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Skar blieb einen Moment stehen, fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Die roten Nebelschleier lichteten sich allmählich, und im gleichen Maße, in dem der irrsinnige Schmerz nachließ, verebbte auch die rasende Wut in ihm. Er durfte sich nicht hinreißen lassen. Unbeherrschtheit und Wut waren der erste Schritt zur Niederlage. Wäre Helth auch nur eine Winzigkeit besser, als er war, hätte ihm diese Sekunde blinden Zornes das Leben kosten können.

Langsam ging er auf den Veden zu. Helth stemmte sich mühsam hoch, hob die Hände und ballte sie zu Fäusten, aber es war keine Kraft mehr in der Bewegung. Er atmete nicht. Skar hatte blind zugeschlagen, aber wozu sein Verstand nicht mehr in der Lage gewesen war, hatten das seine Reflexe getan - sein Hieb hatte die empfindlichste Stelle unter dem Brustbein des Veden mit tödlicher Präzision getroffen und sein Atemzentrum gelähmt. Hätte Helth kein Kettenhemd getragen, wäre er jetzt tot. Gegen seinen Willen mußte Skar den jungen Veden beinahe bewundern.

Helth hob die Hände ein wenig höher. Er atmete immer noch nicht. »Gib auf, Junge«, riet Del sanft. »Ehe du ihn wirklich wütend machst.«

Helth taumelte. Seine Lippen zitterten. Er wankte, fing sich mit einer Kraft, die er eigentlich gar nicht mehr haben dürfte, noch einmal und machte einen Schritt auf Skar zu. Seine Faust schlug in einer geradezu lächerlich langsamen Bewegung nach Skars Gesicht. Skar packte sein Handgelenk, verdrehte es und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige; gleichzeitig ließ er seinen Arm los. Helth taumelte zurück, fiel abermals auf die Knie und krümmte sich. Ein einzelner, schmerzerfüllter Atemzug schüttelte seinen Körper. Er krümmte sich weiter, übergab sich würgend und mehrmals hintereinander und rang qualvoll nach Luft. Skar riß ihn vom Boden hoch, schlug ihm noch einmal die flache Hand ins Gesicht und warf ihn gegen die Wand. Helth versuchte ungeschickt, seinen Sturz aufzufangen, schlug mit dem Kopf gegen einen Felszacken und sackte lautlos zu Boden.

»Packt... sie«, würgte er hervor. »Packt sie und... bringt sie um.« Es dauerte einen Moment, bis Skar begriff, was Helth' Worte bedeuteten. Aber selbst dann weigerte er sich, es zu glauben.

Del spannte sich. Seine Hand glitt zum Schwertgriff und zog die Waffe ein Stück weit aus dem Gürtel.

»Packt sie!« keuchte Helth noch einmal. Das Sprechen mußte ihm Schmerzen bereiten; sein Gesicht zuckte, und aus seinem Mund lief noch immer Blut. Aber er sprach laut genug, daß seine Worte selbst im hintersten Winkel der Höhle noch deutlich hörbar waren.

Skar drehte sich rasch, aber ohne Hast um. Die Freisegler waren herangekommen und hatten einen weiten, halboffenen Kreis um ihn, Del und den Veden gebildet. Keiner von ihnen hob auch nur einen Finger, um Helth' Befehl zu befolgen. Auf ihren Gesichtern war das gleiche Gefühl zu lesen, das auch in Skar emporstieg - Unglauben, Staunen; vielleicht Verwirrung und Furcht.

»Ihr sollt sie töten!« keuchte Helth. Er bäumte sich auf, suchte mit den Händen nach Halt an der Wand und sank mit einem schmerzerfüllten Wimmern zurück.

»Bemühe dich nicht«, sagte Skar leise. Seine Stimme zitterte, und er begann erst jetzt wirklich zu spüren, wie sehr ihn der kurze Kampf erschöpft hatte. Helth war ein härterer Gegner gewesen, als er geglaubt hatte. »Sie werden dir nicht gehorchen.«

Helth' Blick irrte unstet umher. Noch einmal versuchte er auf die Füße zu kommen, und diesmal gelang es ihm, sich in eine halbwegs sitzende Position hochzustemmen. Seine Augen waren geweitet. Irgend etwas flackerte darin, etwas, das Wahnsinn sein konnte, aber auch etwas anderes und Schlimmeres. »Warum... gehorcht ihr nicht?« würgte er stockend hervor. »Tötet sie beide! Ich befehle es!«

»Wenn du noch einen einzigen Laut von dir gibst, Helth«, drohte Del leise, »dann verspreche ich dir, daß ich dich windelweich schlage - vor deinen Männern.«

»Nicht«, sagte Skar. »Laß ihn, Del.« Er schüttelte den Kopf, blickte über die Reihe der stumm dastehenden Männer und, wieder an Helth gewandt, fuhr er ruhig fort: »Sie werden dir nicht folgen, Helth. Jetzt nicht mehr. Sie hätten es vielleicht getan, bevor du mich herausgefordert hast, aber jetzt werden sie es nicht mehr tun. Gib auf.«

Helth keuchte. Mit letzter Kraft stemmte er sich hoch, taumelte an Skar vorbei und packte den am nächsten stehenden Freisegler bei den Armen. »Ihr sollt gehorchen!« brüllte er. »Ich befehle es euch! Ich bin euer Kommandant! Der Erbe Rayans.«

»Nein«, widersprach ihm Del hart. »Das warst du vielleicht, Helth. Wenn du überhaupt ein Erbe hattest, dann hast du es gerade verspielt.«

Helth stöhnte. Seine letzte Kraft schwand. Plötzlich mußte er sich an den Schultern des Mannes, den er gerade noch geschüttelt hatte, festhalten. Er zitterte. Ein rascher, schmerzhafter Krampf durchfuhr seinen Körper. Der Matrose verzog angewidert das Gesicht, streifte seine Hände ab und machte einen Schritt zurück. Helth sank mit einem kraftlosen Wimmern auf die Knie.

»Gib auf, Helth«, forderte ihn Del nochmals auf. »Sie folgen keinem Wahnsinnigen.« Skar sah ihn warnend an, aber Del hatte ohnehin gesagt, was er hatte sagen wollen. Mit einem letzten, abfälligen Schnauben wandte er sich um und ging zu Gowennas Lager zurück. Auch die Freisegler begannen einer nach dem anderen, sich wieder ihren Schlafstellen zuzuwenden, nicht, weil es dort noch etwas für sie zu tun gab, sondern einzig, um Helth den Rücken zuzukehren. Der Kreis, den sie um den Kampfplatz gebildet hatten, brach auf. Helth blieb allein zurück, und wider besseres Wissen ließ sich Skar neben ihm auf ein Knie nieder und versuchte, ihm ins Gesicht zu sehen. Helth drehte den Kopf zur Seite.

»Du hast verloren, Junge«, sagte er sanft. »Aber auch ich habe nicht alle meine Gegner bezwungen. Es ist keine Schande, einen guten Kampf zu verlieren. Und du hast gut gekämpft.«

Seine Worte waren sinnlos. Er spürte es. Aber er war sie viel mehr sich selbst als dem Veden schuldig gewesen. Sein Sieg erfüllte ihn nicht mit Befriedigung oder gar Triumph. Helth hatte keine faire Chance gehabt. Nicht gegen ihn und nicht in der psychischen Verfassung, in der er gewesen war.

Er stand auf, berührte Helth an der Schulter und streckte ihm die Hand entgegen.

Der Schlag kam so überraschend, daß er erst begriff, was überhaupt geschehen war, als er auf dem Rücken lag und sein Kopf hart gegen den felsigen Boden schlug.

Helth kam mit einem Schrei, der kaum mehr menschlich klang, auf die Füße, sprang mit einem verzweifelten Satz über Skar hinweg und griff nach dem Schwert, das ihm Del entwunden hatte. Seine Finger schlossen sich um den lederbezogenen Griff der Waffe. Er rollte herum, taumelte auf die Füße und schlug blind nach Del, der ebenfalls aufgesprungen war und einen Schritt auf ihn zugemacht hatte. Die Klinge verfehlte sein Gesicht um Millimeter und riß einen dreieckigen Stoffetzen aus seinem Cape. Del prallte zurück, verlor auf dem spiegelglatten Boden das Gleichgewicht und fiel. Helth war mit einem gellenden Schrei über ihm, trat ihm mit aller Gewalt ins Gesicht und fuhr herum, als einer der Matrosen von hinten nach seinem Arm griff. Sein Schwert vollführte eine irrsinnig schnelle Kreisbewegung. Der Freisegler wankte zurück, griff mit beiden Händen nach seiner durchschnittenen Kehle und brach zusammen. Helth stieß wieder diesen unmenschlichen Wahnsinnsschrei aus, fuhr abermals herum und hetzte zum Ausgang.

Als Skar auf die Füße kam, hatte er bereits die Hälfte des niedrigen Felstunnels hinter sich gebracht und kroch hastig weiter.

Zwei Männer aus der Mannschaft zogen ihre Waffen und wollten ihm folgen. Skar hielt sie mit einer hastigen Geste zurück. »Er würde euch töten«, sagte er. Einer der Männer nickte; der andere machte einen weiteren Schritt hinter dem Veden her und blieb dann ebenfalls stehen.