Выбрать главу

»Er ist tot, nicht?« fragte Skar. »Ihr...«

»Er lebt«, sagte Yar-gan zum wiederholten Mal. »Der Mann, dessen Leichnam du an den Ufern des Besh gefunden hast, war nicht Del.« Skar starrte ihn an. Die Worte des Sumpfmannes hatten ihn getroffen wie ein Fausthieb. »Er...«

»Es war nicht Del, den du aus Cosh fortreiten sahst«, fuhr Yar-gan fort. »Velas Gift war zu stark in ihm, Skar. Es wäre sein Untergang gewesen, hätten wir deinem Wunsch entsprochen und ihn gehen lassen. Er wäre mit ihr in den Tod gegangen, und er hätte vielen anderen den Tod gebracht. Glaube mir. Vielleicht«, fügte er nach einer winzigen Pause hinzu, »hättest du den Kampf verloren, hätten wir ihn gehen lassen. Er ist ein Satai wie du, vergiß das nicht. Er weiß alles, was du weißt, und er ist jung und stark.«

Skar keuchte. »Ihr habt...«

»Ich kenne ihn«, fuhr der Sumpfmann unbeeindruckt fort, »vergiß das nicht. Ein Teil von ihm ist auch in mir. Ich kenne seine Gedanken und seine Art zu reagieren und zu handeln. Vielleicht hätte er dich besiegt. Del ist dein Schüler, und er hat viel von dir gelernt. Mehr, als du selbst ahnst, Skar.«

»Wo ist er?« keuchte Skar. »Noch in Anchor? Oder bei euch in Cosh?«

»Wir haben ihn zurückgeschickt zum Berg der Götter«, antwortete Yar-gan. »Er und ich haben Cosh zur gleichen Zeit verlassen. Wir haben für ihn getan, was wir konnten, doch auch unserer Macht sind Grenzen gesetzt. Wir haben die Wunden seines Körpers geheilt und seine Matrix wieder hergestellt, doch die Narben auf seiner Seele können nur die Hohen Satai pflegen. Du wirst ihn treffen, wenn du zum Berg der Götter zurückkehrst. Ich glaube, er wartet auf dich.« Plötzlich blitzte ein Lächeln durch die wogenden Schemen vor seinem Gesicht. »Du hast es die ganze Zeit gefühlt, nicht wahr?« fragte er. Skar nickte, und Yar-gan fuhr nach einer hörbaren Pause fort: »Ich wußte es. Del und du, ihr seid mehr als Freunde. Ich weiß nicht, was es ist, das euch verbindet, aber es ist zu stark, um auf Dauer getäuscht zu werden. Es ist gut, daß du die Wahrheit erkannt hast, Skar.«

»Warum?« fragte Skar matt. »Warum diese Lügen, Yar-gan? Warum habt ihr es mir nicht gesagt, als wir uns in Elay getroffen haben und alles vorbei war?«

»Weil es das nicht war«, antwortete Yar-gan ernst. »Es war nicht vorbei, und es ist immer noch nicht vorbei - vielleicht wird es niemals enden. Die Errish hat Kräfte geweckt, die diese Welt wie eine Eierschale zerbrechen können, Skar. Sie hat ihre Ziele nicht erreicht, aber sie hat das Schicksal dieser Welt verändert. Die Zukunft wird anders aussehen, so oder so.«

Skar fuhr sich müde mit den Händen über die Augen. Plötzlich fühlte er sich müde und ausgebrannt. »Und Gowenna? Weiß sie...«

»Von mir?« Yar-gan schüttelte hastig den Kopf. »Nein. Und es wäre gut, wenn sie weiterhin in dem Glauben bliebe, ich wäre Del. Es ist anders gekommen, als ich geglaubt habe, aber ursprünglich bin ich ihretwegen mitgekommen, Skar. Vieles mag für dich anders aussehen als noch vor Minuten, aber eines ist gleich geblieben: Ich traue ihr nicht. Sie hatte ihre eigenen Pläne mit Vela, sie hatte sie, und ich glaube, sie hat sie noch.«

»Warum zwingst du sie nicht, die Wahrheit zu sagen?« fragte Skar. »Ich kann es nicht, Skar«, antwortete der Sumpfmann ernst. »Du überschätzt unsere Möglichkeiten, wie die meisten. Wir haben Macht über die Gedanken der Menschen, das ist wahr, aber sie ist beschränkt. Wir können ein wenig täuschen und Dinge vorgaukeln, die nicht sind, und einen schwachen Geist vermögen wir zu beeinflussen; manchmal. Aber ihr Geist ist stark, so stark wie der deine, und in ihr schlummern die gleichen Kräfte wie in dir. Vielleicht wäre ich nicht einmal in der Lage, ihr zu widerstehen, wenn es zu einem Kampf zwischen uns käme.«

»Zu einem Kampf...«, wiederholte Skar halblaut. »Glaubst du wirklich, daß es dazu kommen könnte?«

Yar-gan antwortete erst nach einer Weile. Sein Blick ging an Skar vorbei ins Leere, und obwohl sein Gesicht wieder menschliche Züge angenommen hatte, bewegten sich seine Lippen nicht beim Sprechen. »Ich weiß nicht, was kommen könnte«, murmelte er. »Helth hat alles geändert. Ich glaube nicht, daß sich die Frage für uns stellen wird, Skar. Selbst wenn wir Vela finden, ehe sie das Kind gebährt, werden wir sterben.«

Skar machte eine ärgerliche Geste. »Du hast wirklich mehr von Del in dir, als ich dachte«, knurrte er. »Er spricht auch ununterbrochen von Tod und Sterben, weißt du? Noch leben wir, und wir sind vierzig gegen einen. Helth ist keineswegs unsterblich und schon gar nicht unverwundbar. Wäre er es, wäre er... nicht... geflohen.« Plötzlich fiel es ihm schwer weiter zu reden. Sein Verhalten kam ihm mit einem Mal absurd vor, so absurd wie ihre ganze Situation.

»Du bist verwirrt«, sagte Yar-gan leise. Skar versuchte zu lächeln, sah weg und atmete hörbar ein. Yar-gan hatte recht - er war verwirrt, mehr als jemals zuvor in seinem Leben, und man mußte kein Sumpfmann sein und hinter die Stirn seines Gegenübers blicken können, um dies zu erkennen. Was Yar-gan nicht wußte, war der Grund für seine Verwirrung. Es war nicht die plötzliche Demaskierung des Sumpfmannes; er hatte die ganze Zeit gespürt, daß Del nicht Del war, und seine Überraschung hielt nur wenige Augenblicke an. Er vermochte selbst nicht zu sagen, woher das quälende Gefühl in seinem Inneren kam. Irgend etwas stimmte nicht. Yar-gan mochte der Meinung sein, ihm den letzten Teil des Geheimnisses verraten zu haben, aber das war nicht wahr. Etwas fehlte noch, damit alles einen Sinn ergab. Etwas Entscheidendes.

»Gehen wir zurück«, schlug er nach einem Blick in den Himmel vor. Die Wolken zerrissen zusehends; das Firmament jedoch war noch immer von einem tiefen, drohenden Schwefelgelb, aber die größte Wut des Sturmes war gebrochen.

Yar-gan erhob sich wortlos, hob seine Waffen vom Boden auf und steckte Schwert und Dolch wieder in den Gürtel.

24.

Der Mann neben ihm war wieder Del, als sie zu den wartenden Männern in die Turmruine zurückkehrten. Die Veränderung war so schnell vonstatten gegangen, daß er nicht einmal gemerkt hatte, wie es geschah - das graue Schattengesicht hatte sich von einer Sekunde auf die andere in Dels vertraute Züge zurückverwandelt, und selbst seine Art zu gehen und sich zu bewegen war anders geworden: noch immer kraftvoll und schnell, - viel kraftvoller als seine eigenen oder die irgendeines anderen -, aber doch wieder von Müdigkeit und Erschöpfung geprägt, als hätte der Sumpfmann mit seinem wahren Aussehen auch einen Teil seiner übermenschlichen Kraft eingebüßt. Er schien nicht einfach in die Maske eines Menschen geschlüpft, sondern wirklich zum Menschen geworden zu sein, und es fiel Skar - so absurd ihm der Gedanke selbst vorkam - plötzlich schwer, zu glauben, daß der Mann an seiner Seite nicht Del war; beinahe ebenso schwer, wie es ihm zuvor gefallen war, Del in ihm zu sehen. Der Gedanke ließ ihn lächeln. Yar-gan hatte recht - er war verwirrt.

Die Männer wichen vor ihnen zurück, als sie durch den Eingang traten. Skar spürte gleich, daß sich etwas verändert hatte. Die Kluft zwischen ihnen war noch tiefer geworden, aber es war jetzt nicht mehr dieser mit Furcht gemischte Respekt, der ihm - und auch Yar-gan, wie ihm plötzlich klar wurde - entgegenschlug. Nicht nur. Irgend etwas war hinzugekommen.

Er blieb stehen, tauschte einen raschen Blick mit dem Sumpfmann und versuchte zu lächeln. Es mißlang. Die Männer starrten ihn an, und Skar hatte plötzlich das Gefühl, daß in ihrem Schweigen etwas unbestimmt Drohendes, ja beinahe Feindseliges lag.

Er schüttelte den Gedanken ab, hob sein Gepäck und seinen Mantel auf und warf sich beides über die Schultern. »Seid ihr soweit?« Er versuchte, seiner Stimme einen möglichst beiläufigen Ton zu geben, kam sich aber gleichzeitig albern dabei vor, denn von den einunddreißig Männern, die ihm und Yar-gan gegenüberstanden, hörten sowieso nur zwei oder drei seine Worte. Die anderen waren zur Taubheit verdammt, Gefangene des Schweigens, das Cor-ty-cors Mauern ausstrahlten. Einzig die Stimme des Sumpfmannes war normal zu verstehen, als unterliege sie nicht den verdrehten Gesetzen dieser Stadt, und das Gespräch mit ihm hatte Skar fast vergessen lassen, daß die Welt hier nicht mehr so war, wie der sie kannte.