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Der Mann sah die Bewegung im letzten Moment und wich ihr aus - und besiegelte damit sein eigenes Schicksal. Das nächste Bocken des Drachen brachte ihn vollends aus dem Gleichgewicht; er taumelte zurück, stand einen Moment lang in fast absurder Neigung da, nur noch von der Leine gehalten, die ihn mit dem Nacken des Riesentieres verband - und stürzte mit einem krächzenden Schrei nach hinten, als Skars Klinge ein zweites Mal hochzuckte und das fingerdicke Tau durchtrennte. Mehrere Dinge geschahen gleichzeitig, und so schnell, daß Skar eigentlich erst hinterher begriff, was er getan hatte: Der Krieger stürzte, aber er hatte weniger Glück als seine Kameraden - gleich ein halbes Dutzend tödlicher Horndolche durchbohrten seinen Panzer und töteten ihn auf der Stelle, und im gleichen Augenblick glaubte er so etwas wie einen gedanklichen Todesschrei zu hören, ein lautloses Brüllen tief in seinem Inneren, wie von etwas ungeheuer Großem, ungeheuer Starkem, das sich unter Höllenqualen wand.

Und der Drache hörte auf zu toben. Der Gigant rannte noch ein paar Schritte weiter, ganz einfach, weil er zu plump und zu schwer war, um seine Masse sofort anzuhalten, aber seinen Bewegungen fehlte plötzlich die wütende Raserei, mit der er den winzigen Angreifer abzuschütteln versucht hatte, und schließlich blieb er gänzlich stehen. Ein tiefes, unruhiges Knurren drang aus seiner Brust, der stachelige Schwanz und die riesigen Tatzen scharrten im Schnee, und sein droschkengroßer Schädel bewegte sich verwirrt hin und her, als hätte er von einem Augenblick auf den anderen die Orientierung verloren.

Und genau das war es auch.

Ein Teil von Skar wußte sofort, was geschehen war, ohne daß dieses Verstehen seinem bewußten Denken im allerersten Moment schon zugänglich gewesen wäre. Verstört - und jeden Moment auf einen neuen, entsetzlichen Ruck gefaßt, der ihn vom Rücken des Drachen herunter und geradewegs unter seine Klauen schleudern würde - richtete er sich auf, blickte den toten Drachenreiter an und dann wieder das Ungeheuer, und endlich begriff er.

Mit einem Satz sprang er auf die Füße und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. »Die Reiter!« schrie er. »Greift die Reiter an!«

Seine Stimme ging im Brüllen der Drachen und dem Lärm der bizarren Schlacht hoffnungslos unter, aber irgendwie schien das, was er sagte, doch verstanden zu werden; vielleicht hatte der eine oder andere Mann auch einfach beobachtet, was geschehen war, und die richtigen Schlüsse gezogen - so oder so änderten Dels Satai und die Quorrl jedenfalls ihre Taktik: Aus dem selbstmörderischen Anrennen gegen die beiden horngepanzerten Kolosse wurde ein rasend schneller Rückzug, und plötzlich flogen Pfeile und Speere zu den Rücken der Drachen hinauf. Deren Reiter fanden in dem Gewirr aus Stacheln und Panzerplatten zwar gute Deckung, aber Skar erkannte auch, wie gleich ein halbes Dutzend Quorrl seinem Beispiel zu folgen versuchte und an den Flanken der Riesentiere emporkletterte. Zwei, drei der schuppigen Riesenkrieger wurden abgeworfen und verschwanden unter den stampfenden Beinen der Drachen, aber die anderen kletterten verbissen weiter.

Skar sah nicht weiter zu. Jetzt, wo sie die Achillesferse der Angreifer gefunden hatten, war der Kampf praktisch schon entschieden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die beiden anderen Tiere unschädlich gemacht waren. Und die Opfer? wisperte eine Stimme hinter seiner Stirn. Aber es sind ja nur Quorrl, nicht wahr?

Er verscheuchte den Gedanken, richtete sich vorsichtig auf dem Rücken des Drachen auf und suchte nach der grünen Laufechse. Etwas stimmt nicht, flüsterte die Stimme in ihm. Du hast etwas vergessen, Bruder.

Skar ignorierte auch diesen Gedanken, sprang mit einem federnden Satz vom Rücken des Drachen herunter und glitt im Schnee aus. Hastig rappelte er sich wieder hoch, lief ein paar Schritte und blieb erneut stehen, als jemand seinen Namen rief. Er sah auf und erblickte Del, der auf ihn zugeprescht kam, ein zweites, reiterloses Pferd am Zügel mit sich führend. Ungeduldig wartete er, bis Del bei ihm angekommen war und die beiden Tiere zum Stehen gebracht hatte, dann schwang er sich in den Sattel, riß das Pferd herum und stürmte los.

Der grüne Drache war noch ein gutes Stück weitergerannt - was bei seiner enormen Körpergröße nicht weniger als eine gute Meile bedeutete -, ehe seine Reiterin ihn endlich zum Anhalten gebracht hatte. Skar konnte sie nur undeutlich erkennen, denn die Luft war voller hochgewirbeltem Schnee und Staub, und ihre Gestalt verbarg sich halb hinter dem muskulösen Hals des Riesentieres, aber er sah, daß sie vornübergesunken war, bewußtlos oder zumindest völlig erschöpft, und auch das Tier war am Ende seiner Kräfte. Seine Flanken zitterten, und der kleine, runde Kopf pendelte unablässig hin und her. Die dreifingrigen Pfoten an seinen kleinen Vorderläufen griffen haltsuchend hierhin und dorthin, sein Schwanz peitschte nervös. Die Muskeln in seinen riesigen Hinterläufen zuckten wie unter schnellen, unregelmäßig kommenden Krämpfen. Wenn er stürzte, dachte Skar erschrocken, würde er seine Reiterin einfach unter sich zermalmen. Auch Dels Gedanken schienen ähnliche Wege zu gehen, denn er spornte sein Pferd zu noch schnellerer Gangart an. Nebeneinander sprengten sie auf die riesige Echse zu.

Trotzdem waren sie nicht schnell genug. Skar begriff, was er vergessen hatte, als es zu spät war.

Das Mädchen auf dem Drachen hob müde den Kopf, und für einen Augenblick begegneten sich ihre Blicke. Trotz der Entfernung sah Skar, wie in ihren Augen eine Mischung aus Erleichterung und abgrundtiefem Entsetzen aufglomm, aber er verstand dieses Erschrecken nicht - bis sie den Arm hob und er das silberne Funkeln in ihrer Hand sah.

Del und er reagierten gleichzeitig. Für Bruchteile von Sekunden waren sie wieder das perfekt aufeinander eingespielte Team, das sie vor einem Menschenalter einmal gewesen waren - Del riß sein Pferd nach links und ließ sich gleichzeitig aus dem Sattel kippen, nur noch mit einer Hand und einem Fuß an Zaumzeug und Steigbügel hängend und den Pferdeleib als Deckung zwischen sich und dem Mädchen, eine Taktik, die gegen eine Waffe wie einen Scanner reichlich lächerlich anmutete, aber einfach zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen war, als daß er sie ändern konnte, und Skar tat das gleiche, während er in die entgegengesetzte Richtung auswich.

Aber er begriff auch fast im selben Moment, daß Del und er nicht das Ziel des Drachenmädchens waren.

Hinter ihnen jagten zwei monströse Schatten heran.

Die beiden Daktylen waren kaum mehr zehn Meter hoch, und sie flogen so dicht nebeneinander, daß sich ihre gewaltigen Schwingen fast zu berühren schienen. Der Luftzug der riesigen peitschenden Flügel wirbelte den Schnee auf und trieb eine gewaltige Bugwelle aus kochendem weißen Staub vor sich her. Die Reiter, die ihren Weg kreuzten, wurden schlichtweg aus den Sätteln gerissen oder mitsamt ihren Pferden zu Boden geworfen. Und auch in den Händen der beiden Daktylenreiter waren winzige silberweiße Funken zu erkennen.

Alles ging so ungeheuer schnell, daß Skar zwar registrierte, was geschah, aber nicht einmal mehr dazu gekommen wäre, irgend etwas zu unternehmen, wenn er es gekonnt hätte - was er nicht konnte.

Das Mädchen auf dem grünen Drachen feuerte seine Waffe ab, und eine der beiden Daktylen flammte plötzlich auf wie eine übergroße Motte, die dem Feuer zu nahe gekommen war. Für den Bruchteil einer Sekunde verwandelte sie sich in eine schwarze Silhouette, die in eine Kugel grausam hellen Lichtes getaucht war, dann schlugen Flammen aus ihren papierdünnen Flügeln, griffen in unglaublicher Schnelligkeit auf ihren Körper und den ihres Reiters über und rissen sie regelrecht in Stücke.

Fast im gleichen Augenblick schoß der Mann auf der zweiten Daktyle. Und auch er traf sein Ziel.

Eine dünne Nadel aus Licht bohrte sich in den Leib der grünen Echse, und plötzlich verschwand eines ihrer Hinterbeine in einer brodelnden Feuerwolke. Das Tier brüllte vor Schmerz und Angst, versuchte noch einen Schritt zu machen und brach zusammen.