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Wassja blickte seinen Freund voller Liebe an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.

Sein Gesicht belebte sich sogar in Erwartung einer Hoffnung.

»Also höre, was ich dir sage,« fuhr Arkadij Iwanowitsch fort, von neuer Hoffnung begeistert. »Es ist doch nicht nötig, daß du Julian Mastakowitschs Gewogenheit verlierst. Es ist doch so, mein Lieber? Ist das nicht der Kernpunkt der Sache? Und wenn das wirklich der Kernpunkt ist, so will ich mich für dich opfern!« Arkadij Iwanowitsch sprang bei diesen Worten vom Stuhle auf. »Ich werde gleich morgen zu Julian Mastakowitsch gehen … Widersprich mir nicht! Wassja, du machst aus deiner kleinen Nachlässigkeit ein Verbrechen. Julian Mastakowitsch ist aber großmütig und barmherzig, er ist auch ein ganz anderer Mensch als du! Er wird uns anhören und dir aus der Klemme helfen. Nun, bist du jetzt beruhigt?«

Wassja, dem die Tränen in den Augen standen, drückte Arkadijs Hand.

»Laß gut sein, Arkadij!« sagte er. »Es ist nun beschlossene Sache. Ich habe die Arbeit nicht fertig gemacht, – gut! Daran ist eben nichts zu ändern. Du brauchst gar nicht hinzugehen: ich will selbst zu ihm gehen und ihm alles erzählen. Ich bin jetzt ruhig, vollkommen ruhig. Du brauchst also nicht hinzugehen … Höre nur …«

»Wassja, teurer Wassja!« rief Arkadij Iwanowitsch freudig aus. »Ich habe ja nur deine eigenen Gedanken ausgesprochen. Ich freue mich, daß du nun zur Besinnung gekommen bist und dich beruhigt hast. Was mit dir auch geschehen wird, – ich bin immer bei dir, vergiß das nicht! Ich sehe, dich quält der Gedanke, daß ich mit Julian Mastakowitsch sprechen will. Gut, ich will mit ihm nicht sprechen, du wirst selbst mit ihm sprechen und ihm alles sagen. Siehst du, du mußt morgen zu ihm gehen … Oder nein: du bleibst zu Hause und schreibst weiter, verstehst du mich? Und ich werde zu erfahren suchen, ob die Sache sehr dringend ist oder nicht, ob die Arbeit unbedingt zum Termin abgeliefert werden muß oder nicht, und was du riskierst, wenn du den Termin versäumst. Und dann komme ich sofort zu dir und berichte dir alles … Du siehst also: schon gibt es eine Hoffnung! Stelle dir nur vor, daß die Sache gar nicht dringend ist, – dann hast du alles gewonnen! Es ist auch möglich, daß Julian Mastakowitsch das Ganze vergessen hat – dann bist du gerettet!« Wassja schüttelte zweifelnd den Kopf. Doch er blickte seinen Freund noch immer dankbar an.

»Nun gut! Ich bin so schwach, so matt,« sagte er, um Atem ringend. »Ich will auch selbst nicht mehr daran denken. Sprechen wir von etwas anderm! Ich werde jetzt sogar nicht mehr schreiben; höchstens nur noch zwei Seiten, bis ich zu einem neuen Absatz komme. Höre … Ich wollte dich schon lange fragen: wieso kennst du mich so gut?«

Aus seinen Augen fielen Tränen auf Arkadijs Hände.

»Wenn du wüßtest, Wassja, wie sehr ich dich liebe, würdest du nicht so fragen!«

»Ja, ja, Arkadij, das weiß ich eben nicht, denn ich weiß nicht, wofür du mich so lieb gewonnen hast! Ja, Arkadij, weißt du auch, daß deine Liebe mich schon oft bedrückt hat? Weißt du, wie oft ich weinte, wenn ich vor dem Einschlafen an dich dachte (wenn ich mich schlafen lege, muß ich immer an dich denken), und wie mein Herze bebte, weil … Nun weil du mich so sehr liebst, und ich mein Herz nicht erleichtern und dir nicht so danken kann, wie ich es gerne möchte …«

»Siehst du, Wassja, siehst du: so bist du immer! … Sieh nur, wie aufgeregt du jetzt bist,« sagte Arkadij, dem das Herz weh tat beim Gedanken an den gestrigen Auftritt auf der Straße.

»Schon gut! Du willst, daß ich mich beruhige, ich war aber noch nie so ruhig und glücklich, wie ich es in diesem Augenblick bin! Weißt du … Höre einmal, ich möchte dir so gerne alles sagen, ich fürchte aber, dich zu kränken … Denn wenn du gekränkt bist, schreist du mich an, und ich erschrecke dann … Sieh nur, wie ich jetzt zittere, ich weiß selbst nicht, warum … Ich wollte dir also folgendes sagen. Mir scheint, daß ich mich bisher selbst nicht gekannt habe, – ja! Auch die andern Menschen habe ich erst gestern richtig kennen gelernt. Ich konnte sie bisher nicht verstehen und richtig einschätzen. Mein Herz … war verhärtet … Höre einmal, wie kam es, daß ich keinem Menschen etwas Gutes getan habe, weil ich es einfach nicht tun konnte, weil auch mein Äußeres unangenehm ist? … Und jeder Mensch hat mir Gutes erwiesen! Du aber am meisten: sehe ich es denn nicht? Ich habe nur geschwiegen, immer geschwiegen!«

»Wassja, genug!«

»Ja, Arkascha, ja … Ich habe ja nichts gesagt …« unterbrach ihn Wassja mit tränenerstickter Stimme »Ich habe dir gestern von Julian Mastakowitsch erzählt; du weißt auch selbst, daß er sonst streng und unzugänglich ist; auch dir hat er schon einigemal Rügen erteilt; nun hat er aber gestern mit mir gescherzt, war so gütig zu mir und hat mir sein gutes Herz gezeigt, das er sonst vor allen andern wohlweislich verbirgt …«

»Was folgt daraus, Wassja? Nur daß du deines Glückes durchaus würdig bist.«

»Ach, Arkascha! Wie gerne möchte ich die Arbeit fertig haben … Doch ich werde wohl selbst mein Glück vernichten! Ich habe so eine Vorahnung! … Nein, nicht deswegen,« unterbrach sich Wassja, als er merkte, daß Arkadij nach dem zentnerschweren Papierstoß auf dem Tische schielte: »Das ist ja nur beschriebenes Papier, also nichts … Unsinn! Diese Frage ist ja schon erledigt! Arkascha, ich war heute in der Kolomna-Vorstadt … Ich bin nicht hineingegangen, so schwer und bitter war es mir zumute! Ich stand nur eine Weile vor der Türe. Sie spielte Klavier, und ich hörte draußen zu. Denn siehst du, Arkadij,« fügte er leise hinzu, »ich wagte nicht einzutreten …«

»Höre, Wassja, was hast du? Warum schaust du mich so an?«

»Was? Nichts! Mir schwindelt ein wenig im Kopfe, die Beine zittern mir; das kommt, weil ich die ganze Nacht aufgeblieben bin. Ja! Es ist mir ganz grün vor den Augen. Und hier …«

Er zeigte auf sein Herz und wurde ohnmächtig.

Als er wieder zu sich kam, wollte Arkadij Gewaltmaßregeln ergreifen. Er wollte ihn gewaltsam ins Bett legen. Wassja wollte sich nicht fügen. Er weinte, rang die Hände, wollte sich wieder an die Arbeit machen, um unbedingt noch die zwei Seiten fertig zu schreiben. Um ihn nicht noch mehr aufzuregen, ließ ihn Arkadij an den Schreibtisch gehen.

»Siehst du,« sagte Wassja, während er sich vor seinen Tisch setzte, »siehst du, auch ich habe eine Idee, eine Hoffnung.«

Er lächelte Arkadij zu, und über sein blasses Gesicht schien wirklich etwas wie ein Hoffnungsstrahl zu huschen.

»Ich denke es mir so: ich will ihm übermorgen einen Teil der Arbeit bringen. Und wegen des Restes will ich ihm etwas vorlügen, werde sagen, daß das übrige verbrannt ist, oder feucht geworden, oder daß ich es einfach verloren habe … nun, schließlich, daß ich nicht fertig geworden bin; ich kann ja nicht lügen! Ich will ihm, weißt du, alles erklären und ihm ganz offen sagen, wie sich die Sache verhält … Ich will ihm von meiner Liebe erzählen; er hat ja selbst vor kurzem geheiratet, also wird er mich verstehen! Ich werde das alles natürlich in höchst ehrfurchtsvollem, bescheidenem Tone vorbringen; er wird meine Tränen sehen, und sie werden ihn rühren …«