Ich nickte und der Doktor nahm mir das Mundstück aus dem Mund.
»Wenn wir ankommen, werde ich dann ins Kosmodrom gehen dürfen? Spazieren gehen…«
»Natürlich!«, der Arzt war erstaunt. »Oder hältst du uns für Verbrecher, die Module mit Gewalt festhalten? Tikkirej, das Traurigste dabei ist, dass eben das gar nicht erforderlich ist. Ich versichere dir, Tikkirej, wenn es für die Eroberung des Kosmos notwendig gewesen wäre, den Menschen das Gehirn zu amputieren und wirklich in Flaschen zu füllen, hätten wir genau das gemacht. Die menschliche Moral ist wundersam dehnbar. Das war aber gar nicht nötig, denn das beste Glas ist dein eigener Körper. Ihm wird Nahrung zugeführt, die Endprodukte werden entsorgt und in den Shunt wird ein Kabel gesteckt. Das ist alles, Tikkirej. Und die Tatsache, dass es wirklich einige Module gibt, die nach Vertragsende aufhören, erlaubt es den Menschen, ein für allemal ihr Gewissen zu beruhigen. Hast du das verstanden?«
»Ja. Danke.« Ich lächelte ein schales Lächeln. »Ich… ich bin ein bisschen erschrocken. Dachte, dass man mich nicht aus dem Raumschiff lassen würde, bis ich genauso geworden bin… wie diese.«
Doktor Anton lächelte ebenfalls.
Er ging neben dem Bett in die Hocke und fuhr mir über den Kopf.
»Vergiss das! In unserer idiotischen, mit Gesetzen voll gestopften Welt gibt es praktisch keine Notwendigkeit für die Anwendung von Gewalt. Vielleicht wäre es besser andersherum, hm?«
Er erhob sich und holte ein weiteres Kabel heraus. Ich schaute aus den Augenwinkeln — das war das Kabel für den Neuroshunt. Fragte: »Ich bin dann sofort abgeschaltet?«
»Ja, Tikkirej. Nimm dein Mundstück.«
Folgsam nahm ich den Schlauch in den Mund. Er hatte überhaupt keinen Geschmack, obwohl er schon unzählige Male sterilisiert worden war. Vielleicht sollte ich doch um eine Kostprobe bitten…
»Guten Zeitsprung, Modul«, sagte der Doktor.
Und die Welt verschwand. Mann, tat mir der Kopf weh!
Ich stöhnte auf, als ich den Schmerzen nachspürte. Im Mund spürte ich einen ekelhaften Geschmack, als ob ich salzig-süßen Lehm gekaut hätte.
Der Kopf wollte mir platzen. Das Knie juckte. Die rechte Hand kribbelte, als ob ich versucht hätte, sie aus der engen Schlinge zu ziehen.
Ich lag auf meinem Bett für Module. Das Kabel war noch immer im Shunt, ich aber war offline. Mit der linken Hand, die besser reagierte, zog ich es heraus. Ich spuckte das Mundstück aus.
Zum Teufel!
Das war etwas anderes als der Anschluss an den Schulcomputer.
Die Bänder hielten mich nach wie vor auf dem Bett fest. Ich schaffte es, sie zu lösen, und stand auf. Ich hatte Bedenken, dass mir die Knie weich werden könnten, aber es schien alles in Ordnung zu sein.
Vorsichtig berührte ich die Tür und schaute in den Gemeinschaftraum.
Dort stand Keol — nackt und blass und kratzte sich gerade seinen Bauch. Bei meinem Anblick fing er an zu lächeln: »Ah, Tikkirej! Grüß dich, Tikkirej. Wie ist dein Befinden?«
»Alles in Ordnung«, murmelte ich. Im Großen und Ganzen schien ich unversehrt.
»Am Anfang ist immer alles in Ordnung«, sagte Keol mit ernstem Gesicht, »dann wird alles langweilig, uninteressant. Dagegen muss man intensiv ankämpfen!« Er drohte mir feierlich mit dem Finger und wiederholte: »Intensiv! Hast du das Bett sterilisiert?«
»Nein… wie denn?«
»Schau her«, Keol zwängte sich in meine »Flasche« und zeigte es mir.
Es war wirklich einfach und fast vollständig automatisiert. Wirklich wie für Schwerkranke.
»Das Mundstück spülst du ebenfalls«, erklärte er ernsthaft, »darin sind immer Breireste. Und wasch dich! Das Bett nimmt die Ausscheidungen auf, wenn etwas danebengeht, aber man muss sich trotzdem waschen. Bis du blitzt vor Sauberkeit! Also, öffne das Fach…«
Die Dusche war integriert. Ein biegsamer Schlauch mit einem Duschkopf am Ende und ein Flakon mit antibakteriellem Gel, dem billigsten auf dem Markt, das wir auch zu Hause manchmal kauften.
»Im Boden ist ein Abfluss für das Wasser«, klärte mich Keol auf, »schieb das Bett zurück. Wenn du rausgehst, schalten sich Trocknung und Ultraviolett selbständig ein.«
»Sind wir angekommen, Keol?«, fragte ich.
Er fing an zu zwinkern.
»Wir? Ja, sicherlich. Ich habe nicht gefragt. Aber wenn wir offline sind, heißt das, dass wir angekommen sein müssen. Stimmt’s?«
Keol ging weg und ich begann mich schnell herzurichten. Ich wusch mich mehrere Male und trocknete mich mit einem Handtuch aus demselben Fach ab. Alles war durchdacht. Alles war einfach und zweckmäßig.
Wie schrecklich!
Gut, dass ich nicht vorhabe, mich wieder in dieses Grab zu legen und mich für den Dauerbetrieb anschließen zu lassen. Das will ich doch nicht, oder? Ich horchte in mich hinein und fürchtete sehr, dass meine Entscheidungsfähigkeit schon geschwächt sein könnte.
Nein, alles war normal.
Ich zog meine eigenen Sachen an. Eine Uniform hatte ich nicht bekommen. Ist ja auch nicht nötig. Ich sah mir das Datum auf der Uhr an. Oho, ich war fast zwei Wochen in Dauerbetrieb gewesen!
Dann nahm ich mein Köfferchen und verließ die »Flasche«.
»Tut dein Kopf weh, Tikkirej?«, fragte mich Keol.
»Ja«, gab ich zu.
»Trink!«, er reichte mir ein Glas mit irgendeinem Getränk. »Es ist etwas Spezielles. Nimmt die Schmerzen und erhöht die Spannkraft.«
Er war wirklich normaler als alle anderen Module. Er versuchte noch, sich um die Kameraden zu kümmern. Dazu aber braucht man einen Willen und eine Zielvorstellung.
»Viel Glück«, sagte er und ich ging in den Flur.
Den Weg zur Schleuse hatte ich mir gemerkt. Ich war ihn ja gerade erst mit Doktor Anton gegangen. Klar, nicht gerade erst. Aber ich kann mich nicht an die Flugtage erinnern… Interessant zu erfahren, wie weit wir geflogen sind!?
Kurz und gut, zur Schleuse wollte ich vorerst nicht. Ich hatte nicht vor, Kapitän und Mannschaft zu betrügen. Ich musste jemanden finden — und das gelang mir auch. Ich traf direkt auf den Ältesten, der auf dem Weg zur Schleuse war. Dieser sah mich aufmerksam an, sein Blick ruhte auf dem Köfferchen und er sagte: »Verstehe. Zur Schleuse?«
»Nein, ich möchte den Kapitän finden. Und den Vertrag kündigen. Das ist doch mein Recht?«, erkundigte ich mich.
Der Älteste nickte: »Gehen wir…«
Er brachte mich aber nicht zum Kapitän, sondern in einen Arbeitsraum. Setzte sich vor den Bildschirm und schaltete den Computer ein. Befahclass="underline" »Daten über den Vertrag des Moduls Tikkirej.«
Auf dem Bildschirm erschien mein Vertrag.
»Du hast das Recht, den Vertrag zu kündigen und auf einem beliebigen Planeten auszusteigen«, begann der Älteste. »Das ist Gesetz. Wir sind verpflichtet, dir deinen anteiligen Lohn auszuzahlen. Das sind…« — er beugte sich vor — »das sind 1038 Kredit.«
Nicht schlecht!
Ich schwieg.
»Selbstverständlich werden Ernährung und die Leistungen deines Lebenserhaltungssystems extra in Rechnung gestellt, da du den Vertrag vorzeitig kündigst«, ergänzte der Älteste trocken, »also ziehen wir 604 Kredit ab.«
»So viel?«, wunderte ich mich.
»So viel. Weil man deine Nahrung und dein Bett gemeinsam mit dir durch den Kosmos schleppen muss. Selbst wenn man die günstigsten internen Berechnungen der Flotte ansetzt, ist das eine gewaltige Summe. Hast du Einwendungen?«
»Nein«, sagte ich. Alles hatte seine Richtigkeit.
»Es verbleiben also 434 Kredit«, resümierte der Älteste, »nun die Versicherung.«
»Aber das ist nicht nötig«, flehte ich. Es war etwas Unanständiges an der Tatsache, dass ich die Kljasma als Transportmittel benutzte und ihnen dazu noch eine Menge Geld aus der Tasche zog.