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Und sehr naiv.

Obwohl nein, Unzulänglichkeiten werden nach Möglichkeit ausgespart. Beziehungsweise wird so formuliert, als ob sie eine Errungenschaft wären. An Stelle von »naiv« hätte man »vertrauensvoll« geschrieben.

Und an Stelle von »willensschwach, wechselt leicht seine Freunde« hieße es »ist leicht zu überzeugen und äußerst kommunikativ« …

»Sterben Sie, Ada Schnee!«, rief ich.

Und die Schlange an meinem Arm spuckte einen beeindruckenden Plasmaklumpen aus.

Die Alte schrie auf, als sie mit ausgerenkter Schulter und einem hilflos herabhängenden rechten Arm von mir weggestoßen wurde. Das Blut floss in mehreren dünnen Rinnsalen. Die Ladung war zu schwach, um die Schulter zu verbrennen, sodass sie wie durch einen starken Beilhieb ausgerenkt wurde.

Im nächsten Augenblick kehrte sich im Zimmer das Innere nach außen.

Die Tür flog auf und einige Gestalten, die an verschwommene graue Schatten erinnerten, glitten ins Zimmer. Hinter den Wänden ertönte Lärm und an einigen Stellen sah ich eine Flammenlinie — mit Hilfe von Brennern wurde sich Zutritt verschafft.

Die Schlange drehte regelrecht durch. Ich schaffte es nicht einmal, einen Gedanken zu fassen, als mein Körper gedreht und in die Ecke, hinter den zweifelhaften Schutz eines Tisches, geworfen wurde. Wie kam das denn zustande? Konnte das Schlangenschwert über meine Muskeln bestimmen?

Die grauen Schatten schossen ihre Flammen ins Leere, dorthin, wo ich eben noch saß, die Steinwand schlug unter den Strahlen der schweren Blaster Blasen wie Asphalt in praller Sonne. Die Schlange schoss erneut auf die Angreifer — mit kurzen, sparsamen Garben, winzigen, weiß glühenden Kügelchen, wie mit feurigem Schrot. Die Masken und Tarnanzüge schalteten sich augenblicklich ab und die Leibwächter von Ada Schnee wurden tödlich getroffen oder verwundet. Ich sprang auf, hechtete über sich krümmende Körper und lief Richtung Tür.

»Nicht töten!«, hörte ich hinter mir die Stimme Oma Adas. »Nicht töten!«

Eine harte, kalte Welle traf mich in den Rücken.

Fühlt es sich etwa so an, wenn man stirbt?

Die Beine knickten ein, die Arme wurden kraftlos, sogar das Atmen fiel schwer. Aber ich lief weiter, die Schlange zog meinen Körper, zwang die Beine weiterzuschreiten — unter immer neuen Schlägen der Paralysatoren.

Ich lief, bis die lähmenden Strahlen meine Nerven dermaßen blockierten, dass auch die Schlange nicht mehr in der Lage war, meine Muskeln zu zwingen, sich zu bewegen. Der Boden kam auf mein Gesicht zu, vor meinen Augen sah ich Blut, das aus meiner zerschlagenen Nase lief, aber ich spürte keinen Schmerz. Fremde starke Hände drehten mich um, durchsuchten mich, rissen mir die Kleidung vom Leib, und einige Gestalten mit Schutzfeldpanzerung rissen mir das Schwert weg, als ob sie eine giftige Schlange gefangen hätten.

Von weit her, wie durch eine dicke Decke, vernahm ich die Stimme Oma Adas: »Bringt den Jungen ins Lazarett! Ihr haftet mit eurem Kopf für ihn!«

Aber nach kurzer Zeit, als sie selbst ins Lazarett gebracht wurde, schlugen sie auf mich ein.

Gut, dass es überhaupt nicht wehtat. An das Lazarett konnte ich mich so gut wie nicht erinnern. Ich hatte den Eindruck, dass es weder die Krankenstation auf dem Kosmodrom noch ein städtisches Krankenhaus war, sondern ein Kriegslazarett auf einem Raumschiff, das im Hafen stationiert war. Dort hatte man entschieden mehr Erfahrung bei der Behandlung Gelähmter — bei Manövern wurden an Stelle echter Blaster stets Paralysatoren verwendet wie auch beim Entern im Kosmos, um die Schutzschicht nicht zu beschädigen.

Als erste neblige Erinnerung spürte ich, wie es in meinem ganzen Körper kribbelte.

Als ob ich in kaltes Wasser gesprungen wäre. Nicht schmerzhaft, eher angenehm.

Danach konnte ich die Augen öffnen. Ich erblickte einige Personen in hellgrünen Kitteln. An meinem Arm war ein Tropf angelegt, über den Körper strichen irgendwelche summenden Geräte. An den Stellen, über die sie geführt wurden, verschwand das Taubheitsgefühl.

»Lieg ruhig«, befahl man mir. Nicht gerade grob, aber ohne jegliches Mitgefühl.

Ich schloss die Augen und lag ruhig.

Ich hatte es nicht geschafft. Ich konnte Ada Schnee nicht töten. Stasj war verhaftet oder gefallen. Inej würde weiter gegen das Imperium kämpfen und wahrscheinlich gewinnen.

Vielleicht sollte es so sein?

Vielleicht hatte Ada Schnee Recht und die Föderation des Inej würde besser als das alte Imperium?

Ich bemühte mich, nicht daran zu denken.

Dann musste ich aufstehen, ich konnte mich wieder selbständig bewegen. Ich bekam Kleidung, einen etwas zu großen Schlafanzug und Hausschuhe und wurde durch Korridore geführt. Danach fehlte ein Stück Gedächtnis, vielleicht wurde ich unter dem Einfluss von Wahrheitsdrogen verhört, vielleicht war ich auch einfach nur in Ohnmacht gefallen.

Die neue Erinnerung kam unerwartet, ähnelte eher einem Traum als der Wirklichkeit: ein kleines Zimmerchen mit Doppelstockbetten, Stasj, Lion und Natascha. Ich wurde ins Bett gelegt und war eingeschlafen, kaum dass mein Gesicht das Kopfkissen berührte.

Ich erwachte durch eine gedämpfte Unterhaltung.

Stasj sprach, und zwar mit seiner normalen Stimme: »Realistisch gesehen hatte ich keine Chance. Die Gegenspionage war daran interessiert, die Handlungen zu beobachten, aber ihnen war klar, dass es zu riskant war, uns in den Kosmos fliegen zu lassen. Ehrlich gesagt, hatte ich lediglich darauf gesetzt, dass das Raumschiff startbereit war.«

»Und man konnte es nicht von Hand starten?«, fragte Lion.

»Es lag nicht am blockierten Computer. Wenn ich es richtig verstehe, wurde der Reaktor abgeschaltet. Daher fehlten dem Raumschiff augenblicklich Geschwindigkeit, Feuerkraft und die Möglichkeit der Selbstvernichtung.«

»Aber das hast du doch nicht vorab gewusst?«, fragte Lion.

»Nein, das wusste ich nicht. Sonst hätte ich den Navigationsraum gar nicht erst erobert. Niemand braucht überflüssige Opfer.«

»Aber du hast ihnen Feuer unter dem Hintern gemacht«, wurde Stasj von Lion gelobt. »Sie wissen jetzt, was ein Phag ist.«

Stasj lachte: »Das wissen sie auch so. Aber es gibt immer Grenzen, hinter denen Widerstand dumm und unnötig wird. Sieh lieber nach, wie es Tikkirej geht. Sein Atemrhythmus hat sich verändert.«

»Ich schlafe nicht«, sagte ich und setzte mich im Bett auf.

Es war doch eine Gefängniszelle. Sehr sauber, akkurat, fast gemütlich. Aber eine Zelle. Mit drei Doppelstockbetten, einem am Fußboden angeschraubten Tisch und einer Toilette in der Ecke hinter einer niedrigen Abtrennung.

Und hier fanden sich alle wieder: Stasj, immer noch mit einem gewaltigen Bauch, aber Gesicht und Hände waren seine eigenen; Lion, der auf dem Bett neben ihm saß; Alex — er lag oben und schien zu schlafen, und außerdem Natascha und… der alte Semetzki! Sie unterhielten sich leise über persönliche Dinge, Natascha nickte mir lediglich zu und wandte sich ab, um ihre verweinten Augen zu verbergen. Der alte Semetzki lächelte ermutigend. Der Invalide hatte keinen Rollstuhl, seine Beine waren in eine dünne rote Decke mit einer Inventarnummer auf einem weißen Pad gewickelt.

»Wie geht es dir, Tikkirej?«, erkundigte sich Stasj.

»Gut.« Ich wedelte mit den Armen. Der Körper bewegte sich normal, als ob ich niemals ein unbeweglicher Holzklotz gewesen wäre. »Habe ich lange geschlafen?«

»Ungefähr zwei Stunden. Es scheint ganz so, als ob du eine gehörige Portion von den Paralysatoren abbekommen hättest.«

»Ja.« Ich schaute Stasj in die Augen. »Ich habe versucht, Ada Schnee zu töten.«

»Wer ist Ada Schnee?«

War ihm dieser Name vielleicht wirklich unbekannt?

»Die Matrize«, antwortete ich kurz.

Stasj reagierte sofort. »Die Matrize von Inna Snow?«

»Ja. Stasj, hast du gewusst, dass Frau Präsidentin Snow nur eine der Klone ist?«

»Wir gingen davon aus«, sagte Stasj und nickte. Ich wandte meinen Blick nicht von ihm, und er fuhr unwillig fort: »Ja, ich wusste es, ich wusste es. Einer der von uns gefangenen Klone war nur fünf Jahre jünger als Inna Snow. Es ist kaum möglich, dass sich ein fünfjähriges Mädchen selbst klonen kann.«