Выбрать главу

»Ja!«

»Unsinn! Das macht nichts!« schrie Arkadij Iwanowitsch auf und sprang barfuß wie er war aus dem Bette. »Ich werde selbst den Samowar bereiten. Das ist doch wirklich nicht das erste Mal!«

Arkadij Iwanowitsch lief in die Küche und machte sich am Samowar zu schaffen; Wassja schrieb indessen weiter. Arkadij Iwanowitsch kleidete sich an und lief in eine Bäckerei, damit Wassja sich zur Nacht ordentlich stärken könnte. Nach einer Viertelstunde stand der Samowar auf dem Tisch. Sie tranken Tee, doch ein Gespräch wollte nicht zustande kommen. Wassja war zu zerstreut.

»Ja,« sagte er plötzlich, wie zur Besinnung kommend, »morgen muß ich ja Neujahrsvisiten machen …«

»Du mußt gar nicht!«

»Nein, mein Lieber, es geht einfach nicht anders!« sagte Wassja.

»Ich will mich statt deiner bei allen Vorgesetzten in die Gratulantenlisten eintragen. Brauchst gar nicht auszugehen. Bleibe nur zu Hause und schreibe. Ich würde dir raten, heute bis fünf Uhr aufzubleiben und dann schlafen zu gehen. Wie wirst du denn sonst morgen aussehen? Ich werde dich dann um punkt acht Uhr wecken …«

»Geht denn das, daß du dich für mich in die Listen einträgst?« wandte Wassja ein, der mit dem Vorschlag schon halb einverstanden war.

»Warum denn nicht? So machen es alle!«

»Ich fürchte …«

»Was fürchtest du?«

»Bei den andern ginge es ja noch; doch bei Julian Mastakowitsch – er ist ja mein Wohltäter, Arkascha! Und wenn er merkt, daß es nicht meine Handschrift ist …«

»Du glaubst, daß er das merkt? Du bist wirklich sonderbar, Wassjuk! Wie kann er es merken? Du weißt ja, daß ich deine Namensunterschrift täuschend ähnlich nachmachen kann und sogar dieselbe Schleife anhänge wie du sie machst, bei Gott! Laß das! Wer kann das merken?«

Wassja antwortete nichts und trank eilig sein Glas aus. Dann schüttelte er zweifelnd den Kopf.

»Wassja, mein Lieber! Wenn das uns doch gelingen würde! Wassja, was ist mit dir? Du machst mir angst! Weißt du, Wassja, jetzt werde ich mich gar nicht mehr hinlegen, denn ich werde nicht einschlafen können. Zeig mir: ist dir noch viel übriggeblieben?«

Wassja warf Arkadij Iwanowitsch einen solchen Blick zu, daß diesem das Herz still stand und der Atem stockte.

»Wassja! Was ist mit dir? Was hast du? Was siehst du mich so an?«

»Arkadij! Ich werde morgen zu Julian Mastakowitsch gehen und gratulieren!«

»Gut! Gehe meinetwegen!« sagte Arkadij, ihn erwartungsvoll anblickend. »Höre, Wassja, beschleunige das Tempo: ich werde dir doch nichts Schlechtes raten, bei Gott! Wie oft hat dir schon Julian Mastakowitsch selbst gesagt, daß ihm an deiner Handschrift am meisten die Leserlichkeit gefällt! Nur Skoropljochin verlangt, daß die Handschrift leserlich und zugleich auch kalligraphisch sei, doch nur um später irgendein Papier auf die Seite zu schaffen und es seinen Kindern als Schönschreibvorlage nach Hause zu bringen; als ob sich der Schafskopf nicht richtige Vorlagen kaufen könnte! Doch Julian Mastakowitsch verlangt nur das eine: Leserlichkeit! … Was willst du noch mehr? Ich weiß schon gar nicht, Wassja, wie ich mit dir sprechen soll … Ich habe sogar Angst … Du bringst mich mit deinem Trübsinn um!«

»Es ist nichts, es ist nichts …« sagte Wassja und fiel ermattet in seinen Sessel zurück. Arkadij wurde unruhig.

»Willst du Wasser? Wassja! Wassja!«

»Nein, laß nur,« sagte Wassja, ihm die Hand drückend. »Es ist nichts … Mir wurde etwas traurig zumute, Arkadij … Ich weiß selbst nicht warum … Höre einmal, sprich doch lieber von etwas anderem, erinnere mich nicht daran …«

»Beruhige dich, Wassja, beruhige dich, um Gottes willen! Du wirst schon fertig! Bei Gott, du wirst fertig! Und wenn du sogar nicht fertig wirst, so ist es auch kein großes Unglück! Das wäre doch wirklich kein Verbrechen!«

»Arkadij!« sagte Wassja und blickte dabei seinen Freund so bedeutungsvoll an, daß dieser noch mehr erschrak; er hatte Wassja noch nie in solcher Unruhe gesehen. »Wäre ich allein, wie früher … Nein, das ist nicht das Richtige! … Ich will dir ja alles sagen und anvertrauen wie einem Freunde … warum soll ich dich, übrigens, beunruhigen? … Siehst du, Arkadij: den Einen ist viel gegeben, und die Andern verrichten nur Geringes, wie ich. Nun stelle dir vor, daß man von dir ein Zeichen der Dankbarkeit und Anerkennung verlangt, und du es nicht geben kannst? …«

»Wassja, ich verstehe dich wirklich nicht!«

»Ich bin niemals undankbar gewesen,« fuhr Wassja fort, als redete er zu sich selbst. »Doch wenn ich nicht die Kraft habe, alles auszudrücken, was ich sagen will, so sieht es so aus, als ob … Das sieht so aus, Arkadij, als ob ich wirklich undankbar wäre, und das bringt mich um.«

»Was sagst du da! Besteht denn deine ganze Dankbarkeit nur darin, daß du die Arbeit rechtzeitig ablieferst! Überlege dir selbst, was du sagst! Drückt man denn seine Dankbarkeit auf diese Weise aus?«

Wassja verstummte plötzlich und sah Arkadij mit großen Augen an, als hätte dessen unerwartetes Argument alle seine Bedenken zerstreut. Er lächelte sogar, nahm aber sofort wieder seinen nachdenklichen Gesichtsausdruck an. Arkadij, der dieses Lächeln als das Ende aller Angst, und die neue Unruhe als einen Entschluß zu etwas Besserem auffaßte, war außerordentlich erfreut.

»Also, lieber Arkascha,« sagte Wassja, »wenn du während der Nacht aufwachst, so schaue nach mir: denn wenn ich einschlafe, gibt es ein Unglück. Und jetzt mache ich mich an die Arbeit … Arkascha!«

»Was denn?«

»Nein, nichts … Ich wollte nur …«

Wassja setzte sich an die Arbeit, und Arkadij legte sich zu Bett. Weder der eine noch der andere hatte auch nur ein Wort von ihrem Besuch in der Kolomna-Vorstadt fallen lassen. Vielleicht fühlten sie sich beide etwas schuldig, weil sie den Nachmittag geopfert hatten. Arkadij schlief bald ein, bange Sorge um Wassja im Herzen. Zu seinem Erstaunen erwachte er um punkt acht Uhr. Wassja schlief auf seinem Stuhl, die Feder in der Hand, ganz blaß und erschöpft; die Kerze war niedergebrannt. In der Küche machte sich Mawra am Samowar zu schaffen.

»Wassja! Wassja!« rief Arkadij erschrocken aus: »Wann bist du eingeschlafen?«

Wassja schlug die Augen auf und sprang vom Stuhl.

»Ach!« sagte er, »nun bin ich also doch eingeschlafen!«

Er stürzte sofort zu seinen Papieren: alles war in bester Ordnung. Auf den Papieren gab es weder Tintenklexe, noch Talgflecken von der Kerze.

»Ich glaube, ich bin so gegen sechs eingeschlafen,« sagte Wassja. »Wie kalt es doch in der Nacht ist! Nun wollen wir Tee trinken, und dann fange ich wieder an …«

»Nun, hat dich der Schlaf gestärkt?«

»Ja, ja, jetzt geht es!«

»Prosit Neujahr, Wassja!«

»Guten Morgen, mein Freund, guten Morgen! Auch ich wünsche dir alles Gute zum Neuen Jahr!«

Sie umarmten sich. Wassjas Kinn zitterte, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Arkadij Iwanowitsch schwieg: es war ihm recht bitter zumute. Beide tranken ihren Tee hastig herunter …

»Arkadij! Ich habe mich entschlossen: ich gehe selbst zu Julian Mastakowitsch …« »Er wird es doch gar nicht merken …«

»Ich habe beinahe Gewissensbisse, mein Lieber.«

»Du sitzt doch seinetwegen da und richtest dich seinetwegen zugrunde … Tue es lieber nicht! … Und ich werde zu ihnen gehen …«

»Zu wem?« fragte Wassja.

»Zu den Artemjews, ich werde auch in deinem Namen gratulieren.«

»Mein Lieber, mein Guter! Ja! Und ich werde hier bleiben. Dein Einfall ist wirklich gut; ich arbeite ja und vertrödele meine Zeit nicht! Warte nur einen Augenblick: ich werde gleich einen Brief schreiben.«

»Schreibe ihn nur, mein Lieber, schreibe! Ich werde mich inzwischen waschen und rasieren und den Frack abbürsten. Ja, Freund Wassja, nun werden wir beide zufrieden und glücklich sein. Umarme mich, Wassja!«