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»Über allen diesen Türmchen und Kuppeln, Tikkirej«, sprach Stasj, »sollte jetzt ein Kraftfeld blinken. Das ist auch schön, auf seine Art. Und ein absoluter Schutz. Ich habe die Aufklärung von Inej unterschätzt.«

Das Auto wendete auf der Mitte der leeren Allee und jagte zurück.

»Und wenn im Kosmodrom auch alle schlafen?«, fragte ich leise.

»Na, und?«

»Kann man etwa ohne Erlaubnis des Towers losfliegen?«

Stasj lachte unlustig auf. Dann sagte er:

»Die Bedeutung der Worte ›kann‹ und ›kann nicht‹ ändert sich in einer kritischen Situation in ihr Gegenteil.«

»Kapitän Stasj, aber warum ist mit uns nichts passiert?«, wagte ich eine Frage zu stellen, die mich bereits seit einer halben Stunde quälte.

»Das weiß ich nicht, Tikkirej. Ich habe einige besondere Fähigkeiten. Du aber bist ein ganz gewöhnlicher Junge. Dabei konnte sich der Agent des Inej für dich nicht unsichtbar machen und die Waffe, mit der sie die Planeten erobern, hat bei dir nicht gewirkt.«

Ich kam mir vor, als hätte man mich mit eiskaltem Wasser übergossen.

Ich drückte fest die schlaffe, leblose Hand Lions.

Und ich dachte… hatte eigentlich fast gedacht, dass Kapitän Stasj auch mein Freund wäre.

In Wirklichkeit erfüllt er lediglich eine Aufgabe. Er konnte die Agenten des Inej nicht aufhalten, bringt dafür aber zwei Jungs mit. Einen in der »Phase der Wiedergeburt«, beim anderen blieb die Geheimwaffe des Feindes wirkungslos.

»Wie geht es deinem Freund?«, erkundigte sich Stasj.

»Ganz gut«, erwiderte ich, »er schläft.«

»Ich werde jetzt die Geschwindigkeit erhöhen«, teilte mir Stasj mit, als ob wir noch nicht mit annähernd Tempo 200 dahinjagten, »also halt ihn gut fest, okay?«

Ich antwortete nicht einmal. Aber Lion umarmte ich fester. Die Häuser blitzten auf und entfernten sich, in den erhellten Fenstern wurde getanzt, es aßen und unterhielten sich dieselben Menschen, die bald hilflose Marionetten sein würden.

Sie würden sicherlich nicht einmal verstehen, was überhaupt passiert war.

Kapitel 6

Das Kosmodrom war genauso gespenstisch leer wie die Stadt. Hier stießen wir allerdings ständig auf schlafende Menschen: an der Taxihaltestelle, an den Ein- und Ausgängen und in den Securitywachstuben aus mattem, verdunkeltem Glas.

»Sie sind nicht sofort eingeschlafen«, stellte Stasj fest, nachdem er sich umgeschaut hatte. »Siehst du, nirgends sind gerammte oder beschädigte Autos zu sehen und niemand hat sich beim Hinfallen verletzt. Als ob alle schlafen wollten… und sich eiligst auf den ersten besten Platz gelegt hätten.«

Er hatte Recht. Mir fielen einige Leute auf, die auf dem Fußgängerweg lagen und ihre Diplomatenkoffer, Taschen oder Aktenkoffer unter den Kopf gelegt hatten. Ein betagter Mann hatte sogar seinen Mantel auf dem Rasen ausgebreitet und aus dem offenen Koffer seine Nachtmütze herausgeholt — ohne sie noch aufsetzen zu können. Über ihn hätte man lachen können, wenn das Ganze eine Fernsehkomödie gewesen wäre.

Ich eilte Stasj hinterher und sah mich aber um, um mir so viel wie möglich einprägen zu könnte. Warum genau, wusste ich selbst nicht. Deshalb erblickte ich gleichzeitig mit dem Ritter einen normalen Menschen.

Es war ein alter Mann im Rollstuhl. Er kam langsam aus einem der Flughafengebäude und schaute sich um. Als er uns erblickte, rief er sofort erstaunlich kräftig: »Warten Sie! Bleiben Sie stehen!«

Wir stoppten. Mir fiel auf, dass Stasj sehr ruhig blieb, als würde er keinen Hinterhalt erwarten.

Der Rollstuhl erhöhte seine Geschwindigkeit und näherte sich uns. Der Alte schaute Stasj sofort argwöhnisch an und fragte:

»Wohin verschleppen Sie dieses hilflose Kind?«

»Dreimal dürfen Sie raten, wohin man in dieser Situation jemanden verschleppen könnte«, erwiderte Stasj, »vielleicht in ein Heim für durchgedrehte Kinder? Auf den Sklavenmarkt? Oder vielleicht doch egal wohin, Hauptsache weit weg von hier?«

Der Alte nickte. Er war sehr alt, aber nicht hinfällig. Er trug einen teuren Anzug mit Manschettenknöpfen aus Edelsteinen, eine die Farbe ändernde Krawatte und Schuhe aus avalonischem Eidechsenleder, die in der Dunkelheit leuchteten. Und sein Rollstuhl kostete bestimmt mehr als jedes Auto. Nur sein Shunt war so alt wie er selbst: mit fünf Zentimetern Durchmesser und einigen Typenbausteinen, die schon lange nicht mehr eingesetzt wurden. Sogar auf Karijer hatte ich diese Shunts selten gesehen.

»Ich heiße Juri«, sagte der Alte, »Juri Semetzki junior, ganz zu Ihren Diensten.«

»Stasj«, antwortete der Phag, »und das ist Tikkirej, der schlafende Junge heißt Lion. Benötigen Sie Hilfe?«

Der Alte schüttelte den Kopf:

»Nein, vielen Dank. Wir sind im Kosmodrom ungefähr zweihundert Leute, die nicht eingeschlafen sind. Wir nehmen alle den Liner Astrachan, er hat das größte Fassungsvermögen. Da ich kaum in der Lage bin, schwere Sachen zu tragen, fahre ich auf dem Territorium des Kosmodroms herum und suche normale Menschen. Die anderen packen die Schlafenden ins Raumschiff. Soviel wir in der verbleibenden Zeit schaffen. In anderthalb bis zwei Stunden werden wir starten.«

»Oho!«, Stasj war wirklich erstaunt. »Das ist gut so. Viel Erfolg für Sie!«

»Wollen Sie sich uns nicht anschließen?«, wunderte sich der Alte.

»Nein, danke. Ich habe mein eigenes Schiff. Ein superkleines, sodass ich keine Mannschaft benötige. Die Jungs nehme ich auch mit.«

»Wäre es nicht vernünftiger, sich uns anzuschließen?«, fragte Juri. »Wir haben Piloten, Navigatoren…«

»Nein«, beendete Stasj das Gespräch, »Ich ziehe es vor, mich auf die eigene Kraft zu verlassen. Und Ihnen würde ich raten, so schnell wie möglich zu starten und mit dem gefährlichen Samaritertum aufzuhören.«

»Sie sollten das nicht unterbewerten!«, rief der Alte aus. »Wenn es im Maßstab des Planeten auch nur ›Peanuts‹ sind, wir tun, was wir können.«

»Sind Sie wenigstens bewaffnet?«, erkundigte sich Stasj.

Der Alte lachte auf.

»Seien Sie vorsichtig«, sagte er zu Stasj, »sehr, sehr vorsichtig…«

Mit dem letzten Wort änderte sich seine Stimme wieder unmerklich und das Lächeln verschwand vom Gesicht des Alten. Ziemlich durcheinander rückte der das Kabel des Neuroshunts zurecht und rief:

»Teufel, du bist doch ein avalonischer Phag! Was ist hier los? Eine Epidemie? Eine Aggression der Fremden?«

»Ich weiß es noch nicht. Komm, Tikkirej!«

Ich lief hinter Stasj her und wälzte eine Idee im Kopf hin und her, die mir eben gekommen war. Irrsinnig, aber…

»Teilen Sie dem Imperator so schnell wie möglich mit, was passiert ist!«, schrie uns der Alte nach. »Klar? Seit siebzig Jahren spende ich Geld für euren dämlichen Orden! Seid Ihr wenigstens zu etwas nutze?«

Wir gingen ins Gebäude hinein — die Automatiktüren arbeiteten wie gewohnt. Der Alte fuhr weiter.

»Ich habe ihn einige Male auf dem Avalon gesehen«, teilte Stasj unerwartet mit, »ein Tierproduzent, Schweinezüchter. Es hat ihn wirklich in einer unguten Stunde hierherverschlagen…«

»Werden sie es schaffen?«, wollte ich wissen.

»Ich weiß es nicht.«

Durch die mit schlafenden Menschen gefüllten Säle kamen wir zur Kontrolle des Abflugterminals. Hier schliefen die Wachmänner sowie die Mädchen, die als Dispatcher arbeiteten, und ein Kellner mit einem Tablett voller Kaffeetassen. Als das Personal die ungewöhnliche Müdigkeit verspürte, versuchte es sicherlich, sie mit Kaffee zu überwinden…

»Und hier haben wir auch seine Kameraden…«, murmelte Stasj. Und wirklich, in einiger Entfernung durchstreifte ein Dutzend älterer Leute die Schlafenden und hob einige, meist Kinder, auf Tragen.

»Ich weiß, was vor sich geht«, sagte ich, »Kapitän Stasj, ich weiß, wer eingeschlafen ist und wer nicht!«