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Del nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Eine lebt noch. Aber sie wird sterben, ehe die Sonne untergeht.« Seine Stimme klang fast erleichtert.

»Vielleicht kann Bradburn ihr helfen«, schlug Skar vor.

Del sah ihn vielsagend an. Weder er noch irgendeiner der anderen, das begriff Skar plötzlich, war besonders erpicht darauf, daß irgend jemand der verwundeten Errish half. Sie alle hatten Angst vor ihr - und viel mehr noch vor dem Ding, das sie bedeckte. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann erging es ihm nicht anders. Allein der Gedanke, dieses lebendige schwarze Etwas mit in die Festung zu bringen, war ihm zuwider. »Trotzdem«, fällte er seine Entscheidung. »Wir müssen sie mitnehmen. Sie kann uns wertvolle Informationen liefern.« Del wollte widersprechen, aber Skar machte eine rasche, befehlende Geste und wandte sich an die Krieger: »Bereitet alles für den Rückmarsch vor«, gebot er laut. »Und begrabt die Toten. Alle.«

Einer der Männer deutete auf die riesige Panzerechse. »Die Tiere, Herr. Was machen wir mit ihnen?«

Skar überlegte einen Moment. Die Versuchung, die beiden überlebenden Drachen einfach mitzunehmen, um sie eventuell zu zähmen und in der bevorstehenden Schlacht einzusetzen, war verlockend. Aber er spielte nur für eine Sekunde mit diesem Gedanken - es war kein Zufall, daß auf ganz Enwor nur die Errish diese vorzeitlichen Kolosse zu reiten vermochten. Die Zahl der anderen, die es versucht hatten, war groß, aber keiner von ihnen lebte noch. Und Skar war trotz allem nicht sicher, daß die grauen Riesenigel endgültig zu den friedlichen Tieren geworden waren, als die sie sich ihnen im Moment darboten. Er konnte sich wahrhaft Lustigeres vorstellen, als diese beiden Kolosse in der Burg zu haben, falls sie sich plötzlich wieder daran erinnerten, daß sie eigentlich hierhergekommen waren, um Krieg zu führen...

»Wir lassen sie hier«, entschied er. »Vielleicht finden sie den Weg zurück.«

»Es wäre besser, wir würden sie töten«, widersprach Del. Skar schüttelte heftig den Kopf. »Wozu?« fragte er, eine Spur lauter, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Etwas in ihm sträubte sich dagegen, diese beiden Riesenkreaturen einfach sinnlos abzuschlachten. »Sie sind nicht mehr gefährlich.« Er unterstrich seine Worte mit einer neuerlichen, befehlenden Geste - die Del erstaunlicherweise hinnahm, obwohl doch eindeutig er es war, der hier irgend jemandem Befehle zu erteilen hatte. Und nach einer Weile drehte sich Skar ohne ein weiteres Wort um und ging, um sein Schwert zu suchen.

4.

Die Errish überlebte den Tag nicht. Sie starb nicht an den Verletzungen, die sie im Kampf davongetragen hatte und die sich im nachhinein als viel weniger schwer herausstellten, als es im ersten Augenblick den Anschein gehabt hatte, sondern hörte einfach auf zu atmen, kaum eine Minute, nachdem sie das Bewußtsein wiedererlangt und begriffen hatte, wo sie war, und in welcher Lage. Niemand - Bradburn eingeschlossen, der all seine magische Kraft aufgewandt hatte, um genau das zu verhindern, was dann geschah - war sonderlich überrascht darüber. Die unglaubliche Gewalt, die eine Ehrwürdige Frau über ihren eigenen Körper hatte, war Legende; durch die pure Kraft ihres Willens kostete es eine Errish weniger Anstrengung, ihren Herzschlag zum Stehen zu bringen, als es Skar bereitet hätte, für wenige Minuten den Atem anzuhalten. Nein - was ihn erschreckte, das war die Schnelligkeit, mit der es geschah. Er war nicht dabei, aber Bradburn berichtete, daß sie nicht einmal versucht hatte zu fliehen - oder irgend etwas zu tun. Sie war erwacht, hatte begriffen, was geschehen war, und sich selbst getötet, sehr einfach, sehr schnell und sehr konsequent.

Del sagte kein Wort, als Bradburn mit der Nachricht vom Tode ihrer Gefangenen zu ihnen kam, sondern nickte nur, als wäre nur etwas eingetreten, was er mit aller Sicherheit erwartet hatte, und auch Skar verspürte eher Erleichterung als irgend etwas anderes; er bedauerte den Tod der Errish, aber sehr viel stärker war seine Genugtuung, mit ihr auch das entsetzliche schwarze Ding vernichtet zu wissen, das an ihr gehangen hatte. Bradburn hatte Befehl gegeben, die Tote zu verbrennen; zusammen mit allem, was mit ihr in Berührung gekommen war. Wie so vieles hielt Skar auch diese Vorsichtsmaßnahme für übertrieben, aber er widersprach nicht. Er war nicht mehr sicher, ob es wirklich richtig gewesen war, sie überhaupt hierher zu bringen.

»Es war das Netz«, erklärte Bradburn, nachdem er mit seinem Bericht zu Ende gekommen war und eine Zeitlang vergeblich auf irgendeine Reaktion Dels gewartet hatte. »Ich bin sicher, daß es ...« Er zuckte hilflos die Schultern. »... sie irgendwie beeinflußt hat.«

»Dann hättest du dieses verdammte Ding von ihr herunterschneiden sollen, ehe sie das Bewußtsein wiedererlangte«, bemerkte Del. Es war nur ein Gedanke, den er laut aussprach, kein Vorwurf. Und Bradburn lächelte auch nur milde.

»Dann wäre sie erst recht gestorben«, hielt er dagegen. »Ich bin überzeugt, daß es sie getötet hätte.« Er seufzte, ließ sich auf den freien Stuhl neben Del sinken und griff nach dem Weinkrug. Seine Bewegungen wirkten sehr müde, als er sich einige wenige Schlucke der goldfarbenen Flüssigkeit in einen Becher einschenkte und trank, und seine Finger zitterten. Daß er überhaupt Wein trank, überraschte Skar. Er konnte sich nicht erinnern, den Gesichtslosen Prediger jemals irgend etwas anderes als Wasser trinken gesehen zu haben.

»Was war es?« fragte er.

Bradburn leerte seinen Becher, griff abermals nach dem Krug und schreckte mitten in der Bewegung zurück, als würde ihm erst jetzt klar, was er da überhaupt tat. Sein Blick war sehr unsicher, als er Skar ansah. Er wirkte verlegen. »Das Netz?« Skar nickte, und Bradburn fuhr nach einigen Sekunden des Überlegens fort: »Ich weiß es nicht. Eine Art... Parasit, vermute ich.«

»So eine Art Laus, wie?« Dels Spott war ziemlich deplaciert, und Bradburns Blick machte dies auch klar.

»Ja«, entgegnete er und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Aber eine, die hier sitzt.«

»Woher willst du das wissen, wenn du keine Ahnung hast, was es eigentlich war?« fragte Del scharf. Er war nervös, und wie es seine Art war, reagierte er mit Ungeduld und steigender Gereiztheit auf dieses Gefühl.

»Ich habe es gespürt«, antwortete Bradburn einfach. Dels scharfer Tonfall beeindruckte ihn nicht im mindesten, ebenso wie seine Gereiztheit einfach von ihm abzuprallen schien; obwohl er Del seit Jahren kannte und wissen mußte, daß er ihn damit nur noch mehr in Rage brachte.

»Gespürt, so?« fauchte Del. »Einfach so?«

»Einfach so.« Bradburn seufzte, warf Skar einen verzeihung-heischenden Blick zu und griff abermals nach dem Weinkrug. Diesmal schenkte er sich den Becher randvoll. Skar unterdrückte ein Lächeln. »Und ich kann denken«, fuhr Bradburn nach einigen Schlucken fort, ohne den Becher abzusetzen. »Und zwei und zwei zusammenzählen.«

»So? Und worauf kommst du? Auf sieben?«

Bradburn ignorierte die Spitze. »Ihr hättet einen der Drachen mitbringen sollen«, sagte er.

»Das wollte ich«, gab Del ärgerlich zurück. »Aber er paßte nicht in meine Satteltaschen.«

»Es hätte vieles erleichtert, wenn ich ihn mir hätte ansehen können«, fuhr er unbeeindruckt fort.

»Wozu?« fragte Skar, ehe Del abermals auffahren konnte. Bradburn zögerte einen Moment mit der Antwort. Dann zuckte er die Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand er. Plötzlich wurde er zornig. »Verdammt, auch ich kann nur raten, Del. Nichts ist mehr so, wie es sein sollte! Die Errish waren immer unsere Freunde, und plötzlich greifen sie uns an!« Er deutete mit einer fast angewiderten Geste auf den silberfarbenen Scanner, der vor Del auf dem Tisch lag. »Sie haben diese Teufelswaffen niemals gegen Menschen eingesetzt, Del, niemals! Und ich habe niemals gehört, daß sie ihre Drachen in den Kampf geführt hätten, außer um sich zu verteidigen! Was soll ich noch glauben? Was ... was gilt noch, von den alten Werten, Del?«