»Ja, genau so, mein Freund. Und das ist das Ende der steilen Karriere der zweiten Posaune.«
Sieh an! Der zweite Posaunist, der in die Dirigentin verliebt war! Das hätte ich nicht gedacht!
Schnell schaute ich mich im Zimmer um, ob alles in Ordnung war und stürzte ins Bad. Ich stellte mich rechts hinter die Tür neben die Wanne. Die Zeit der gelesenen Abenteuer, erregend und lustig, war zu Ende. Jetzt begannen die realen, die entsetzlichen und widerlichen Abenteuer.
Alexandra Bermann betrat das Zimmer fünf Minuten später. Die ganze Zeit über stand ich im Bad in der Dunkelheit und die Schlange umschlang fest meinen rechten Arm. Sie war bereit zu töten. Ich — nicht, sie — schon. Sie hatte es einfacher, sie war dafür geschaffen worden.
Die Zimmertür schlug zu und ganz in der Nähe ertönten Schritte. Etwas fiel auf den Fußboden. So zu stehen und zu warten war unerträglich, ich wollte beobachten, was passierte, ich hielt das Warten nicht aus. Die Tür zum Bad war nicht eingeklinkt, es gab einen schmalen Spalt, durch den ich vorsichtig blickte.
Das Mädchen stand am Fenster und sah nach unten. Von hinten schien sie noch jünger als ich zu sein. Mit hellen, lockigen Haaren in einem Schottenrock und einer sumpfbraunen Bluse. In den Ohren blitzten winzige Ohrringe.
Verdammt, wie ungünstig. Sähe sie wenigstens aus wie ein fetter Kloß, wäre es um sie nicht schade, und mir fiele es leichter, sie zu töten…
Das Mädchen nahm ihre Hände an die Brust. Mir war nicht gleich klar, was sie machte — bis Alexandra Bermann ihre Bluse von sich warf und nachlässig auf den Boden fallen ließ.
Mist!
Da riss ich mich von dem Spalt los. Meine Ohren fingen an zu brennen. Das war einfach widerlich! Nicht nur, dass ich in ihren Sachen gewühlt hatte und sie gleich töten würde, ich beobachtete sie auch noch dabei, wie sie sich umzog!
Als ich wieder hinschaute, zog Alexandra schon den Rock aus und stand nur noch in Höschen und Büstenhalter da. Der BH war übrigens rein symbolisch…
»Wie ich diese Klamotten hasse!«, rief Alexandra plötzlich laut und leidenschaftlich aus. Sie hatte den singenden Akzent des Edem, und deshalb schien es, als ob sie nicht fluchen, sondern ein Gedicht vortragen würde. Alexandra führte ihre Hände auf den Rücken und öffnete den Verschluss des BH. Sofort trieb es mich von der Tür weg, ich trat zurück, bis meine Knie an das Bidet stießen. Ich hielt inne und stützte mich mit der rechten Hand vorn ab.
Es sah ganz so aus, als ob Alexandra duschen wollte und sich deshalb auszog.
Das hieß, ich würde, gleich wenn sie hereinkäme, zuschlagen. Damit sie nicht erschrak und sich schämte…
Warum, warum nur traf es gerade mich, sie zu töten?
Die barfüßigen Schritte auf dem Teppich waren kaum zu hören, aber ich konnte sie spüren. Gleichzeitig federte das Schlangenschwert auf meiner Hand, spannte sich an und vibrierte leicht, um das Plasmageschoss aufzuladen.
Hauptsache, ich erschrak nicht…
Das Licht ging an und gleichzeitig wurde die Tür geöffnet.
Es war das Licht, das mich zurückhielt. Es ließ mich den Bruchteil einer Sekunde zögern und nicht sofort schießen, gleich als die Tür geöffnet wurde.
Ich stand da und hatte den Arm mit dem zum Schuss bereiten Schlangenschwert ausgestreckt.
Und vor mir in der Türöffnung stand ein nackter Junge.
Ein Junge!
Was sollte das denn, führte Bermann etwa alle an der Nase herum, hatte er womöglich gar keine Tochter, sondern einen Sohn?
»Wenn ich dich bei etwas gestört habe, komme ich später wieder«, sagte derjenige kaltblütig, den man für die Tochter Bermanns hielt. »Aber normalerweise schließt man ab.«
Sein singender Akzent war verschwunden. Jetzt sprach er schärfer, so wie auf dem Avalon. Und die Stimme kam mir bekannt vor. Das Gesicht ebenfalls… wenn man sich diese lächerlichen Locken wegdachte…
Ich entfernte mich vom Bidet, zielte aber trotzdem mit dem Schlangenschwert auf das falsche Mädchen. Woher kenne ich sie… ihn nur?, dachte ich.
»Was, zum Teufel, machst du hier, Tikkirej?«, fragte der Junge.
»Wer bist du?«, rief ich aus.
»Der Kerl im Mantel! Planet Avalon, Stadt Camelot, Institut für experimentelle Soziologie, sechster Fahrstuhl, Stockwerk zweieinhalb. Was machst du hier, du Unglücksrabe?«
Ich senkte meinen Arm und die Schlange zog sich in den Ärmel zurück. Ich hatte den kleinen Phagen erkannt, der Lion und mir geraten hatte, nicht nach Neu-Kuweit zu fliegen.
»Was bedeutet das…«, flüsterte ich. »Und wo ist Alexandra Bermann?«
»Unter Hausarrest, zusammen mit ihrem Papachen. Wenn du es dir mit dem Schießen überlegt hast, ziehe ich mich erst einmal an.«
Ich schluckte und nickte. Das heißt… an Stelle des echten Bermann und seiner Tochter sind Phagen eingereist?
Und ich hätte beinahe geschossen…
»Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, wenn die Peitsche bei meinem Erscheinen nicht losging, bedeutet das, dass du nicht bereit warst zu töten«, meinte der Junge aus dem Zimmer, als ob er meine Gedanken gelesen hätte.
Auf steifen Beinen verließ ich das Bad. Der kleine Phag war schon fertig angezogen. Das war mehr als schnell. Statt Rock und Bluse trug er Jeans, Turnschuhe und ein kariertes Hemd — Unisexkleidung, die von Mädchen und Jungs akzeptiert wird. Es war offensichtlich, dass es ihm nicht gefiel, in Mädchensachen herumzulaufen.
»Wie heißt du?«, erkundigte ich mich.
»Alexander«, nuschelte der Junge und befestigte wütend die Ohrclips. »Was machst du hier und wie bist du hier hereingekommen?«
»Der Untergrund hat beschlossen, euch zu liquidieren…«
»Die Ohren sollte man euch abreißen«, meinte Alexander träumerisch, »die Ohren abreißen, durchwalken und in eine Schule für Schwererziehbare stecken.«
»Da war ich schon…« Und da traf mich der Schlag! »Dein Vater! Ist er auch…«
Alexander wurde blass. Er sagte: »Komm! Nein, warte!«
Zuerst schaute er auf den Korridor, dann nickte er mir zu und lief los. Ich folgte ihm.
Die Tür zu Bermanns Zimmer stand offen. Wir stürmten fast gleichzeitig hinein.
Mitten im Zimmers stand ein dicker, glatzköpfiger Alter und schaute nachdenklich auf Lion und Natascha. Sie lagen auf dem Bett, bewegungs- und willenlos, aber lebendig.
»Höhere Gewalt«, sagte der alte »Bermann«. Er schaute mich an und schüttelte den Kopf.
»Und was für eine höhere Gewalt…«
»Dein Tikki hätte mich beinahe erschossen«, beklagte sich Alexander böse. »Wie geht es dir?«
»Das gibt eine Beule«, erwiderte der falsche Oligarch und berührte mit seiner Hand den Hinterkopf. »Lion hat ein erstaunliches Reaktionsvermögen. Für einen normalen Menschen natürlich. Er hat mich ein wenig erwischt.«
»Selber schuld«, erwiderte Alexander ohne jegliche Unterwürfigkeit.
»Kusch dich…«, wies ihn der Alte zurecht und fragte mich: »Tikkirej,kannstdugenauberichten,wie ihr hierhergekommen seid? Oder bleibst du weiter stumm wie ein Fisch?«
»Stasj«, stammelte ich. In meinen Augen brannte es ekelhaft. »Stasj…«
Nur die Augen verrieten ihn. Sie waren ebenfalls gealtert, getrübt, als ob sie Farbe verloren hätten, aber ihr Blick war unverändert.
»Stasj«, wiederholte ich einfältig zum dritten Mal und fing an zu weinen.
Der Phag war mit wenigen Schritten bei mir. Er umarmte mich und drückte mich an sich. Sein Bauch war dick und warm wie ein echter. Sogar die Hände erschienen gealtert, mit hervortretenden Venen und blasser Haut.
»Na, hör schon auf… Es ist alles in Ordnung, Tikkirej. Die anderen kommen gleich wieder zu sich… Beruhige dich!«
»Überhaupt nichts ist in Ordnung. Wir sind umsonst hierhergekommen, haben alles falsch gemacht, hätten euch fast umgebracht…«, murmelte ich. Meine Tränen waren mir peinlich.
Alexander hatte sicherlich noch niemals in seinem Leben geweint.
»Es ist nicht so einfach, uns zu töten, mein Kleiner. Wer ist das Mädchen?«
»Natascha… vom Untergrund.«
»Ihr seid hier völlig verwildert!«, meinte Stasj erbost. »Mädchen sollten nicht töten! Noch dazu im Nahkampf! Ihr macht sie zu psychischen Krüppeln! Das ist nichts für Frauen!«