Als ich in mein Häuschen zurückkehrte, war es schon sehr spät. Eigentlich hatte ich darum bitten wollen, dass Lion mitkommen durfte — wir hätten noch weitergeschwatzt, aber ich traute mich nicht.
Und das war sicher auch gut so, denn als ich eintrat, leuchtete auf dem Videoscreen das Rufsignal.
Mein erster Gedanke war völlig absurd: Ich entschied, dass das Einwanderungsministerium meinen Antrag trotz allem bevorzugt behandelt hatte.
Es war jedoch Kapitän Stasj, der mich anrief. Als ich den Empfangsknopf drückte, erschien er fast sofort auf dem Bildschirm. Ziemlich niedergeschlagen und bedrückt.
Als er mich sah, verzog sich sogar unwillkürlich sein Gesicht.
»Wie geht es dir, Tikkirej?«
»Danke, es ist fast alles weg…«
Hatte er sich dermaßen Sorgen um mich gemacht?
»Kannst du jetzt gleich in mein Cottage kommen?«
Ich nickte.
»Dann los, ich warte.«
Meine Müdigkeit verflog sofort. Das Cottage war dasselbe wie meins. Nur dass Kapitän Stasj entschieden mehr Sachen besaß. An das Terminal waren zusätzliche Blöcke angeschlossen, sie verarbeiteten irgendwelche Informationen.
»Gut, dass du gekommen bist«, meinte Stasj ziemlich abwesend. »Hör mal, Tikkirej, möchtest du etwas dazuverdienen?«
Ich lächelte: »Ich möchte schon, aber ich darf nicht.«
»Wenn ich zahle, ist es möglich. Ich bin kein Bürger Neu- Kuweits, also fallen unsere Finanzbeziehungen nicht unter das Gesetz.«
»Wirklich?«
»Ich habe einen Juristen konsultiert.«
»Ich bin bereit!«, rief ich sofort.
Stasj drohte mir mit dem Finger: »Geh niemals auf irgendwelche noch so lockenden Angebote ein, ehe du nicht die Details geklärt hast! Verstanden?«
Ich nickte.
»Also, für mich ist es notwendig, dass du dich morgen von früh bis spät in der Nähe meines Cottage herumtreibst. In einiger Entfernung, aber so, dass du sehen kannst, wer sich ihm nähert.«
»Ist etwas passiert?«
»Ja… ich habe den Verdacht, dass irgendein Dieb versucht hat, hier einzubrechen. Oder es geschafft hat…«
Stasj fiel in Schweigen und schaute nachdenklich zum Terminal. Über den Bildschirm liefen ununterbrochene Ströme von Ziffern und Kleintext.
»Haben Sie etwa kein elektronisches Sicherungssystem?«, wollte ich wissen.
»Tikkirej… für jegliche Elektronik gibt es Blockiergeräte. Viel zuverlässiger ist ein Junge, der in der Nähe spielt.«
»Und was soll ich machen, wenn jemand…«
»Nichts! Absolut nichts! Versuch bloß nicht, Lärm zu machen oder näher heranzugehen. Schau hin und präge dir alles ein, Tikkirej! Am Abend berichtest du dann.«
»Gut«, gab ich mein Einverständnis.
Morgen wollte ich mit Lion wieder an den See gehen. Doch das war nur ein Spiel, und ich benötigte dringend Geld.
Lion würde das sicherlich verstehen…
»Wie viel zahlen Sie?«, erkundigte ich mich für alle Fälle.
»Was — wie viel? Ah…«, Stasj winkte ab, »ich zahle gut, mach dir keine Sorgen. Also, kann ich mich auf dich verlassen?«
»Ja, sicher«, erwiderte ich. Mir schien, dass Kapitän Stasj eine Art Phobie hätte und er sich Widersacher einbilden würde. Aber wenn er dafür bezahlte…
»Ab neun Uhr früh. Und bis zum Abend… vielleicht bin ich gegen acht zurück. Oder gegen neun. Iss frühmorgens reichlich, nimm ein paar Hamburger mit… na, hier ist ein bisschen, aber…«
Er gab mir Geld. Fragte nach: »Eine Kreditkarte hast du nicht? Ich habe fast kein Bargeld.«
»Nein. Aber haben Sie keine Bedenken, dass man die Kreditkarte verfolgen könnte?«
Stasj lächelte: »Tikkirej, halte mich nicht für einen Paranoiker. Der aktuelle Boom des Papiergeldes ist eine Dummheit. Es ist viel einfacher, ein anonymes Bankkonto anzulegen, als die Fingerabdrücke zu wechseln. Außerdem kann ein beliebiger Neuroshunt aus der Entfernung eingesehen werden und den fälschst du nicht. Nein, ich habe keine Bedenken, eine Kreditkarte zu benutzen. Und ich rate dir, bei Gelegenheit auch eine anzuschaffen.«
Ein wenig beschämt nickte ich.
»Geh, Tikkirej«, wies Stasj an, »schlaf dich aus…«
Ich war schon an der Tür, als mich seine Frage einholte:
»Tikkirej… sag mal…«
Ich schaute zurück.
»Hast du wirklich vor, auf Neu-Kuweit zu bleiben? Willst du nicht dein Glück auf einem anderen Planeten versuchen?«, fragte Stasj.
Ich wunderte mich. »Mir gefällt es hier sehr gut. Und für einen neuen Flug habe ich kein Geld. Ist Neu-Kuweit etwa ein schlechter Planet?«
»Ein guter«, stimmte Stasj zu, »ein wenig eingerostet, aber gut. Okay, mach dir darüber keine Gedanken! Gute Nacht.«
Ich ging. Er setzte sich ans Terminal und, so nahm ich an, vergaß mich augenblicklich. Lion war mir nicht böse. Kein bisschen. Im Gegenteil, er war von diesem Abenteuer begeistert.
»Hat er wirklich noch alle Tassen im Schrank?«, fragte er geschäftig. »Es gibt solche Irren, die andauernd glauben, dass sie verfolgt werden. Sie benutzen keine Kreditkarten, an den Terminals schalten sie alle Zugänge aus…«
»Er benutzt eine Kreditkarte«, nuschelte ich. »Nein, er ist eigenartig, aber nicht verrückt. Vielleicht hat er auch wirklich Feinde?«
»Dann ist es gefährlich«, entschied Lion, »aber interessant. Weißt du was? Wir klettern aufs Dach deines Hauses und sonnen uns. Von dort aus müsste alles gut zu sehen sein. Dann gehen wir ins Café am Moteleingang. Von dort aus kann man auch beobachten. Und danach… danach setzen wir uns noch irgendwohin. Wir dürfen nicht den ganzen Tag an einer Stelle bleiben, sonst ist es offensichtlich, dass wir aufpassen.«
»Ich teile das Geld mit dir, das mir Stasj gibt«, versprach ich.
Ich fragte Stasj nicht um Erlaubnis und berichtete Lion alles aus Eigeninitiative. Denn ich vertraute Lion und war mir sicher, dass er niemandem davon erzählte.
Wir kauften Cola und Popcorn, zogen den Videoscreen auf das Flachdach meines Cottage, damit es nicht langweilig wurde, und begannen mit dem Sonnenbad. Ich habe eine ziemlich dunkle Haut, Lion auch, sodass wir keine Angst vor Sonnenbrand hatten. Seine Mutter gab uns trotzdem Sonnencreme.
»Du hast überhaupt Glück mit Abenteuern«, meinte Lion, der in der Hocke saß und sich seine Knie eincremte. »Du besitzt die echte Staatsbürgerschaft des Imperiums, das ist Nummer eins. Ich muss noch zwei Jahre lang wie ein Schwachkopf mit dem Kinderausweis herumlaufen. Dann bist du als Modul auf einem Raumschiff geflogen! Das ist Nummer zwei! Du bist fast an einer Allergie gestorben und hast dabei Freundschaft mit einem echten Kapitän geschlossen! Das sind drei und vier! Und jetzt hilfst du, einen Dieb aufzuspüren. Fünf!«
»Du hilfst auch, einen Dieb aufzuspüren«, beruhigte ich ihn.
»Das ist nur deinetwegen«, erkannte Lion ehrlich. »Klasse, dass wir uns kennengelernt haben, stimmt’s?«
»Natürlich stimmt das!«
Wir fanden einen interessanten Fernsehkanal über verschiedene Planeten, schauten zu und tranken Cola. Lion kommentierte die Übertragung lebhaft. Er war zwar auch noch nicht auf diesem Planeten gewesen, hatte dafür aber auf einer Raumstation gewohnt, an der die verschiedensten Raumschiffe anlegten. Dort hatte er alle Außerirdischen kennen gelernt und sich mit ihnen unterhalten.
Er hatte einen älteren Freund, der früher in der Armee des Imperators gedient hatte und dessen Onkel auf Edem lebte.
»Dort ist es auch schön, der Onkel hat uns ein Video geschickt«, erklärte Lion. »Aber es ist schwer, dorthin einzuwandern, bei ihnen gibt es auch so eine hohe Geburtenrate. Der Onkel hat schon sechs Kinder, aber er muss sich noch drei anschaffen. Das nennt sich Besiedelung des Planeten nach der intensiven Methode…«