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Die Höhle war nicht sehr groß. Sie waren kaum zwanzig Schritte gegangen, als der Boden sanft anzusteigen begann und nach wenigen weiteren Metern in eine senkrechte, glatte Wand überging. Und es war so, wie der Mann gesagt hatte - es gab keinen zweiten Ausgang. Nicht einmal einen Spalt. Die Rückwand der Höhle war so glatt und fugen los, als wäre sie versiegelt worden.

»Aber das ist doch unmöglich«, murmelte Del. Skar schwieg. Er schwenkte die Fackel, hielt sie so dicht an die Wand heran, daß die Flamme zischend gegen das Eis leckte, und fuhr mit der Hand über das schimmernde Weiß. Das Eis fühlte sich glatt an, beinahe zu glatt. Er trat ein Stück zurück, sah nach rechts und links und blickte dann wieder zu der Stelle hinauf, wo die Flamme seiner Fackel die Wand berührt hatte. Das flache Oval, das die Hitze in das Eis gebrannt hatte, war die einzige sichtbare Unterbrechung der schimmernden weißen Fläche.

»Hier ist sie jedenfalls nicht raus«, sagte Del bestimmt. »Deine Männer haben gelogen.«

Die Worte galten Helth, und der Vede fuhr mit einem wütenden Zischen herum und funkelte Del an. Sein Atem bildete flüchtige graue Wölkchen vor seinem Gesicht, und für einen winzigen Moment schienen Skar die Züge, die er dahinter wahrnahm, kaum noch menschlich, sondern auf bizarre Weise verzerrt und verdreht. Aber das mußte an der unsicheren Beleuchtung liegen. »Hüte deine Zunge, Satai«, riet er ihm. »Ich weiß sowenig wie du, wie sie es bewerkstelligt hat. Vielleicht war dunkle Magie im Spiel oder irgendeiner der Tricks, den diese Errish auf Lager haben. Aber wenn meine Männer sagen, sie ist hier entlang gegangen, dann ist es so.«

Del verzog spöttisch die Lippen. »Und wie, wenn ich fragen darf? Hat sie vielleicht einen Zauberspruch aufgesagt, auf den hin sich die Wand vor ihr aufgetan hat?«

»So ungefähr«, mischte sich Skar wieder ein, bevor Helth auf seinen sarkastischen Ton reagieren und vollends auffahren konnte. Del sah ihn verwirrt an, und auch Helth drehte sich zu ihm um und zog fragend die Augenbrauen in die Höhe.

»Der Matrose hat die Wahrheit gesagt«, stellte er ruhig fest. Er reichte Del seine Fackel, zog sein Schwert aus dem Gürtel und packte es mit beiden Händen.

»Was -«

Del verstummte, als Skar die Waffe schwang und die dünne Klinge wuchtig gegen die Wand krachen ließ.

Das scheinbar massive Eis zersprang wie Glas. Ein ungeheures, nicht endendes Klirren und Bersten ließ die Höhle erzittern, als Skar immer und immer wieder zuschlug und kopfgroße Stücke aus der Wand heraushieb.

Nach kaum einer Minute hatte er eine Öffnung geschaffen, durch die ein erwachsener Mann bequem hindurchgehen konnte. Das Eis war nur scheinbar massiv. Es war nicht so klar wie normales Eis, sondern von milchiger weißer Farbe, so daß sie den Eindruck bekommen hatten, vor einer meterdicken Mauer zu stehen. Aber die Wand war kaum stärker als eine Schwertklinge, und die Höhle setzte sich auf der anderen Seite fort. Ein eisiger Luftzug wehte durch den entstandenen Durchgang und ließ ihre Fackeln flackern.

Del keuchte, trat näher an das gezackte Loch heran und beugte sich neugierig vor. Skar hielt ihn zurück, als er mit einem Schritt hindurchtreten wollte. »Tu es nicht.«

»Warum?« fragte Del. »Ihr Vorsprung kann noch nicht sehr groß sein.«

Statt einer direkten Antwort wies Skar auf die Ränder der Öffnung. Das Eis wuchs nach.

Als liefe die Zeit vor ihren Augen hundert Mal schneller ab, bildeten sich blitzende Kristalle und glitzernde, blattdünne Häutchen an den zerborstenen Kanten, wuchsen zu Schollen und großen durchbrochenen Mustern zusammen und begannen den Durchgang zu verschließen.

Del keuchte. Seine Augen weiteten sich ungläubig. »Das ist -«

»Zauberei«, sagte Helth erregt. »Geh ruhig hindurch, Satai. Ich bin sicher, sie wird dir einen würdigen Empfang bereiten.« Sein Blick wurde hart. Mit einer wütenden Bewegung ließ er die Faust auf den Rand des Loches krachen; ein weiteres Stück brach aus der Wand und zersplitterte auf dem Boden, aber auch hier begann der unheimliche Regenerationsprozeß beinahe augenblicklich. Der Anblick erinnerte Skar überdeutlich an das, was er draußen im See mit dem Dronte erlebt hatte.

»Glaubt ihr mir jetzt?« fragte Helth. »Sie hat uns alle nur benutzt, auch euch, ihr stolzen, tapferen Satai! Die beiden Eiskrieger dort draußen waren nur dazu da, uns hier wegzulocken, und -«

»Schweig lieber«, unterbrach ihn Skar. Er sprach ganz ruhig, aber in seiner Stimme war ein leiser, warnender Ton, der Helth zum Verstummen brachte. Der junge Vede zitterte. Seine Hände fuhren in fahrigen, unbewußten Bewegungen über den Gürtel, strichen über die leere Schwertscheide und fingerten an den Ösen des Kettenhemdes, das er unter seinem Wams trug. Skar war plötzlich sicher, daß er ihn angegriffen hätte, wäre er im Besitz einer Waffe gewesen.

»Warum?« fragte Helth verbissen. »Hast du Angst, die Wahrheit zu hören? Geht es gegen deine Ehre, zuzugeben, daß man dich hereingelegt hat, du tapferer Satai?«

Del spannte sich ein ganz kleines bißchen. Die Bewegung war im flackernden Licht der Pechfackel mehr zu erahnen als wirklich zu sehen, aber sowohl Skar als auch Helth spürten es.

Skar deutete durch die Bresche in der Eiswand. »Wir müssen sie verfolgen«, befahl er knapp. »Rufe ein paar deiner Männer, Helth.« Der Vede rührte sich nicht von der Stelle. »Das ist doch sinnlos«, sagte er trotzig. »Sie ist längst verschwunden, und -«

»Vielleicht finden wir Spuren«, unterbrach ihn Skar. »Aber nur, wenn wir uns beeilen, Helth. Wenn es wieder zu schneien beginnt oder der Wind auffrischt, ist es zu spät. Geh und rufe ein paar deiner Männer.«

Es war nicht nötig. Die Freisegler waren ihnen gefolgt, in großem Abstand zwar und weitaus vorsichtiger als sie, aber doch dicht genug, daß sie seine Worte verstanden hatten. Drei, vier der ausgemergelten Gestalten traten zögernd in den Kreis flackernder Helligkeit, der sie umgab; unter ihnen der dunkelhaarige Mann, mit dem Skar schon zuvor gesprochen hatte.

»Niemand von uns wird euch dorthin folgen, Herr«, sagte er und zeigte auf das finstere Gewölbe, das hinter der gezackten Öffnung sichtbar geworden war. Seine Stimme klang leise, aber fest. Er hielt Skars Blick nicht stand. »Hier ist Hexenkunst am Werke, Herr, und -«

»Blödsinn«, mischte sich Del ein. »Das ist keine Hexerei, sondern ein übler Trick dieser Errish, die -«

»Laß ihn, Del«, sagte Skar. Zu dem Matrosen gewandt, fuhr erfort: »Ich respektiere eure Gründe. Mir ist selbst nicht wohl bei der Vorstellung, aber ich fürchte, wir haben gar keine andere Wahl mehr, als sie zu verfolgen. Ihr braucht nicht mit uns zu kommen. Del, ich und« - er sah den Veden scharf an und zögerte einen unmerklichen Moment - »Helth werden gehen. Nehmt euch Äxte und Schwerter und haltet den Durchgang offen, das ist alles, was ich verlange.«

Der Mann nickte nervös. Sein Blick flackerte unstet. Selbst die bloße Nähe dieser auf so unglaubliche Weise entstandenen Wand schien ihm Unbehagen zu bereiten.

Skar lächelte aufmunternd, bückte sich und trat mit einem entschlossenen Schritt durch die mannshohe Öffnung. Der Wind fauchte ihm wütend entgegen, zerrte an seinen Haaren und seinen Kleidern und ließ ihn taumeln. Es war kälter auf dieser Seite der Barriere, merklich kälter sogar, und das Licht der Fackeln bildete einen kleinen, flackernden Kreis aus rotgelber Helligkeit, der unter dem Ansturm der Finsternis beständig zusammenzuschrumpfen schien. Er streckte fordernd die Hand aus und nahm seine und Dels Fackeln entgegen, dann trat er zur Seite und ließ den jungen Satai herüber. Auch Del fröstelte, und Skar wußte, daß die Kälte auf dieser Seite nicht eingebildet war. »Wo bleibst du?« fragte Del ungeduldig, als Helth noch zögerte, ihnen zu folgen.

»Ich... brauche eine Waffe«, erklärte der Vede unsicher. Er sprach stockend, und man mußte kein großer Menschenkenner sein, um zu spüren, daß es eine Ausrede war. Trotzdem nickte Skar.