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»Aber die Macht muss ehrlich gewählt werden«, gab ich zu bedenken. »Die Menschen selbst müssen den Wechsel des Machthabers wünschen.«

»Das Volk entscheidet niemals und nichts selbst«, entgegnete Oma Ada. »Das Volk wählt die Macht, die ihnen am besten die Köpfe verdrehen kann.«

»Auch wenn eine Macht betrügt und Versprechungen gibt«, wandte ich ein, »nimmt sie nicht die Fähigkeit zum Denken!«

»Die Mehrheit der Menschen hat niemals von dieser Fähigkeit Gebrauch gemacht«, meinte Oma Ada. »Und diejenigen, die wie auch immer denken können, sie waren und sind die Macht.«

»Immer, wenn ein Machtwechsel nötig war, erfolgte er auch«, argumentierte ich. »Eine ewige Macht wäre das Ende der Menschheit.«

»Es gibt keine ewige Macht, mein Junge«, erwiderte Oma Ada. »Ja, die Föderation des Inej wird lange herrschen, aber auch sie wird abtreten müssen.«

»Die Präsidentin Inna Snow wird niemals jemandem die Macht überlassen«, sagte ich. »Sie hat sich geklont, die Macht wird von einem Klon zum anderen übergehen!«

»Ihre Klone sind selbständige Persönlichkeiten«, antwortete Oma Ada. »Wenn auch der Unterschied zwischen ihnen nicht groß ist, so wird er doch wachsen und die Menschheit wird einen neuen Weg beschreiten.«

»Ist es etwa ehrlich, wenn ein einziger Mensch die Macht immer wieder an sich selbst weitergibt?«, gab ich zu bedenken. »Dagegen hat jeder Bürger die Chance, mag sie auch noch so winzig sein, der neue Imperator zu werden!«

»Die Chance, ein Klon der Präsidentin zu sein, hat auch jeder Bürger«, meinte Oma Ada. »In der ganzen Galaxie leben Männer und Frauen, Jungen und Mädchen mit ihrem genetischen Material.«

An mir zog ein nebelhaftes Gaukelbild vorbei. Ich fragte leise: »Wie geht das?«

»Es betrifft nicht die Klone. Nicht nur die Klone, obwohl mit ihnen alles begann. Vor langer Zeit lebte ein Mensch, der sich vornahm, die Welt zu verändern. Sie besser und sauberer zu machen. Er klonte sich… aber nicht als Mann, sondern als Frau. Du kennst dich doch ein wenig in Genetik aus, mein Junge?«

Ich nickte. Ja, ich wusste, dass Männer sich weibliche Klone schaffen konnten, aber umgedreht war es nicht möglich. Alles wegen des Y-Chromosoms, das bei den Frauen fehlt.

»Einen Klon zu erschaffen ist nicht besonders schwer«, fuhr Oma Ada fort. »Ihn beschleunigt zu einem erwachsenen Wesen zu entwickeln — auch nicht. Schon schwieriger ist es, das eigene Bewusstsein in ein fremdes Gehirn zu übertragen und dabei die geistige Gesundheit zu erhalten. Ihm gelang es. Vielleicht hatte er einfach nur Glück. Vielleicht war auch der Mensch, der sich diese Aufgabe stellte, nicht ganz beieinander.«

Sie lächelte.

»Er selbst, die Matrize, wie die Genetiker sagen, und sein weiblicher Klon wollten nur das Eine: die Menschheit glücklicher machen. Auf ewig Krieg, Krankheit, Armut und Ungerechtigkeit abschaffen. Die Menschen vor den Fremden absichern. Und für die Verwirklichung dieses Plans brauchten sie Macht… die höchste Macht. Verstehst du?«

»Ja.«

»Aber dabei trennten sich ihre Wege. Die Matrize… der Mann… wollte leise und unauffällig die Macht ausüben. Auf die Entwicklung der Welt einwirken, ohne sich mit der Bürde der höchsten Macht zu belasten. Die Frau entschied sich dafür, das politische System der Menschheit zu verändern. Und so trennten sich ihre Wege. Ihnen war klar, dass sie anderenfalls gegeneinander um die Macht kämpfen müssten. Sie blieben Freunde, verabschiedeten sich voneinander und trennten sich für immer. Und gaben sich das Versprechen, zu siegen. Der Mann führte seine stille und unauffällige Arbeit weiter, er erforschte das menschliche Genom, um die Welt von innen heraus zu verändern, die Hülle des Imperiums zu erhalten, sie aber mit einer neuen Menschheit zu füllen. Die Frau ging anders an die Sache heran. Das war vor langer Zeit, etwa vor einem halben Jahrhundert. Die Menschheit verbreitete sich zusehends im ganzen Weltraum. Es wurden Menschen gebraucht. Und die Frau wurde eine Spenderin.«

Oma Ada fing an zu lachen.

»Ich verstehe«, nahm ich ihren Gedankengang auf. »Ich hatte schon Genetik. Ich weiß, dass man oft Kinder im Geschäft kauft, das künftige Kind wird dort aus einer Kartothek ausgesucht.«

»Genau. Die Frau hatte zweitausend Kinder in der gesamten Galaxie. Alle zu verschiedenen Zeiten, die letzten noch vor zehn Jahren. Und obwohl das nicht erlaubt war, hatte sie es ermöglicht, das Schicksal eines jeden Klons zu verfolgen.«

»Eines Klons?«

»Ja. Die Mädchen waren ihre identischen Klone, die Jungen die ihrer Matrize. Sie wuchsen heran… und erhielten zu einem bestimmten Zeitpunkt das vollständige Gedächtnis ihrer Ahnin. Natürlich nicht alle… nur diejenigen, die bereits die ersten Stufen zur Macht erklommen hatten. Diejenigen, die mit der Verschmelzung des Bewusstseins und der Übernahme der Erfahrung ihrer Matrize einverstanden waren. Und eine dieser Frauen, Inna Snow, fand heraus, wie man das Bewusstsein über die Neuroshunts beeinflussen und dadurch nach und nach richtiges Verhalten programmieren konnte.«

»Also ist Inna Snow gar nicht die Matrize«, flüsterte ich. »Was sind wir nur für Idioten…«

»Nein, sie ist nicht die Matrize. Sie regiert wirklich, aber die strategischen Entscheidungen werden von den Klonen gemeinsam getroffen. Wenn Inna Snow stirbt, wird einer der Klone, der ihr in Alter, Temperament und Fähigkeiten ähnelt, ihren Platz einnehmen. Also ist die Präsidentin Inna Snow wirklich unsterblich… so gut wie unsterblich.«

»Dann ist ja klar, warum sie einen Schleier trägt«, sagte ich. »Sie würde so viele Zwillinge haben, dass sich die Leute Gedanken darüber machen würden!«

»Sicher. Die Geheimdienste des Imperators würden sich sofort mit den Klonen befassen, die auf den Planeten des Imperiums leben. Es sind nicht mehr allzu viele, die Mehrheit ahnt nichts davon, aber trotzdem… warum sollte man dem Feind zusätzliche Trümpfe in die Hand geben?«

»Inna Snow…«, sprach ich vor mich hin. »Inna Snow… Alla Neige?«

Oma Ada lächelte:

»Kluges Kerlchen. Die Namen aller weiblichen Klone entsprechen einem gemeinsamen Prinzip — meistens vier Buchstaben, in der Mitte zwei Konsonanten, manchmal auch nur einer. Inna, Inga, Anna, Ada… Die Familiennamen sind auf diese oder jene Weise mit ›Schnee‹ verbunden: Moros, Winter, Snjeg, Eis, Froid — in allen Sprachen der Welt.«

»Elli«, sagte ich. »Sie gehört zu den allerletzten, stimmt’s?«

»Stimmt.« Die Alte nickte. »Elli Cold.«

»Und wie heißen Sie?«, wollte ich wissen. »Ada Eis?«

»Schnee«, antwortete Oma Ada. »Als ich geboren und mir meiner selbst bewusst wurde… und das war ziemlich eigenartig, sich auf einmal in einem fremden Körper wiederzufinden… in einem Frauenkörper… hatte es draußen mächtig geschneit. Eduard nahm mich an die Hand und führte mich aus dem Labor. Wir tranken im Schneegestöber Wodka, starken russischen Wodka, tanzten, hielten uns an den Händen und lachten beim Gedanken an unsere Verrücktheit.«

»Verrücktheit?«, wiederholte ich. Und stellte mir vor, wie Mann und Frau, die in Wirklichkeit ein und dasselbe sind, im Schnee tanzen.

Wie furchtbar.

»Wie soll man es sonst nennen? Natürlich ist das verrückt. Ich wählte den Namen Ada, der gut zum Namen meiner Matrize passte. Den Familiennamen — Garlitzki — beschloss ich zu ändern. Ada Eis klang zu aggressiv. Ich suchte mir Schnee aus.«

»Ich werde Sie töten«, rief ich. Ich streckte meine Hand aus und spürte, dass die Schlange im Ärmel schon seit langem zum Angriff bereit war. »Ich bringe Sie um, Ada Schnee!«

Die Alte lächelte. »Mir hat es entschieden besser gefallen, als du mich Oma Ada genannt hast!«

»Das werden Sie überstehen. Sie sind nicht meine Oma«, flüsterte ich.

»Natürlich bin ich nicht deine Oma. Ich bin deine Matrize, Tikkirej Frost.«

Kapitel 5

Ich hatte nie darüber nachgedacht, warum ich einen anderen Familiennamen als meine Eltern trug. Auch nicht, als ich mit Mama in der »Kinderwelt« gewesen war und wir die Kartothek durchgeblätterthatten,ummireinzukünftiges Geschwisterchen auszusuchen, für den Fall, dass die Eltern reich würden. Alle Kinder in der Kartothek hatten bereits Vor- und Familiennamen, es war üblich, dass diese von den biologischen Eltern gegeben wurden. Deshalb war es nicht schwer, dahinterzukommen… Aber ich hatte niemals derartige Gedanken gehegt. Vielleicht deshalb, weil fast alle meine Klassenkameraden von ihren Eltern im Geschäft gekauft worden waren, da die Ärzte nicht empfahlen, sich auf Karijer natürliche Kinder anzuschaffen.