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»Ich weiß.« Er nickte, beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. Er führte die Bewegung nicht zu Ende, aber nach einer Weile hob Gowenna die Finger und berührte ganz leicht seinen Handrücken. Ihre Haut war kalt. »Sie starb vor den Toren Combats, nicht? Und Kiina lebt.« Er zögerte, legte das Schwert zu Boden und legte die Hand auf ihre Schulter. Gowenna schauderte, und für einen winzigen Moment glaubte er, sie würde seine Hand abstreifen und ihn zurückstoßen, aber dann tat sie das Gegenteil, umklammerte sie mit aller Kraft und ließ sich gegen ihn sinken. »Die Frau, die ich als Gowenna kennenlernte, hätte niemals den Thron Elays besteigen können.«

»Du... weißt es?« fragte Gowenna.

»Ja, ich weiß es, Gowenna...«

Kiina, verbesserte er sich in Gedanken. Es fiel ihm schwer, sich an diesen Namen zu gewöhnen, aber er würde es müssen. Nach Del und Helth war nun auch sie nicht mehr der Mensch, an dessen Seite er aufgebrochen war, und er fragte sich unwillkürlich, ob er der nächste sein würde und wenn, ob die Veränderung vielleicht schon begonnen hatte, ohne daß er es selbst spürte. Gowenna löste sich aus seinen Armen, setzte sich auf und widerstand im letzten Moment der Versuchung, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. »Der Sumpfmann hat es dir gesagt.«

Er nickte. Für einen Moment war er überrascht, daß Gowenna das Geheimnis des Sumpfmannes kannte, aber dann fiel ihm wieder ein, daß sie längst nicht mehr auf die beschränkten Möglichkeiten, Wissen und Erkenntnis zu erlangen, die ihm zur Verfügung standen, angewiesen war. Im Grunde begriff er erst jetzt wirklich, wem er gegenübersaß. Es war nicht irgendeine Frau, nicht irgend jemand, der über ein paar besondere Fähigkeiten und ein bißchen geheimes Wissen verfügte, sondern die Margoi der Errish. Vielleicht gab es auf dieser ganzen Welt niemanden, der so viel verbotenes Wissen und eine so gewaltige geistige Kraft in sich vereinigte wie sie.

»Ja«, sagte er leise. »Als du... als du fort warst. Warum hast du es mir nicht gesagt?«

»Ich konnte es nicht«, antwortete Gowenna ernst. Sie wirkte jetzt sehr viel gefaßter. »Du wärst nicht mitgekommen, wenn du die Wahrheit gewußt hättest. Weder über mich noch über Yar-gan.«

Skar überlegte einen Moment und nickte. Sie hatte recht. Er wäre zurückgeschreckt wie ein Kind, das unversehens einem Gott begegnet, hätte er gewußt, wer Gowenna in Wirklichkeit war. Und er hätte sich ebenso geweigert, mit einem Wechselbalg in der Gestalt Dels zu reisen. »Mußte ich es denn?« fragte er. »Yar-gan und du, ihr habt die Macht von Göttern«, sagte er bitter. »Oh, ich weiß, daß ihr es nicht seid, aber ihr habt die Macht von Göttern, und ich bin nichts als ein normaler Mensch. Was kann ich tun, das ihr nicht tausendmal besser könntet?«

Statt einer Antwort hob Gowenna abermals die Hand und berührte ihn flüchtig an der Stirn, und Skar spürte, wie das Ding in seinem Inneren zurückprallte und sich mit einem lautlosen Schmerzensschrei in die tiefsten Abgründe seiner Seele flüchtete, dorthin, wo es selbst vor Gowenna in Sicherheit war. Für einen Moment schwindelte ihm. »Das Kind«, sagte Gowenna ernst. »Es wird geboren werden, Skar, noch heute. Dein Kind.« Mein Kind? dachte er. Oder das Kind meines Dunklen Bruders? Hatte ihm nicht Vela deutlich genug gesagt, daß es das Erbe dieses Dinges in ihm war, das in seinem Kind weiterleben würde, daß es seine Kräfte waren, tausendmal stärker als in ihm selbst, über die sein Sohn gebieten würde?

»Weder ich noch Yar-gan könnten ihm widerstehen, Skar«, fuhr Gowenna fort. »Du kannst es.«

»Und was soll ich tun?« fragte er bitter. »Es töten?«

»Vielleicht«, antwortete sie leise. »Ich hoffe, daß wir einen anderen Weg finden, Skar. Aber es kann sein, daß uns nur dieser Ausweg bleibt. Vielleicht mußt du es töten, Skar, dein eigenes Kind. Doch wenn, dann nicht mit deinen Händen oder deinem Schwert.«

Er war sich nicht sicher, ob er wirklich verstand, was Gowenna meinte, und etwas in ihm schreckte davor zurück, es auch nur zu versuchen. Aber er spürte, daß er es wissen würde, wenn es soweit war. »Das Kind...«, murmelte er. Sein Blick glitt über die reglose Gestalt der Errish. Wieder lief ein rascher, schmerzhafter Schauer durch ihren Körper. Die Augen hinter den geschlossenen Lidern bewegten sich. Ihre Haut wirkte fast transparent.

»Die Wehen haben begonnen«, sagte Gowenna leise. »Schon vor Stunden. Es ist fast soweit.«

»Hast du es deshalb nicht getan?« fragte Skar mit einer Kopfbewegung auf die dunklen Linien aus geronnenem Blut und die breiten, noch feuchten Wunden an den Innenseiten ihrer Handgelenke. Gowenna starrte ihn an, und Skar senkte betreten den Blick.

»Verzeih«, murmelte er. »Das... wollte ich nicht sagen. Es tut mir leid.«

Gowenna winkte ab. »Ich glaube, wir haben uns gegenseitig zu viel angetan, als daß einer von uns den anderen noch für irgend etwas um Verzeihung bitten müßte«, sagte sie lächelnd. Mit einer unbewußten Geste strich sie durch das Haar und griff nach ihrem Mantel. Skar spürte plötzlich, wie kalt es trotz der prasselnden Flammen hier drinnen war. Das Feuer konnte den Atem des Winters nicht wirklich vertreiben.

»Sie stirbt«, fuhr Gowenna fort, während sie den Mantel überstreifte und seine Spangen schloß. »Ich hoffe nur, sie hält durch, bis das Kind geboren ist.«

»Kannst du... nichts für sie tun?« fragte Skar stockend.

Gowenna verneinte. »Mit leeren Händen?« Ein trauriges Lächeln huschte über ihre Züge. Sie stand auf, ging gebückt zu den beiden Feuerschalen hinüber und warf neues Holz in die Flammen. Skar sah, daß sie es achtlos aus einer der Seitenwände gehackt und kleingetreten hatte. Das Holz war steinhart, aber offensichtlich so spröde, daß es schon unter der geringsten Belastung zerbrach. »Wir Errish vermögen zu heilen und zu helfen«, stellte sie fest, ohne ihn anzusehen, »aber nicht zu zaubern.«

Skar dachte an die Berührung ihrer Hände und den Schmerz, den sie dem Ding in seinem Innersten zugefügt hatte, aber er schwieg. Gowenna kam zurück, ließ sich ihm gegenüber auf die Knie sinken und beugte sich für einen Moment über die schlafende Errish. »Warum gehst du nicht zurück und holst Yar-gan und die anderen?« fragte sie. »Wir werden mit diesen Schiffen nicht fortkommen, aber es wartet sich besser hier drinnen. Es ist wärmer.«

»Warten?« wiederholte Skar. »Worauf?«

Gowenna deutete stumm auf Velas Leib.

»Und dann?« fragte Skar. Ein seltsames Gefühl der Verzweiflung machte sich in ihm breit. »Was ist dann, Gowenna? Was soll ich ihnen sagen - daß es keine Schiffe gibt und sie nach Hause schwimmen müssen?«

Er hatte sie mit diesen Worten verletzen wollen, aber Gowennas Miene blieb unverändert ausdruckslos. »Was ist dann?« wiederholte sie seine Frage, und sie tat es auf so seltsame Weise, daß er unwillkürlich wieder fror. »Es spielt keine Rolle, was mit uns geschieht, Skar«, sagte sie ernst. »Ganz egal, ob wir gewinnen oder verlieren. Wenn dieses Kind seinen ersten Schrei tut, ist unsere Aufgabe beendet. Laß uns darüber nachdenken, wenn wir dann noch leben«, fügte sie mit leicht veränderter Betonung hinzu.

Skar versuchte sich zu konzentrieren, aber es fiel ihm unglaublich schwer, den Sturm einander widersprechender Gefühle in seinem Innern niederzukämpfen und sich den greifbaren Problemen zuzuwenden. »Woher wußtest du, daß sie hier ist?« wollte er wissen.

»Es war der einzig in Frage kommende Ort«, antwortete Gowenna. »Der einzige Ort, an dem ich sie finden konnte.« Sie sog hörbar die Luft ein. Ihr Atem bildete kleine Dampfwölkchen vor ihrem Gesicht. »Ich wußte es, als wir in die Höhle zurückkehrten und sie fort war.« Plötzlich lächelte sie. »Der zweite Fehler, den Helth gemacht hat.«