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»Konnte sie das wirklich nicht?« Skar hatte den Blick gesenkt und eine Sekunde lang das verzerrte Spiegelbild seines eigenen Gesichtes angestarrt, und für einen Moment war es ihm unwirklicher und fremdartiger als das Yar-gans vorgekommen. Er wußte, daß hinter Dels Zügen die grauen Schemen eines Schattengesichtes warteten. Und hinter seinen eigenen? Was war das, was da in ihm lauerte und ihn manchmal aus seinen eigenen Augen spöttisch ansah? Schließlich hatte er sich von dem Bild losgerissen und wieder den Sumpfmann angestarrt. »Aber selbst ohne das Zusammentreffen mit ihm wäre die Reise gefährlich und hart geworden, Yar-gan. Es ist ein weiter Weg zum Berg der Götter.«

»Vielleicht verspürte sie immer noch Angst vor Vela«, hatte Yar-gan vermutet. »Oder vor dem Kind. Vielleicht auch Angst, ihre Macht allein würde nicht ausreichen, mit ihm fertig zu werden.«

»Oder sie plante etwas, das nicht einmal die Margoi wissen durfte. Etwas, das -«

»Es nutzt nichts, wenn wir wild herumrätseln«, hatte der Sumpfmann ihn unterbrochen. Seine Stimme war plötzlich verändert; ungeduldig, beinahe drängend. »Wir müssen sie suchen, Skar.«

Suchen... Um ein Haar hätte Skar schrill aufgelacht. Allein der Gedanke, in dieser Hölle aus Kälte und Weiß einen einzelnen Menschen suchen und - in wenigen Stunden - finden zu wollen, erschien ihm lächerlich. Aber er besaß einfach nicht mehr die Kraft dazu. In diesem Moment war etwas in ihm, etwas, das die ganze Zeit unter einem unerträglichen Druck gestanden hatte, vollends zerbrochen. Wäre Helth in diesem Moment erneut aufgetaucht, um ihn zu töten, er hätte sich nicht einmal mehr gewehrt. Yar-gans weitere Worte waren nicht mehr bis zu Skars Verstand vorgedrungen, und schließlich hatte sich der Sumpfmann schweigend umgewandt und war zu den Männern gegangen, um die Wirkung von Gowennas Beeinflussung rückgängig zu machen.

Eine Veränderung in seiner Umgebung ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken. Er sah auf, wischte die Tränen, die Müdigkeit und Erschöpfung in seine Augen getrieben hatten, mit der Hand fort und blinzelte. Vor ihnen lag eine breite, von senkrechten, in Form und Größe nicht genau auszumachenden Wänden gesäumte Straße, deren Ende sich in flackernder grauer Dämmerung verlor. Das Eis war hier trüb, durchzogen von grauen Schlieren wie gefangenen Wolken und Millionen winziger feinverästelter Risse. Dieser Anblick ließ ihn für einen Moment an die Turmruine denken, aber der Schrecken, der diese Erinnerung begleitete, verging rasch.

Ein paar der Männer waren stehengeblieben, und er sah, daß Del - Yar-gan, verbesserte er sich hastig in Gedanken - sich umgedreht hatte und heftig mit beiden Armen gestikulierte. Skar starrte ihn einen Herzschlag verständnislos an, ehe er begriff. Seine Gedanken bewegten sich zäh wie Lava. Er lud sein Bündel ab, öffnete die Spange seines Mantels, um bequemer gehen zu können, und eilte auf den Sumpfmann zu.

»Helth?« fragte er. Seine Stimme versickerte in der Luft, aber Yar-gan hätte ihn auch verstanden, wenn er ihn nicht direkt angesehen hätte. Er schüttelte den Kopf, trat beiseite und deutete nach vorn. Skar folgte der angezeigten Richtung und fuhr zusammen.

Der Weg gabelte sich vor ihnen; nach links führte die Straße so breit und eben wie bisher weiter, zur anderen Seite hin wurde sie schmaler und stieg gleichzeitig sanft an. Aber sie würden nicht frei wählen können, denn auf der linken Seite, fünfzig, allerhöchstens sechzig Schritt entfernt, standen zwei gewaltige, weiß schimmernde Gestalten - die beiden Eiskrieger, die ihnen vom See her gefolgt waren!

Skar erkannte sie sofort wieder, obwohl sie sich weiter verändert hatten und halb hinter wehenden weißen Schwaden verborgen waren, die wie Dampf vom Boden aufstiegen.

Yar-gan wollte sein Schwert ziehen, aber Skar hielt ihn mit einem raschen Kopfschütteln zurück. Es war wie die ersten beiden Male, als sie auf zwei dieser unglaublichen Wesen gestoßen waren - er wußte einerseits, daß der Gedanke schlichtweg lächerlich sein mußte, aber er spürte andererseits einfach, daß diese Krieger aus Eis nicht kämpfen wollten.

»Nicht«, sagte er leise. »Das hat keinen Zweck, Del.«

Yar-gan schob seine Waffe gehorsam in die Scheide zurück, sah Skar aber weiter verwundert an. Skar ignorierte seinen Blick und starrte weiter zu den gewaltigen weißen Gestalten vor ihnen hinüber. Sie kamen ihm größer vor als bisher, gleichzeitig aber auch schlanker, besser proportioniert und auf bedrückende Weise menschlicher, obwohl sich an ihrem Äußeren nichts geändert zu haben schien: Sie waren immer noch gigantisch, weiße Titanen, deren Körper und Rüstung eins waren, deren Hände mit Schwert und Schild verwachsen und deren Gesichter aus dem gleichen Material gemeißelt waren, aus dem diese ganze Stadt bestand. Und doch waren sie gleichzeitig anders, ganz anders. Bisher hatte er nur plumpe weiße Kolosse in ihnen gesehen, und sie waren wohl auch nicht viel mehr gewesen; mörderische, aber nur halb gelungene Kopien menschlicher Wesen. Jetzt war es anders. Skar spürte noch immer die Aura unglaublicher Kraft, die die Wesen ausstrahlten, aber es war auch etwas anderes darunter. Obwohl sie zu weit entfernt waren, um ihre Gesichter zu erkennen, war Skar sicher, daß die blitzenden weißen Flächen unter ihren Helmen nicht länger leer waren, sondern menschliche Züge aufwiesen.

Yar-gan wurde ungeduldig. »Greifen wir sie nacheinander an, oder teilen wir uns?« fragte er. Die beiden Giganten standen ein Stück voneinander entfernt; der eine etwas weiter hinten und auf der anderen Seite der Straße, so daß sie sie nicht gleichzeitig angreifen konnten. »Weder noch«, antwortete Skar, ohne den Blick von der bizarren Erscheinung vor sich zu nehmen. »Wir nehmen den anderen Weg.« Yar-gan starrte ihn ungläubig an. »Das kann nicht dein Ernst sein, Skar!« Er zog nun doch sein Schwert und deutete erregt mit der Spitze auf den rechten, freigebliebenen Weg, dann auf die beiden Eiskrieger. »Das ist eine Falle!« behauptete er. »Jedes Kind würde sie erkennen!« Skar lächelte. »Oder eine Warnung«, murmelte er.

»Unsinn«, entgegnete der Sumpfmann ungehalten. »Er wird plötzlich sein Herz für uns erkannt haben, wie?«

Skar löste sich mühsam vom Anblick der beiden titanischen Eiskrieger, drehte sich und sah Yar-gan an. Zorn verzerrte die Züge des Sumpfmannes, die gleiche jähzornige Wut, die so typisch für Del gewesen war und die ihn so oft in haarsträubende Situationen gebracht hatte. Er lächelte, aber er bezweifelte, daß Yar-gan den wahren Grund für dieses Lächeln begriff.

»Vielleicht ist es eine Falle«, gab er zu. »Aber selbst wenn, haben wir wohl keine große Auswahl, Del. Wir können nicht gegen sie kämpfen.«

»Es sind nur zwei!«

»Es waren auch nur zwei, die Gowenna und mich angegriffen haben«, widersprach Skar ruhig. »Und es waren nur zwei, auf die wir gestern gestoßen sind. Mein Gott, Del - wenn der Dronte diese Kreaturen ausgesandt hätte, um uns zu töten, hätten sie es längst getan! Er hätte Tausende von diesen Monstern auf uns hetzen können, statt nur zwei. Woher willst du wissen, daß nicht immer wieder nur zwei auftauchen? So lange, bis keiner von uns mehr übrig ist, um sie zu vernichten?«

Yar-gan schnappte hörbar nach Luft, aber Skar ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern sprach schnell weiter. »Möglicherweise ist es eine Falle«, sagte er noch einmal, »aber wenn, so sind wir darauf vorbereitet. Und vielleicht ist es auch etwas anderes.«

»Und was?« fragte Yar-gan übellaunig. »Etwa gar eine freundliche Einladung zu -«

»Herr!« keuchte einer der Freisegler. Yar-gan brach mitten im Satz ab, fuhr herum und erstarrte für eine halbe Sekunde.

Die beiden Giganten waren aus ihrer Erstarrung erwacht und kamen langsam auf sie zu. Skar sah, daß auch ihre Art, sich zu bewegen, menschlicher geworden war. Ihre Schritte waren leicht, beinahe elegant, aber man spürte die Kraft, die in ihren künstlichen Muskeln war. Eine Kraft, der weder er noch der Sumpfmann etwas entgegenzusetzen hätte. Nein, dachte er überzeugt. Wenn diese beiden Riesen gekommen wären, um sie zu vernichten, hätten sie es längst getan. Yar-gan wich Schritt für Schritt zurück, und auch die Freisegler begannen unruhig zu werden. Zwei, drei Krieger wandten sich um und begannen zu laufen, während die anderen den beiden näher kommenden Titanen voller Furcht entgegensahen.