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»Ich freue mich«, sagte Dr. Zeijnilagic mit sympathischer Stimme auf englisch, »daß ich Sie heute allein sprechen kann. Sonst ist es unmöglich, da drängen sich in der Diele die Kranken, stehen auf der Treppe bis hinaus auf die Straße. Es gab Tage, da war das Haus umlagert wie eine Festung. Die Miliz mußte den Verkehr von der Obala umleiten. Aber seit zwei Tagen ist es ruhiger.«

»Das Verbot des HTS.« Hellberg verbeugte sich vor den anderen, die um den ovalen Tisch saßen. Dr. Zeijnilagic stellte sie vor.

»Meine Frau Emina. Sie ist Chemikerin und Lehrerin. Meliha, meine älteste Tochter, kennen Sie schon. Das ist Virdana, die jüngere. Und das ist meine Mutter Naifa. Sie ist nach Mekka gepilgert.« Hell-berg hörte, mit welcher Hochachtung er das sagte. Eine Mekkapilgerin in der Familie, eine Mutter, die am Grabe des Propheten gebetet hatte - das ist eine Gnade Allahs für die ganze Familie.

Hellberg verbeugte sich, dann wurde ihm ein Stuhl hingeschoben, er saß am ovalen Tisch, und es war ihm, als sei er damit in den Kreis der Familie aufgenommen. So selbstverständlich war das alles, als lebe er schon Jahre hier und sei eben von einem Spaziergang zurückgekommen. Meliha, die älteste der Töchter, ging hinaus und kam mit einer Kanne Tee zurück.

»Trinken Sie Rum dazu?« fragte Dr. Zeijnilagic. »Oder Kognak? Wir nehmen keinen Alkohol, wir sind strenge Moslems.«

»Danke«, sagte Hellberg ein wenig unsicher. Er war beeindruckt von der Einfachheit dieses Lebens, von der Freundlichkeit und der familiären Atmosphäre.

»Sie sagten, Sie wollten alles wissen«, fing Dr. Zeijnilagic die Unterhaltung an. Er bot Hellberg goldgelbe orientalische Zigaretten an. Er selbst rauchte nicht. »Das ist eine weite Frage.«

»Darf ich ganz hart sein, Doktor?« Hellberg tat es fast leid, dies zu fragen.

Dr. Zeijnilagic nickte. »Bitte.«

»Glauben Sie selbst an Ihr HTS?«

»Ich habe sechzehn Jahre damit zugebracht, mich an den Glauben zu gewöhnen, daß mir eine große Entdeckung gelungen ist«, antwortete Zeijnilagic. »Es begann mit einem Patienten, der einen Tumor in der Mundhöhle hatte. Ich bin Zahnarzt und Mundhöhlenspezialist. Damals, vor 16 Jahren, konnte ich meinen Patienten nicht heilen, nur belügen, es sei ungefährlich. Aber diese Lüge war in mir wie ein Motor: Du mußt helfen! Ich hatte ein kleines Labor, primitiv eingerichtet. Was kann sich ein junger Zahnarzt schon leisten! Aber ich stieß bei einer Reihe Blutuntersuchungen auf interessante Dinge, die jetzt zu erklären zu umfangreich sind. Kurzum: Ich spezialisierte mich auf Blutsedimente und entdeckte einen Weg zur Frühdiagnose bestimmter Ca-Formen. Aus dem Blutbild heraus. Ein paar Jahre später bekam ich den ehrenvollen Ruf, Lehrer an einer Dentistenschule zu werden. Ich wurde Professor, Chef eines Kliniklabors in Sarajewo ... und ich hatte endlich Möglichkeiten, meine Blutsedimente in großem Stil zu erforschen. Ich fuhr nach Belgrad und nach Köln, zu Professor Gohr. In Belgrad wurde ich ausgelacht, in Köln überprüfte Professor Gohr meine Forschungen und ermunterte mich weiterzumachen. Es ist wie überall auf der Welt, Herr Hellberg: In Sarajewo nannte man mich einen Phantasten, in Belgrad hörte ich unverbindliche Reden; die anderen Ärzte, vor allem die Kliniker, schnitten mich. Aber ich gab nicht auf. Ich stellte eines Tages mein Ur-HTS her und verabreichte es Krebskranken. In den Augen der Wissenschaft ein Verbrechen, weil vorher nicht hundert Kaninchen, tausend Meerschweinchen, zweitausend Ratten und zehn Affen behandelt worden waren!«

Dr. Zeijnilagic nippte an dem heißen Tee. Seine alte Mutter, Nai-fa, nickte ihm zu, obwohl sie kein Wort verstanden hatte. Seine Frau Emina, die ebenso gut englisch sprach wie er, hatte ernste Augen.

»Rückschläge schienen meinen Gegnern recht zu geben: Es gab Sekundärschäden durch das HTS. Aber das lag nicht am Präparat selbst, sondern an der chemischen Zusammensetzung, an der Dosierung der einzelnen Stoffe zueinander. Ich arbeitete weiter, und dann kam der Tag, vor vier Jahren, als die Ärztin Dr. Zlata Babic zu mir kam. Ich werde Ihnen ihre Krankengeschichte zeigen, es ist kein Trick dabei. Durch eine Kommission, zu der verschiedene Ärzte gehörten, war Dr. Zlata Babic als hoffnungsloser Fall aufgegeben worden. Sie war zum Sterben verurteilt. Diagnose: Bereits inoperabler Ca mammae golidum mit Metastasen unter dem linken Arm. Über die Lymphe also eine weite Streuung im ganzen Körper. An Dr. Babic versuchte ich mein neues HTS . sie ist heute völlig geheilt, praktiziert wieder, wohnt hier in Sarajewo und ist bereit, sich mit Ihnen zu unterhalten. Es ist röntgenologisch und pathologisch festgestellt, daß Dr. Zlata Babic keine Ca-Zellen mehr im Körper hat. Das war mein erster Fall von Heilung. Es war ein Kuß Allahs auf meine Stirn.«

»Und heute.«, sagte Hellberg seltsam ergriffen von diesem Be-richt.

»Gehen Sie auf die Straße«, sagte Dr. Zeijnilagic ruhig. »Fragen Sie die Menschen. Jeder dritte wird Sie zu einem HTS-Geheilten führen. Dreitausend Kranken konnte ich helfen. Über tausend sind geheilt, den anderen habe ich ein sanftes, schmerzfreies, nicht von Morphium umdunkeltes Lebensende verschafft.«

»Tausend vollkommene Heilungen.«, sagte Hellberg leise. Es war ihm, als stocke ihm der Atem. »Und trotzdem verbietet man jetzt das HTS?«

Dr. Zeijnilagic griff zu den Zigaretten und steckte sich eine an. Jetzt, wo er rauchte, sah Hellberg, wie nervös und aufgewühlt er innerlich war. Seine gepflegten Finger zitterten leicht.

»Es ist einfach, einem Mann sein Lebenswerk zu zerstören«, sagte Dr. Zeijnilagic ohne Bitterkeit in der Stimme. »Ein Gremium von fünfzehn Ärzten, das das Gesundheitsministerium in Belgrad eingesetzt hat, kam zu negativen Ergebnissen. Ein harmloses Mittel, sagten die einen. Gefährlich in den Nebenwirkungen, die anderen. Die fünfzehn wurden sich nicht einig . aber Belgrad verbot vorgestern das HTS mit der Begründung, die unkontrollierte Herstellung und Abgabe solle damit verhindert werden. Aber kein Wort gegen HTS selbst! Der Neid meiner Kollegen ist eben stärker.«

»Und die Kranken?«

»Sie saßen noch gestern auf meiner Treppe und weinten und bettelten, und ich konnte ihnen kein HTS geben! Ich habe mit ihnen geweint.«

Das klang nicht dramatisch. Es klang einfach wahr. Hellberg sah auf seine Hände.

»Ich werde Ihnen helfen, Dr. Zeijnilagic«, sagte er fest. »Ich glaube an Sie und Ihr HTS!«

Dr. Zeijnilagic sprang auf. Mit großen Schritten ging er um den ovalen Tisch herum. Seine Familie verfolgte ihn mit den Blicken.

»Man soll mich doch nicht a priori verdammen!« sagte er laut. »Man soll prüfen, prüfen, prüfen! Ich kann sagen, was ich wilclass="underline" Entweder glaubt man mir, oder man verdammt mich. Aber keiner geht wissenschaftlich an die Sache heran. Nichts wünsche ich mehr als die klinische Erprobung auf breiter, wissenschaftlicher Basis. In Italien fangen ein paar Kliniken damit an - aber sonst? Man schweigt einfach! Warum? Geht es nicht um Millionen hoffnungsloser Krebskranker? Warum prüft man nicht in aller Welt mein HTS? Dem Resultat einer solchen weltweiten Untersuchung werde ich mich beugen.«

Frank Hellberg nickte. Er war versucht, aufzuspringen und den Arzt zu umarmen.

»Ich werde diesen Aufruf in die Welt hinaustrommeln!« rief er. »Ich werde so lange rufen, bis man es hört . hören muß! Und wenn die Kranken Sturm laufen gegen die Borniertheit der Schulmedizin!«

Dr. Zeijnilagic lächelte nachsichtig, gerührt vom Enthusiasmus Hellbergs.

»Ich habe eine hohe Achtung vor den Deutschen«, sagte er. »Ich hoffe sehr, daß auch in Deutschland einmal klinische Versuche mit HTS gemacht werden. Ich kenne die Deutschen als ernsthafte, ehrliche und unvoreingenommene Forscher.« (Anmerkung des Verfassers: Wörtliches Zitat aus einem Interview mit Dr. Z. in Sarajewo)

»Es wird eines Tages soweit kommen«, sagte Hellberg und erhob sich gleichfalls. »Man kann daran nicht vorübergehen, wenn man ein ärztliches Gewissen hat! Man kann Wunder nicht ignorieren.«