache mich selbständig. Wie ist das, du wolltest mir Geld geben.«

»Hier, Julius.« Hellberg holte aus der Brieftasche ein paar Geldscheine. Scheible rollte sie zusammen, steckte sie in die Hosentasche und beugte sich dann an der dem Land abgewandten Seite über Bord.

»Mach's gut, Junge«, sagte er. »Und grüß' mir die Heimat. Sie vermißt mich zwar nicht, aber manchmal ich sie. Das Leben ist eben beschissen, wenn man einmal aufder Scheiße ausgerutscht ist. Ahoi, Junge und denk' mal an mich.«

Mit einem Kopfsprung sprang er über Bord und tauchte im schwarzen, öligen Hafenwasser unter. Das letzte, was Hellberg von ihm sah, war sein breites Gesicht, als er noch einmal auftauchte, tief Luft holte und dann wie ein Fisch wegschwamm.

Der Hafenkommandant empfing Hellberg und die Mädchen mit sichtbarer Verblüffung. Er sprach sogar französisch, und es war für Hellberg leicht, sich mit ihm zu unterhalten. In kurzen Worten schilderte er die Erlebnisse, und der Hafenkommandant verfiel in eine totale Sprachlosigkeit. Er brauchte eine ziemliche Zeit, ehe er den

Kopf schüttelte.

»Das ist ja unglaublich, Monsieur«, sagte er. »So etwas gibt es ja gar nicht.«

»Ich bringe Ihnen die Beweise. Ich weiß, daß es eine Dokumentation der UNO gibt, die sich mit dem modernen Menschenhandel befaßt, ein grauenhaftes Dokument, das überall auf Zweifel stößt, weil es einfach unglaublich ist. Ich habe es nun erlebt, und es bleibt Ihnen vorbehalten, der Weltöffentlichkeit diese Sensation zu bieten.«

»Wir werden sehen.« Der Hafenkommandant von Ulcinj war vorsichtig. »Wir werden ein Protokoll aufnehmen, genaue Untersuchungen führen, und selbstverständlich muß ich die Staatsanwaltschaft in Titograd benachrichtigen, denn das ist ja ein internationaler Fall! Monsieur -« Er machte eine kleine, höfliche Verbeugung vor Hellberg und vor Claudia. »Mademoiselle . ich muß Sie alle bis zur Klärung des haarsträubenden Falles in Haft nehmen!«

Hellberg wollte protestieren, aber es hatte keinen Sinn. Die Mädchen, Saluzzo, die Stewards, Juanita Escorbal wurden mit ihnen unter strenger Bewachung der Miliz von der Jacht geholt, der fiebernde Foramente wurde auf einer Trage in das Krankenhaus von Ulcinj gefahren. In drei Jeeps kam nun auch der Polizeikommandant mit einer schnell gebildeten Sonderkommission angerast, denn der Hafenkommandant hatte aufgeregt gemeldet, daß es sich hier um diplomatische Verwicklungen handeln könnte.

Als die Morgensonne wieder das Meer vergoldete, saßen Hellberg und Claudia in einem Zimmer des Hotels >Skutari<, dem besten Haus von Ulcinj. Neben ihnen im Zimmer wohnten Saluzzo und die Stewards, ihnen gegenüber auf der anderen Flurseite in drei Zimmern die Mädchen und Juanita Escorbal. Vor jeder Tür stand ein Posten der Miliz mit Maschinenpistole. Es war eine Idee des Polizeikommandanten. »Wir können sie nicht wie Verbrecher behandeln, Genosse«, hatte er zum Hafenkommandanten gesagt. »Angenommen, es ist alles wahr. Das kann Schwierigkeiten geben. Man muß sie behandeln wie Gäste, bis die Genossen aus Titograd entscheiden, was geschieht.«

Claudia saß am Fenster und sah über den kleinen, schmutzigen Hafen und das leuchtende Meer. An der Mole lag die weiße Jacht. Neben der Brücke standen zwei Soldaten und rauchten.

»Nun sind wir in Jugoslawien, Frank«, sagte sie leise und legte den Kopf müde auf die Arme. »Und wir sind Sarajewo ferner als zuvor.«

»Abwarten, Kleines.« Hellberg ging im Zimmer hin und her. Er rauchte hastig und suchte einen Ausweg aus ihrer Lage. »Uns ist der Sprung über das Meer geglückt. Und es sollte schon der Satan unser Feind sein, wenn es nicht gelänge, auch Sarajewo zu erreichen!«

Das klang mutig, aber nicht sehr hoffnungsvoll. Denn nicht auf den Satan kam es jetzt an, sondern auf die jugoslawischen Behörden und Kommissare, die bereits von Titograd aus unterwegs nach Ulcinj waren.

Die >MS Budva< lief in den herrlichen, neuen Hafen von Dubrovnik ein wie ein Luxusvergnügungsschiff.Die trutzige Burg der Altstadt leuchtete mit roten Quadern in der Abendsonne, am Quai der Neustadt glänzten die Fenster der Hotelpaläste, im Jachthafen gingen die Lichter auf den vielen, kleinen Motorbooten an, und vom Hotel >Petka< klang Musik über das Wasser bis hinüber zur >MS Bud-va<. Die grünen Hänge hinauf zogen sich die Villen und weißgetünchten Häuser, am Ende des Hafens ankerten Schiffe der jugoslawischen Kriegsmarine, die Fassade des großen Kaufhauses >Min-ceta< blitzte mit ihren Fenstern, und in den Gärten über der Steilküste wiegten sich Pinien, Apfelsinenbäume, Palmen und Zitronenbäume im Wind, der vom Meer kühlend über die schönste Stadt Jugoslawiens strich.

In die Passagiere war nun Unruhe gekommen. Die Ausschiffung stand kurz bevor, nach der unplanmäßigen Freude eines Sonnentages auf See kam nun der Alltag, der Ernst der Reise wieder. Weiter nach Sarajewo, weg vom Schiff der Hoffnung zum Zug oder Bus der Hoffnung oder mit dem eigenen Wagen auf die Straße durch den Karst der Herzegowina, durch ein ödes, heißes, feindliches Land.

Die Koffer wurden an Deck getragen, die Planen von den vertäuten Wagen gezogen, die Kräne schwenkten bereits ein. Die Passagiere standen an der Reling und sahen hinüber auf die in der Abendsonne wie brennende Stadt, ein Anblick, den sie nie vergessen würden in seiner wilden Schönheit.

Unter Deck schrie Lord Rockpourth wieder herum. Er war, allen Erwartungen zum Trotz, nicht wieder in Agonie gefallen, sondern kommandierte seine Ausschiffung selbst. Er rief nach Karl Hauß-mann, der aber oben neben seinem Wagen stand und dem Kranführer 1.000 Dinare in die Hand drückte, damit er den Wagen als ersten an Land setzte. So eine Sprache ist international, auch in einem kommunistischen Land, und der Kranführer nickte und tippte mit dem Zeigefinger an die Mütze.