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SIEBZEHN JAHRE SPÄTER...

KAPITEL 1

Wie nahezu jeder Mensch, frönte auch er einer gewissen Leidenschaft.

Einem Hobby, könnte man sagen. Einer Passion. Doch seine Leidenschaft unterschied sich erheblich von denen gewöhnlicher Menschen.

Vor langer Zeit war ihm ein Sprichwort zu Ohren gekommen, das sinngemäß besagte:

Eine Leidenschaft heißt Leidenschaft, weil sie Leiden schafft.

Schon damals hatte er schmunzeln müssen, als er es gehört hatte, denn das Sprichwort stimmte. Auch seine Leidenschaft schaffte Leiden. Allerdings nicht für ihn selbst, was das Sprichwort wohl eigentlich hätte besagen sollen.

Nein, seine Leidenschaft bedeutete Leiden für andere.

Denn seine Leidenschaft war das Töten und er ging ihr mit einer Leichtigkeit und Unbekümmertheit nach, mit der andere Menschen ihre Rosenhecke zurechtschneiden oder Briefmarken sammeln.

Im Laufe der Zeit jedoch, hatte sie sich zu einer immer schwerer zu kontrollierenden Sucht gesteigert. Die Vorfreude, die er empfand, während er sich an seine Beute heranpirschte wie ein Raubtier, versetzte sein Gemüt in einen geradezu euphorischen Zustand.

Es war wie eine Droge.

Natürlich wusste die junge Frau, die er an diesem Abend dafür auserkoren hatte, eben diese Leidenschaft mit ihm zu teilen, noch nichts von ihrer tatsächlichen Bestimmung.

Er hingegen konnte sicher sein, dass sie sich völlig unbefangen auf ihn einlassen und seinem über viele Jahre hinweg antrainierten Charme erliegen würde. Und wie immer traf er seine Wahl innerhalb weniger Augenblicke mit all seiner Routine.

Ja, diese Frau war perfekt für seine Pläne geeignet.

KAPITEL 2

„Wo bist du?“

„Gleich da. Aber ich bin viel zu spät dran. Wahrscheinlich ist er schon längst weg. Ich weiß jedenfalls nicht, ob ich so lange auf mich gewartet hätte.“ Vanessa saß hinter dem Steuer des Mini. Mit der rechten Hand presste sie ihr Handy ans Ohr und sah immer wieder nervös in den Rückspiegel. Sie wusste, dass es dafür wieder einmal Punkte in Flensburg geben würde, wenn man sie erwischte, aber sie war einfach noch nicht dazu gekommen, die verfluchte Freisprecheinrichtung reparieren zu lassen.

„Du bist also wirklich gefahren?“

„Na klar, was dachtest du denn?“

„Schwesterchen, du bist verrückt. Irgendwann geht das mal richtig schief. Woher willst du wissen, dass du nicht an irgendeinen Verrückten gerätst?“

„Er ist in Ordnung. Glaub mir. Wir haben ein paar Mal miteinander telefoniert. Er ist wirklich nett. Außerdem ist es bisher immer gut gegangen.“

„Ja, der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Ich will es ja nicht beschreien, aber ich habe immer ein verdammt ungutes Gefühl bei diesen Treffen. Wenn ich Mum davon erzähle, wird sie vor Sorge sterben.“

„Untersteh dich. Wenn du ihr davon erzählst, bist du die Erste, die stirbt. Dann komme ich nämlich höchstpersönlich vorbei und bringe dich eigenhändig um.“

„Ja, ja. Ist schon gut. Ich werde schweigen. Wie immer. Aber bitte versprich mir, dass du auf dich aufpasst. Ich habe nämlich keine Lust, dein Foto in so einer Vermisstensendung wieder zu sehen.“

„Versprochen, ich…“ Das Handy rutschte ihr aus der Hand, als sie hektisch nach dem Lenkrad griff und es nach links riss. Der Wagen schleuderte auf die Gegenfahrbahn, doch es gelang ihr, ihn wieder einzufangen, bevor er im Graben landete oder einen der Leitpfosten ummähte. Sie trat das Bremspedal durch und der Wagen kam entgegen der Fahrtrichtung zum Stehen. Der Motor erstarb.

„So ein verdammtes Arschloch. Du blöder Wichser!“

Sie blickte in den Rückspiegel und sah, wie der andere Wagen hinter der nächsten Kurve verschwand, ohne dass sein Fahrer sich auch nur im Geringsten um sie kümmerte. Dann bückte sie sich und suchte ihr heruntergefallenes Handy im Fußraum.

„Bist du noch dran?“, fragte sie, nachdem sie es unter einem der Pedale hervorgeangelt hatte.

„Um Gottes Willen, was ist denn bei dir los?“

„So ein blöder Penner mit einem Leichenwagen. Ist einfach aus einem Waldweg auf die Landstraße rausgezogen, ohne nach rechts und links zu gucken. Ich bin mir sicher, die Welt der Arschlöcher wird bald wegen Überfüllung geschlossen. Um ein Haar hätte dieser Vollidiot mich in den Graben befördert.“

Sie lehnte sich im Fahrersitz zurück und spürte, wie ihr Herz bis zum Hals klopfte. Ihre Hände zitterten.

„Ein Leichenwagen, sagst du?“

„Ja, warum?“

„Vielleicht sucht der Typ neue Kunden?“

„Haha, sehr komisch. Aber fast hätte es ja geklappt. Du hättest bestimmt helfen dürfen, mich aus dem Wagen zu schneiden.“

„Sorry, war ein dummer Witz. Tut mir leid. Hast du dir sein Nummernschild gemerkt?“

„Natürlich nicht. Ich war gerade etwas abgelenkt, meinen Wagen nicht gegen den nächsten Baum zu setzen.“

„Ich dachte ja nur. Vielleicht hättest du ihn anzeigen können.“

„Nein, leider nicht. Außerdem habe ich sowieso keine Zeit dafür. Ich muss mich jetzt wirklich sputen, wenn ich ihn noch treffen will.“

„Falls er weg ist, sieh es als Wink des Schicksals. Du weißt, was ich von diesen Internetgeschichten halte.“

„Allerdings. Du hast mir schon oft genug eine Moralpredigt deswegen gehalten. Aber ich fahre jetzt trotzdem hin. Also mach´s gut, Schwesterchen.“

„Du auch. Und bring keine Schande über die Familie.“

„Zerbrich dir nicht immer deinen hübschen Kopf wegen mir. Ich melde mich. Spätestens, wenn ich zurück bin. Tschüßi!“

Sie beendete das Gespräch und sah sich um. Noch immer stand der Mini entgegen der Fahrtrichtung auf der falschen Spur. Zum Glück war die Straße nicht sonderlich stark frequentiert.

Sie wendete und gab Gas.

KAPITEL 3

Von seinem Platz aus konnte er die Eingangstür des Cafes im Erdgeschoss der kleinen Pension perfekt überblicken. Kuchengierige Rentner besetzten die beiden Tische in den Nischen direkt am Fenster. Die übrigen Plätze waren verwaist.

Ist wohl typisch für dieses abgelegene Kaff, vermutete er.

Eine dicke Grauhaarige im Pinguin-Look kam an seinen Tisch gewatschelt.

„Möchten Sie noch was?“, fragte sie und räumte seinen leeren Kaffeebecher ab. „Vielleicht was zu essen?“

„Nein, vielen Dank. Aber Sie können mir gerne noch einen Kaffee bringen.“

„Aber natürlich.“ Sie murmelte noch etwas vor sich hin und wackelte davon.

Er blickte auf seine Armbanduhr. Seine Verabredung war bereits seit einer Stunde überfällig. Dennoch kamen ihm keine Zweifel, dass sie noch erscheinen würde.

Seine Menschenkenntnis hatte ihn bisher nur selten getäuscht und in ihrem Fall war er verdammt sicher gewesen, eine gute Wahl getroffen zu haben. Und auch die Location, die er am Rand dieses Kaffs aufgetan hatte, war perfekt. Es würde grandios werden. Davon war er überzeugt.

Dann wurde seine Aufmerksamkeit von dem kleinen Glöckchen über der Eingangstür geweckt.

Sein Blick fiel auf eine in Schwarz gekleidete Frau. Er schätze sie auf höchstens Ende, eher Mitte zwanzig. Ihr braunes Haar fiel offen über ihre Schultern. Lange Beine steckten in kniehohen Wildlederstiefeln mit gut und gerne zehn Zentimeter hohen Absätzen. Dazu trug sie schicke Nylonstrümpfe und einen verdammt kurzen Rock.

Die Dicke schob sich in sein Sichtfeld und stellte ihm wortlos einen randvollen Kaffeepot auf den Tisch, bevor sie ebenso wortlos wieder abzog.

Die junge Frau näherte sich seinem Tisch. Kurz bevor sie ihn erreichte, knöpfte sie ihre Lederjacke auf. Unter ihrer Bluse zeichneten sich ihre Brustwarzen ab. Es bestand kein Zweifel, dass sie keinen BH trug.