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Mich hat das eigentlich nie interessiert.

Aber ein Klon von Ada Schnee wollte ich nicht sein.

»Das ist nicht wahr«, sagte ich. »Sie lügen.«

»Na ja, ich bin nicht ganz deine Matrize, Freundchen. Eher sind wir Klon-Bruder und Klon-Schwester, da du ein Klon von Eduard Garlitzki, meiner Matrize, bist. Einer seiner letzten Klone.«

»Das ist nicht wahr«, wiederholte ich. Und ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.

Ich hatte keinen Bruder bekommen. Und keine Schwester. Die Eltern schafften es nicht, reich zu werden. Dabei hatten wir uns schon für ein Mädchen entschieden — nach der Computermodellation von Charakter und Aussehen. Sie war sehr lustig und quirlig, sie gefiel den Eltern und mir außerordentlich. Ich hätte lieber eine Schwester als einen Bruder gehabt.

Und hier war nun meine Schwester. Und das ekelhafte Mädchen Elli war auch meine Schwester. Und die nette Anna aus dem Motel. Und die Direktorin des College. Und die Präsidentin Inna Snow.

Und außerdem gab es noch einen Haufen Brüder.

»Es ist die Wahrheit, Tikkirej«, sprach Oma Ada. »Und du weißt, dass ich nicht lüge. Warum hätte ich mich wohl mit dir abgeben sollen, was glaubst du wohl?«

»Ich brauche Sie nicht!« Ich wich zurück, bis ich mit den Ellenbogen an die Wand stieß. Oma Ada saß da, schaute mich kurz an und schwieg. »Ich lasse Sie nicht in mein Gehirn eindringen!«

»Niemand hat vor, dich dazu zu zwingen«, erwiderte Oma Ada, auf einmal erbost. »Alle diejenigen, die es abgelehnt haben, ihr Bewusstsein zu vereinigen, leben ihr eigenes Leben! Das Einzige, was von dir gefordert wird, ist, dass du auf unserer Seite stehst.«

»Wieso?« In meiner Panik glaubte ich, dass man mich in irgendeinen Apparat wie die Flasche für Module stecken könnte. Und mich zwingen würde, für sie zu arbeiten.

»Unser Gehirn ist ein zu kostbares Instrument, um es dem Gegner in die Hände zu geben«, meinte Oma Ada ernsthaft. »Wir alle sind talentiert, jeder auf seine eigene Art, aber talentiert. Wenn du schon aus irgendeinem Grund nicht auf unserer Seite stehen willst, dann sei auch nicht gegen uns.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Setz dich, Tikkirej!«, kommandierte Oma Ada unbarmherzig. Und ich spürte in ihrer Stimme dieselbe Intonation, derer sich sowohl die Phagen als auch Inna Snow bedienen konnten. Das nennt sich imperative Sprache. Zuerst folgt der Mensch, und danach beginnt er zu denken…

Meine Gedanken führte ich auf dem Fußboden sitzend zu Ende.

»Tikkirej Frost, wir haben dich zu spät entdeckt«, fuhr Oma Ada fort. »Erst nach deiner Flucht vom Karijer und deinem Auftauchen auf Neu-Kuweit. Es wurde beschlossen, nichts zu unternehmen, der Planet wurde sowieso auf die Vereinigung vorbereitet. Aber du warst verschwunden. Die Phagen haben trotz allem herausgefunden, wer du bist.«

»Stasj wusste nicht, wer ich bin!«

»Er wusste es nicht? Und ihr wart zufällig im selben Motel? Und er hat sich einfach so dazu entschieden, dir zu helfen?«

»Ja!«

Oma Ada schüttelte voller Zweifel den Kopf. »Und was glaubst du, warum sie dich zurückgeschickt haben? Das schwierige und teure Unternehmen, wieso?«

Ich schwieg.

»Den Phagen war klar, dass ihnen ein Juwel in die Hände gefallen ist.« Oma Ada lächelte. »Aber sie wussten nichts damit anzufangen. Inna Snow erpressen? Das wäre dumm. Wir hätten wegen eines Klons keine Zugeständnisse gemacht. Daraufhin beschlossen sie, dich als Köder zu verwenden. Nach Neu-Kuweit zurückzubringen und zu beobachten, was passieren wird. Wer den Kontakt zu dir sucht, welche Kräfte beteiligt sind. Du wurdest benutzt, verstehst du das? Deine wohlwollenden Phagen haben dich, einen völlig unschuldigen Jungen, benutzt!«

»Was ist ihnen denn anderes übrig geblieben?«, rief ich. »Ihr habt Millionen Menschen zu Zombies gemacht! Die waren auch völlig unschuldig!«

»Die Menschen machen sich seit Hunderten von Jahren selbst zu Zombies. Sie betrügen, übertreiben, lügen, denken sich etwas aus, schwindeln. Jeder Politiker ist regelrecht verpflichtet, seine Wähler zu belügen.«

»Aber nicht so! Nicht auf ewig!«

»Wer hat dir gesagt, Tikkirej, dass diese Menschen für immer Zombies bleiben?« Oma Ada lächelte wieder. »Wenn du möchtest, verrate ich dir ein Geheimnis. Unter Verwandten. Die Programmierung der Persönlichkeit hält ungefähr drei Monate an. Dann verblasst die Wirkung.«

»Sie lügen! Auf Inej sind die Menschen seit langem hirnamputiert, sie sind es bis heute!«

»Das ist alles ganz einfach, Tikkirej. Man muss einem Menschen nicht für ewig das Gehirn zurechtrücken. Es reicht aus, wenn er begonnen hat, ein anderes Leben zu führen, andere Ideale zu schätzen, auf eine andere Flagge schwört, einem anderen Glauben anhängt. Wenigstens ein bisschen — und er gewöhnt sich daran. Weißt du, weshalb? In Wirklichkeit interessiert es niemanden, wer regiert. Für niemanden ist es von Bedeutung, ob die neue Macht die alte auf ehrliche oder unehrliche Weise besiegt hat. Die Hauptsache ist, dass im Teller Suppe und in der Suppe ein Stück Fleisch ist, man ein Dach über dem Kopf hat, im Fernsehen die geliebte Serie läuft und sich auf den Straßen nicht allzu viele Diebe und Rowdys herumtreiben. Das, Tikkirej, ist die Hauptsache. Tierische Instinkte, einfachste Bedürfnisse. Alles andere sind Trägheit und Faulheit. Alle Revolutionen erfolgten, nachdem man den Menschen die Erfüllung der einfachsten Bedürfnisse verweigert hatte. Diese Revolution ist viel humaner. Wir haben das Imperium nicht zerstört, es zu Hunger und Unruhen kommen lassen, obwohl das einfach ist, Tikkirej, ganz einfach! An Stelle dessen lenkten wir die menschliche Trägheit in andere Bahnen. Die Menschen haben sich nicht verändert. Sie sind nicht schlechter geworden.«

»Das stimmt nicht«, erwiderte ich. »Ich habe einen kleinen Jungen gesehen. Er hat Krieg gespielt und seine Spielsachen zertrampelt. Ich habe die Menschenmenge erlebt, als Inna Snow Tien verächtlich gemacht hat…«

»Kleine Jungs spielen schon immer Krieg und zertrampeln ihre Spielsachen. Die Menge verachtet schon immer denjenigen, der sie durchschreitet. In einigen Monaten werden alle Bewohner Neu-Kuweits wieder normal sein. Aber die kleinen Jungs werden weiterhin ihre Spielzeuge zertrampeln. Die Menge wird trotzdem ›Töte!‹ schreien. Genauso verhält sich die Menge auf den Planeten des Imperiums. Genauso spielen die Kinder des Imperiums Krieg gegen Inej.«

Oma Ada erhob sich. Sie kam auf mich zu und dieses Mal versuchte ich erst gar nicht auszuweichen. Vielleicht, weil ich nirgendwohin konnte. Vielleicht war ich einfach nur müde.

»Mein armes, kleines Brüderchen«, sagte Oma Ada zärtlich. »Mein irregeleiteter, verwirrter Kleiner. Du bist auf einem ungeheuer grausamen Planeten aufgewachsen und schuld daran ist dein geliebter Imperator. Du hast dort nur Härte und Grausamkeit kennen gelernt, deshalb hast du dich wegen ein paar Koseworten in einen Mörder und Terroristen verliebt. Aber jetzt wird alles anders…«

Sie streichelte meine Wange. Dabei kamen mir träge und unpassende Gedanken in den Sinn, dass mich meine echten Großmütter nicht einmal gesehen hatten. Höchstens, dass sie mit Mama und Papa in der »Kinderwelt« waren und die Computermodellierung angeschaut hatten. Tikkirej Frost, Junge. Modifiziert für Planeten mit erhöhter Radioaktivität. Voraussichtliches Aussehen bei der Geburt, im Alter von drei, fünf, zehn, fünfzehn Jahren… Intelligent, wissbegierig, leicht störrisch, in Maßen auch selbstbewusst.