Выбрать главу

Vorsichtig löste er die Handlappen, bewegte ein paarmal prüfend die Finger und zog das Schwert aus dem Gürtel. Wie Del hatte er seine Satai-Waffe verloren, und wie Del mußte er sich jetzt mit einem Schwert der Freisegler begnügen: eine schlanke, rapierähnliche Waffe aus gehärtetem Stahl, die gut in der Hand lag und fast nichts wog. Der Griff war trotz der darumgewickelten Lederriemen so kalt, daß es beinahe schmerzte. Er schob die Waffe zurück, schloß die schmale silberne Spange, die seinen Umhang zusammenhielt, und sah Del an. Als sie losgehen wollten, vertrat ihnen eine Gestalt den Weg. Skar fuhr erschrocken zusammen und legte unwillkürlich die Hand auf den Schwertgriff, dann erkannte er Helth. Mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung ließ er die Waffe los. Der Vede mußte die Höhle schon vor ihnen verlassen haben. Er hatte die ganze Zeit reglos irgendwo im Schatten gestanden. Skar spürte Zorn. Er haßte es, belauscht zu werden.

»Was willst du?« fragte er grob.

Helth machte eine vage Geste zum Ende der Schlucht hin. »Ich begleite euch.«

Skar schüttelte unwillig den Kopf. Er sah, daß der Vede seine Waffe umgeschnallt hatte und - wie er - die zerschlissenen, aber warmen Lumpen, die er bisher trug, gegen den schwarzen Zeremonienmantel seiner Kaste eingetauscht hatte. Unwillkürlich fragte er sich, ob er selbst wohl ebenso albern aussehen mochte wie Helth, der Mühe hatte, in dem dünnen Kleidungsstück nicht vor Kälte zu zittern. »Und warum nicht?« fragte Helth finster. »Ich bin so gut wie einer von euch. Gibt es einen Grund, weshalb ich nicht mitkommen könnte? Vielleicht«, fügte er nach einer winzigen Pause hinzu, »etwas, was ich nicht wissen soll?«

»Es gibt viele Gründe, warum du hierbleiben mußt«, erwiderte Skar, und die Stimme in seinen Gedanken fügte hinzu: Sechsunddreißig. Die sechsunddreißig Schwerter, die du brauchst.

»Du wirst hier benötigt. Jemand muß bei den Männern sein, falls uns etwas zustößt«, sagte Del.

Helth schnaubte. »Ich bin kein Kind, Satai, also versuche nicht, mich so zu behandeln. Wenn wir auf einen Gegner treffen, den wir mit vereinten Kräften nicht schlagen können, dann sind die Männer so oder so verloren.«

Skar schwieg einen Moment. »Vielleicht hast du recht«, murmelte er dann.

Del wandte verwundert den Kopf und sah ihn an, schwieg aber. »Welcher von deinen Männern ist der zuverlässigste?« fuhr Skar nach einer Weile fort.

»Sie sind alle zuverlässig. Warum?«

»Wenn du uns begleitest«, sagte Skar langsam, »dann wird auch Gowenna mit uns kommen. Ich lasse sie nicht allein zurück. Einer deiner Männer muß auf Vela achtgeben.«

Helth blinzelte verwundert, ging aber nicht weiter darauf ein. »Wie du meinst«, sagte er. »Dann werde ich eine Wache abstellen, die sich um die Errish kümmert. Und Gowenna holen. Sonst keinen?«

»Sonst keinen«, bestätigte Skar. »Du hast es selbst gesagt - wenn wir auf eine Gefahr stoßen, mit der wir vier nicht fertig werden, dann rettet die Männer ohnehin nichts mehr.«

Helth nickte, ließ sich auf Hände und Knie herab und verschwand kriechend in der Höhle.

Del wartete, bis er außer Hörweite war. »Bist du sicher, daß es klug ist, ihn mitzunehmen?« fragte er.

»Ich bin ziemlich sicher, daß es nicht klug ist«, antwortete er. »Aber ich will einfach keine weitere Kraftprobe mehr. Und mir ist wohler, wenn Gowenna bei uns ist. Was hast du gehört?«

Del hatte Mühe, dem plötzlichen Gedankensprung zu folgen.

»Nicht... viel«, sagte er stockend. »Schritte, aber ich bin nicht sicher. Ein paar Steine sind...« Er brach mitten im Satz ab und runzelte verärgert die Stirn. »Verdammt, muß ich dir erklären, wie man spürt, wenn etwas nicht in Ordnung ist?«

»Nein«, sagte Skar leise. »Das mußt du nicht. Verzeih, Del.« Er drehte sich um, blickte zu dem schmalen Spalt, den sie am Ende der Schlucht erkennen konnten, und wartete ungeduldig auf Helth und Gowenna.

17.

Der Talkessel war rund: von so perfekter Form, als wäre er mit einem gewaltigen Zirkel vorgezeichnet und dann ausgestanzt worden, ein Trichter mit steil aufgeworfenen Wänden und nahezu flachem, eisfreiem Boden. Der mattschwarze Fels an seinem Grund saugte das Licht der Sterne auf, so daß Skar das Gefühl hatte, in einen gewaltigen, bodenlosen Schacht zu blicken.

Helth bewegte sich neben ihm. Sein metallener Schild schabte hörbar über den Fels, als er sein Körpergewicht von der einen auf die andere Seite verlagerte. Skar warf ihm einen stummen, mahnenden Blick zu. Trotz des unablässig heulenden Windes schien ihm jeder Laut überdeutlich hörbar zu sein. Er wußte, daß dieser Eindruck zu einem Gutteil einzig in seiner eigenen Nervosität begründet war, aber er wußte auch, daß sie es nicht mit menschlichen Gegnern zu tun hatten. Obwohl sie die beiden Gestalten am Grunde des vereisten Trichters nur als dunkle Schemen erkennen konnten, war ihnen allen klar, wem sie gegenüberstanden.

Er schob sich ein Stück in den Schatten des Felsüberhanges zurück und versuchte, das stoffliche Schwarz auf der anderen Seite des Kraters mit Blicken zu durchdringen. Del und Gowenna waren irgendwo dort drüben, in der Dunkelheit selbst nicht mehr als zwei Schatten und so lautlos wie die Wesen, die sie belauerten.

Es waren keine Menschen. Sie waren zu weiß und zu eckig, und ihre Bewegungen waren ruckhaft und abgehackt wie die von Puppen, die von unsichtbaren Fäden bewegt wurden.

Er kroch weiter zurück, richtete sich behutsam auf die Knie auf und winkte Helth mit einem stummen Blick zu sich heran. Der Vede kroch lautlos an seine Seite, legte seinen Schild - vorsichtig, um jeden überflüssigen Laut zu vermeiden - zu Boden und erhob sich ebenfalls auf die Knie. »Warum greifen wir sie nicht an?« fragte er.

Skar unterdrückte die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Helth' Ungeduld war durchaus verständlich; vielleicht hatte er sogar recht, von seinem Standpunkt aus. Er durfte nicht in den Fehler verfallen, Helth von vornherein als Prellbock für seine gereizten Nerven zu benutzen. Trotz allem war er ein Vede und damit ein Mann, der das Kriegshandwerk ebensogut beherrschte wie er. Er schüttelte stumm den Kopf, gebot Helth mit einer Geste zu schweigen und sah an ihm vorbei zur gegenüberliegenden Seite des Kraters, wo Del und Gowenna auftauchen mußten. Del hatte gesagt, er würde ihm ein Zeichen geben, wenn er bereit war, aber nicht, welcher Art dieses Zeichen sein würde. Seltsam - früher hätte er über diese Frage nicht einmal nachgedacht.

»Wir warten, bis die anderen soweit sind«, sagte er widerwillig. Helth verzog das Gesicht. »Es sind nur zwei«, meinte er. »Ich glaube nicht, daß wir ihre Hilfe brauchen, um mit ihnen fertig zu werden.«

Skar schüttelte den Kopf. »Kannst du auch noch an etwas anderes als an Kampf und Tod denken?« fragte er scharf; schärfer, als er eigentlich beabsichtigt hatte. »Entschuldige«, fügte er nach einer Pause und in versöhnlichem Ton hinzu. »Es war nicht so gemeint. Aber gerade, daß es nur zwei sind, macht mir Sorgen. Ich frage mich, wo die anderen sein mögen.«

Helth lächelte. »Schon gut. Du hast ja recht.« Er gab einen Laut von sich, von dem Skar nicht ganz sicher war, ob er ein Seufzen oder etwas anderes ausdrücken sollte, setzte sich auf, so daß er nur noch auf den Zehenspitzen balancierte, und blickte wieder in den Krater hinab. Die beiden breitschultrigen weißen Gestalten hatten sich nicht gerührt. Wie leblose Statuen aus Eis standen sie vor dem mattschwarzen Fels, reglos, starr und stumm. Aber sie wirkten fast noch bedrohlicher, als hätten sie ein Zeichen von Leben von sich gegeben.