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Inzwischen war der Barkeeper mit seinen Bemühungen einen Schritt weiter gekommen. Er stellte ein Cocktailglas mit knallrotem Inhalt und einer Schirmchendekoration vor der Blondine auf die Theke. Daneben legte er einen kleinen Notizblock und einen Stift.

Die schöne Unbekannte riss einen Zettel ab, kritzelte etwas darauf und schob ihn über den Tresen.

Verdammte Scheiße.

Wenn Kid etwas überhaupt nicht in den Kram passte, dann, dass sie diesem Dorftrottel ihren Namen und ihre Telefonnummer auf die Nase band.

Der Barkeeper kam zurück, nahm den Zettel von der Theke und starrte ihn eine Weile an. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die Blondine, bevor er den Zettel zusammenknüllte und auf den Fußboden schnippte.

War wohl nichts. Kid konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.

Er beobachtete die Szene noch eine Weile und als sich nichts weiter tat, nahm er sein Bier, stand auf und steuerte einen freien Barhocker direkt neben der unbekannten Schönheit an.

„Ist hier noch frei?“, fragte er und zog den Hocker ein Stück vom Tresen weg.

Die blauen Augen der Frau funkelten ihn an. „Ja klar, kein Problem.“ Dann drehte sie sich wieder ihrem Cocktail zu.

„Ist der gut?“, fragte Kid und nickte in Richtung des Getränks.

„Wahrscheinlich schon, aber ehrlich gesagt, sind Cocktails nicht so mein Ding.“

„Nicht?“ Kid tat überrascht.

„Nein, eigentlich stehe ich mehr auf Bier.“

„Auf Bier?“

„Ja.“ Sie machte eine kurze Pause. „Nun sagen Sie schon, dass Sie das seltsam finden.“ Sie lächelte.

„Warum sollte ich?“

„Weil ich es bevorzuge, wenn Männer die Wahrheit sagen.“

„Nein, ich meine, warum sollte ich es seltsam finden?“

„Weil Bier trinkende Frauen eine Minderheit darstellen?“ Sie sah ihn an, während sie den gestreiften Strohhalm ihres Cocktails zwischen Daumen und Zeigefinger drehte.

„Sie haben eben Geschmack. Darf ich Ihnen eins bestellen?“

„Nein, vielen Dank. Aber das ist wirklich nicht nötig.“ Sie beugte sich über den Strohhalm und saugte kräftig daran. Kid beobachtete, wie die blutrote Flüssigkeit das Innere des Strohhalms hinaufwanderte und zwischen ihren Lippen verschwand.

Etwas zu schmal, dachte er. Ihre Lippen sind etwas zu schmal. Und ihre Augen stehen eine Nuance zu dicht nebeneinander. Sie sieht gut aus, aber aus der Nähe betrachtet, ist sie keine perfekte Schönheit. Auf einer Skala von Eins bis Zehn vielleicht eine Sieben. Höchstens eine Acht.

Nicht schlecht für den Anfang. Der Abend war schließlich noch jung.

Sie setzte den Strohhalm ab und wischte einen Tropfen des roten Getränks aus ihrem Mundwinkel.

„Außerdem wäre es dem edlen Spender gegenüber äußerst unhöflich, seinen Drink zu verschmähen und stattdessen ein Bier zu trinken. Was würden Sie sagen, wenn Sie mir einen Drink spendiert hätten und ich würde Ihnen gestehen, dass ich ihn nicht mag?“

„Was glauben Sie, was ich denken würde?“

„Wären Sie gekränkt?“

„Nein.“ Kid schob eine kurze Pause ein. „Vielleicht ein bisschen beleidigt.“

Sie lächelte, warf den Kopf nach hinten und löste mit einer geschmeidigen Handbewegung das Gummi aus ihren Haaren. Sie schüttelte die rotblonde Mähne und streifte das Gummiband über ihr Handgelenk.

„Ich heiße übrigens Sandy. Das heißt, eigentlich Sandra, aber das mag irgendwie niemand sagen. Seit dem Kindergarten bin ich für alle nur Sandy.“

„Was ist dir lieber? Sandy oder Sandra?“

„Früher habe ich Sandy gehasst, aber irgendwann hatte ich mich dran gewöhnt. Und mittlerweile kommt es mir sogar komisch vor, wenn mich jemand Sandra nennt. Eigentlich machen das nur meine Eltern. Und die eigentlich auch nur, wenn sie was zu motzen haben. Wie heißt du?“

„Kid. Ich bin Kid. Freut mich, dich kennen zu lernen.“ Er streckte ihr seine Hand hin, aber sie ignorierte die Geste und griff stattdessen zu ihrem Cocktail.

„Kid? Etwa so wie der…“

„Wie der Musiker. Genau.“

„Sorry, wahrscheinlich kannst du diesen Spruch auch schon nicht mehr hören. Manchmal sollte ich eine Sekunde nachdenken, bevor ich losplappere.“

„Nein, kein Problem.“

„Wirklich?“

„Ja, alles cool.“ Kid trank einen Schluck. Dann winkte er dem Barkeeper mit seiner leeren Bierflasche zu und signalisierte ihm mit zwei Fingern seine neue Bestellung.

„Was hat dich eigentlich in diesen Dorftreff verschlagen?“

„Du meinst, wegen meinem Rucksack?“

„Ja. Normalerweise verirren sich hier kaum Fremde hin und wenn, dann nicht mit ihrer kompletten Wanderausrüstung.“

„Das war ehrlich gesagt auch eher eine Notlösung.“

„Aber immerhin hast du gleich eine nette Bekanntschaft gemacht.“

„Eingebildet bist du wohl gar nicht, oder?“ Sie lachte und Kid sah einen aufgeklebten Brillianten auf einem ihrer Eckzähne.

„Ich meinte eigentlich nicht mich, sondern ihn.“ Er deutete mit den Augen in Richtung des Barkeepers.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Na, immerhin hast du ihm einen Liebesbrief geschrieben, nachdem er dir den Drink gebracht hat.“

„Einen Liebesbrief, den er gleich wieder weggeworfen hat. Nachdem er mir den Drink gebracht hat, den ich nicht mochte. Kein wirklich guter Start, wenn du mich fragst.“

„Richtig. Den Drink, den du nicht mochtest.“

„Und den ich nicht bestellt habe.“

„Logisch. Warum solltest du auch? Du magst ihn ja nicht einmal.“

„Eben. Und, was sagt uns das?“

„Ich weiß nicht. Sag du es mir.“

„Vielleicht, dass ich ihm nicht meine Telefonnummer gegeben habe?“

„Hast du nicht?“

„Hab ich nicht.“

„Was denn dann?“

„Ein kleines Geheimnis zwischen ihm und mir.“ Sie lächelte verheißungsvoll.

Der Barkeeper kam zu ihnen und stellte zwei Bierflaschen auf den Tresen. Sandy winkte ihn zu sich heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte wortlos, räumte das noch dreiviertel volle Cocktailglas ab und schüttete den Inhalt in das Spülbecken hinter der Theke.

„Ich glaube, den hast du endgültig vergrault.“ Die Musik war inzwischen so laut aufgedreht geworden, dass Kid Sandy regelrecht ins Ohr brüllen musste, damit sie verstehen konnte, was er sagte.

„Nicht so schlimm. Ich habe dich ja stattdessen“, schrie sie zurück. „Warte kurz, ich bin gleich wieder da.“ Sie bückte sich und kramte eine kleine, schwarze Tasche aus ihrem Rucksack. „Nicht weglaufen“, rief sie ihm zu und verschwand in Richtung der Toiletten. „Passt du kurz auf meinen Rucksack auf?“

Kid nickte lächelnd und nahm einen großen Schluck aus der Bierflasche. Das lief ja besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Zwar war er sich seiner Wirkung auf Frauen durchaus bewusst, aber dass es mit diesem Prachtexemplar dermaßen glatt laufen würde, hatte er nicht erwartet.

Er sah sich um. Allmählich füllte sich der Laden mit dem typischen Mix aus Bauerntrampeln und Dorfschlampen. Allesamt kein Vergleich mit seiner Sandy. Es wurde Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Je mehr Leute sie zusammen sahen, desto riskanter wurde die ganze Sache.

„Alles klar?“, riss Sandys Stimme ihn aus seinen Gedanken. Sie hatte ihren weißen Sweater ausgezogen und ihn sich um die Hüften gebunden. Darunter trug sie ein schwarzes, tief ausgeschnittenes Tanktop, das von ihren Brüsten nur das Nötigste bedeckte.

Als sie ihren Kopf über seine Schulter beugte, konnte er den Duft ihres Parfüms riechen. Offenbar hatte sie es in der Damentoilette aufgetragen, denn zuvor war es ihm nicht aufgefallen. Auch ihre Lippen hatten sich verändert. Sie wirkten jetzt voller und glänzten im Licht der Barbeleuchtung.