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»Dieses da,« sagte Arkadij Iwanowitsch, auf ein anderes Häubchen zeigend, »dieses da ist nach meiner Ansicht das schönste.«

»Ja, Arkascha, das macht dir sogar Ehre; ich bringe dir von nun an für deinen guten Geschmack noch mehr Achtung entgegen,« sagte Wassja: seine Rührung vor Arkascha ging so weit, daß er ihm zuliebe aufrichtiges Entzücken vorspiegelte. »Dein Häubchen ist wirklich reizend. Aber komm einmal her!«

»Wo ist denn ein noch schöneres, mein Lieber?«

»Sieh einmal her!«

»Dieses da?« sagte Arkadij etwas unsicher.

Als aber Wassja, der sich nicht länger beherrschen konnte, das Häubchen vom Ständer nahm, das ihm, gleichsam über den langersehnten guten Käufer erfreut, selbst zuzufliegen schien, als alle die Bänder, Rüschen und Spitzen zu knistern anfingen, – da drang aus der mächtigen Brust Arkadij Iwanowitschs ein Schrei des Entzückens. Selbst Madame Leroux, die während der Wahl ihre ganze Würde und Überlegenheit in Sachen des Geschmacks bewahrt und herablassend geschwiegen hatte, belohnte nun Wassja mit einem Lächeln der Anerkennung, und alles in ihr, in ihren Blicken, in ihren Gesten und in ihrem Lächeln schien zu sagen: »Ja, Sie haben das Richtige getroffen und sind des Glückes wert, das Sie erwartet!«

»Es hat ja in seiner Einsamkeit kokettiert!« rief Wassja aus, der nun seine ganze Liebe auf das reizende Häubchen übertrug. »Es hat sich mit Absicht versteckt, das Täubchen, das Schelmchen!« Und er küßte das Häubchen, oder vielmehr die Luft, die es umgab: denn er fürchtete, seine Kostbarkeit auch nur zu berühren.

»So verbirgt sich auch das wahre Verdienst und die echte Tugend,« setzte Arkadij ganz begeistert hinzu: diese Phrase hatte er am Morgen in einer geistvollen Zeitung gelesen und tischte sie nun des humoristischen Effektes wegen auf. »Also was meinst du, Wassja?«

»Hurra, Arkascha! Du bist heute auch geistreich, du wirst Furore machen, wie es die Damen nennen, – ich prophezeie es dir! – Madame Leroux, Madame Leroux!«

»Was steht zu Diensten?«

»Meine liebe Madame Leroux!«

Madame Leroux blickte Arkadij Iwanowitsch an und lächelte etwas herablassend.

»Sie glauben nicht, wie ich Sie in diesem Augenblick verehre … Gestatten Sie, daß ich Sie küsse …« Und Wassja umarmte und küßte die Verkäuferin.

Sie mußte in diesem Augenblick unbedingt ihre ganze Würde zusammennehmen, um sich dem Attentäter gegenüber nichts zu vergeben. Ich behaupte aber, daß dazu auch die ganze angeborene natürliche Liebenswürdigkeit und Grazie gehört, mit der Madame Leroux den Ausbruch von Wassjas Begeisterung hinnahm. Sie verzieh ihm. Und wie geschickt, wie graziös fand sie sich in die Situation! Wie könnte man auch Wassja zürnen?

»Madame Leroux, wie hoch ist der Preis?«

»Fünf Silberrubel,« antwortete sie, sich ihre Frisur in Ordnung bringend und wieder lächelnd.

»Und dieses da, Madame Leroux?« fragte Arkadij Iwanowitsch, auf das von ihm gewählte Häubchen weisend.

»Dieses kostet acht Silberrubel.«

»Erlauben Sie einmal, erlauben Sie einmal! Sie werden doch zugeben, Madame Leroux … Nun welches Häubchen ist nach Ihrer Meinung schöner, graziöser, liebenswürdiger, welches sieht Ihnen ähnlicher?«

»Jenes ist etwas reicher, doch das von Ihnen Gewählte – c'est plus coquet.«

»Also nehmen wir dieses!«

Madame Leroux schlug das Häubchen in einen Bogen unendlich feinen Seidenpapiers ein, das sie mit einer Nadel zusammensteckte, und das Papier mit dem darin eingewickelten Häubchen schien nun leichter geworden zu sein, als es vorher ohne Häubchen gewesen war. Wassja nahm das Paket mit verhaltenem Atem, sehr vorsichtig in die Hand, verabschiedete sich von Madame Leroux, sagte ihr noch etwas höchst Liebenswürdiges und verließ den Laden.

»Ich bin ein Lebemann, Arkascha, ich bin zum Lebemann geboren!« schrie Wassja lachend. Er lachte wie in einem Krampfe, nervös und kaum hörbar. Dabei wich er den Passanten aus, denn er hatte sie alle ohne Ausnahme im Verdacht, ihm sein kostbares Häubchen zerknüllen zu wollen.

»Höre einmal, Arkadij, höre!« begann er eine Minute später, und eine große Feierlichkeit, eine unsagbare Liebesseligkeit klang aus seiner Stimme. »Arkadij, ich bin so glücklich, so glücklich!«

»Wassinka, und wie glücklich bin ich, mein Lieber!«

»Nein, Arkascha, nein! Deine Liebe zu mir ist grenzenlos, – ich weiß es, doch du kannst nicht auch den zehnten Teil von dem empfinden, was ich jetzt empfinde. Mein Herz ist so übervoll!! Arkascha, ich bin ja meines Glückes gar nicht wert! Ich fühle es, ich ahne es. Womit habe ich es verdient,« sagte er mit tränenerstickter Stimme, »was habe ich geleistet, das mir ein Recht darauf gibt? Sage es mir nur! Sieh nur hin, wieviel Menschen es gibt, wieviel Tränen, wieviel Kummer, wieviel grauen Alltag ohne Feste! Und ich! Ich werde von einem solchen Mädchen geliebt, ich … Doch du wirst sie gleich selbst sehen, wirst ihr edles Herz selbst kennen lernen. Ich bin von niedriger Herkunft, doch jetzt habe ich einen Beamtenrang und ein unabhängiges Einkommen – mein Gehalt. Ich bin mit einem Gebrechen auf die Welt gekommen: ich bin etwas schief gewachsen. Und siehe: sie liebt mich so wie ich bin. Julian Mastakowitsch war heute so zärtlich, so aufmerksam, so höflich zu mir; er spricht ja sonst fast nie mit mir; heute ging er aber auf mich zu und sagte: ›Nun, Wassja,‹ (bei Gott: er sprach mich mit Wassja an), ›du wirst wohl in den Feiertagen ordentlich bummeln?‹ (Und dabei lachte er!)

Und ich sagte ihm: ›Exzellenz,‹ sagte ich, ›ich habe ja zu tun!‹ Doch dann faßte ich mir Mut und sagte: ›Vielleicht werde ich mich auch etwas amüsieren, Exzellenz!‹ Bei Gott, das sagte ich ihm. Er gab mir sofort Geld und richtete an mich noch einige Worte. Ich war, mein Lieber, so gerührt, daß mir Tränen in die Augen traten; er war anscheinend auch etwas gerührt; er klopfte mich auf die Schulter und sagte: ›Sei immer so dankbar und ergeben, wie du es jetzt bist, Wassja!‹«

Wassja verstummte für ein Weile. Arkadij Iwanowitsch wandte sich weg und wischte sich gleichfalls einige Tränen aus den Augen.

»Und dann noch etwas … ,« sagte Wassja fortfahrend. »Ich habe es dir ja noch niemals gesagt, Arkadij … Arkadij! Du beglückst mich so sehr mit deiner Freundschaft, ohne dich könnte ich gar nicht leben, – nein, nein, widersprich mir nicht! Laß mich deine Hand drücken, laß mich dir danken …« Wassja kam nicht weiter.

Arkadij Iwanowitsch wollte schon Wassja um den Hals fallen; da sie aber gerade die Straße überquerten und plötzlich dicht hinter ihren Ohren den warnenden Schrei eines Kutschers: »A – achtung!« hörten, liefen sie beide erregt und erschrocken, so schnell sie konnten, aufs Trottoir. Arkadij Iwanowitsch war über diesen Zwischenfall sogar froh. Er entschuldigte Wassjas Erguß von Dankbarkeit nur mit der ganz außergewöhnlich gehobenen Stimmung, in der sich dieser augenblicklich befand. Denn er selbst machte sich Vorwürfe, daß er bisher so wenig für seinen Freund getan hatte! Er schämte sich sogar, als Wassja ihm für die wenigen Gefälligkeiten, die er ihm erwiesen, zu danken begann! Er hatte aber noch sein ganzes Leben vor sich: bei diesem Gedanken atmete Arkadij Iwanowitsch wieder freier auf …

Man hatte schon jede Hoffnung aufgegeben, daß sie kommen würden. Ein Beweis: man saß bereits am Teetische! Doch ältere Leute haben oft einen richtigeren Instinkt als die Jugend, und als was für eine Jugend! Lisa hatte ja ganz ernsthaft behauptet: »Er wird nicht kommen, Mamachen, mein Herz fühlt es, daß er nicht kommen wird.« Doch Mamachen sagte immer wieder, sie habe im Gegenteil das Gefühl, daß er unbedingt kommen werde: daß er keine Ruhe finden und herbeieilen würde, um so mehr als er am Sylvester dienstfrei habe! Doch Lisa glaubte noch immer nicht, selbst als sie die Türe öffnete, und sie traute ihren Augen nicht, als die beiden eintraten. Sie war vor Erregung ganz atemlos; ihr Herzchen begann plötzlich wie bei einem eingefangenen Vöglein zu klopfen, und sie wurde so rot wie eine Kirsche, mit der sie auch sonst einige Ähnlichkeit hatte. Mein Gott, diese Überraschung! Was für ein freudiges »Ach!« flog ihr von den Lippen! »Du Treuloser! Du Lieber!« rief sie, Wassenka umarmend … Doch stellen Sie sich vor, wie sie plötzlich erstaunte und verlegen wurde: gerade hinter Wassjas Rücken stand, etwas verlegen, als wollte er sich hinter seinem Freund verstecken, Arkadij Iwanowitsch. Ich muß an dieser Stelle bemerken, daß Arkadij Iwanowitsch sich in Damengesellschaft immer etwas unsicher fühlte; es passierte ihm sogar einmal … Doch davon später. Versuchen Sie sich nur in seine Lage zu versetzen! Es ist wirklich nicht zum Lachen! Er steht im Vorzimmer in Galoschen und Mantel, will sich seine Mütze mit den Ohrenklappen vom Kopfe reißen, und sein Kopf ist ganz mit einem entsetzlichen gelben gestrickten Schal umwickelt, der zum größeren Effekt im Nacken verknotet ist. Das alles muß er nun entwirren, aufbinden, um so bald als möglich in vorteilhafterer Gestalt zu erscheinen, denn es gibt keinen Menschen, der nicht wünschte, möglichst vorteilhaften Eindruck zu machen. Und neben ihm steht der unausstehliche und unerträgliche, andererseits natürlich der sonst so liebe und gute Wassja, doch in diesem Augenblick – der unerträgliche und erbarmungslose, und schreit: »Hier ist mein Arkadij, Lisa! Wie gefällt er dir? Er ist mein bester Freund! Umarme und küsse ihn, liebe Lisa! Gib ihm zuerst einen Kuß; und wenn du ihn später näher kennen lernst, wirst du ihm noch mehr Küsse geben …« Wie gefällt das Ihnen? Ich frage: was blieb dem Arkadij Iwanowitsch zu tun übrig? Und er hatte seinen Schal erst zur Hälfte aufgebunden! Ich muß mich manchmal selbst für Wassjas übertriebene Begeisterung schämen; sie ist ja meistens der Beweis für Herzensgüte, doch immerhin … Es war peinlich und ungeschickt!