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»Vielleicht stehen sie auf der Seite der Sternengeborenen«, mutmaßte Del.

Bradburn schnaubte. »Unmöglich! Nicht die Errish!«

»Warum haben wir dann seit zwei Jahren keine von ihnen mehr gesehen?« fragte Del. Er beugte sich vor und funkelte Bradburn fast feindselig an. »Warum dringt seit zwei Jahren kein Wort mehr über die Grenzen des Drachenlandes? Warum ist keiner der Boten und Kundschafter zurückgekommen, die wir nach Elay geschickt haben? Warum -«

Er brach mitten im Satz ab, sah Bradburn betroffen an und ballte schließlich die Faust. Er tat es mit solchem Zorn, daß seine Muskeln dabei wie dicke Stricke durch die Haut traten, und trotzdem wirkte die Geste mehr als alles andere kraft- und hilflos. »Vielleicht haben Drasks Brüder sie auch schon in ihrer Gewalt«, murmelte er schließlich.

Bradburn lachte leise. »Die Zauberpriester? Unmöglich, Del. Sie haben es nicht geschafft, die Satai zu unterwandern; nicht einmal die Veden, obgleich sie ein abergläubisches Volk sind, das dafür bekannt ist, jeden Unsinn zu glauben. Denkst du wirklich, einer von ihnen hätte auch nur einen Fuß nach Elay hineinsetzen können, ohne daß die Errish nicht sofort gewußt hätten, was er wirklich will?«

»Nein«, gestand Del übellaunig. »Das glaube ich nicht. Aber verdammt noch mal, was ist dann in Elay geschehen? Wo sind die Errish und ihre Drachen?«

»Das Mädchen wird uns diese Fragen beantworten«, war sich Skar sicher. »Sobald es erwacht ist.« Er sah Bradburn an. »Wann?«

»Wann immer ihr wollt«, antwortete der Prediger. »Ich habe ihr einen Trank gegeben, der sie schlafen läßt, bis ich sie aufwecke. Sie ist nicht schwer verwundet, aber völlig entkräftet. Ihrem Zustand nach zu urteilen, muß sie lange unterwegs gewesen sein. Besser«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu, »ihr laßt sie gründlich ausschlafen, ehe ihr sie befragt.«

»Es ist ein weiter Weg nach Elay«, stellte Del fest. -»Wenn sie aus Elay kommt.«

Skar sah auf. »Das klingt, als hättest du Angst davor.«

»Du nicht?« Del schnaubte. Seine Augen wurden schmal, und plötzlich war er gar nicht mehr der herrische, stets ein wenig ungeduldige Heerführer, sondern nur noch ein sehr besorgter Mann. Vielleicht sah Skar ihn auch nur so, weil er ihn so sehen wollte.

»Wenn das alles stimmt, Skar, dann ist die Lage in Elay schlimmer, als ich befürchtet habe. Die Errish nicht auf unserer Seite zu haben, ist arg genug. Sie zu Feinden zu haben, wäre... entsetzlich.«

Er stand auf, ging zum Fenster und blickte eine Weile wortlos auf den Hof hinab. Dann, ganz plötzlich, fuhr er herum und sah Bradburn an.

»Wir müssen mit diesem Mädchen reden«, erklärte er in einem Ton, der keinen Widerspruch mehr duldete. »Geh und wecke sie auf. Niemand soll mit ihr reden, bevor Skar und ich nicht bei ihr waren.«

Bradburn nickte. Sein Gesichtsausdruck verriet, daß er mit Dels Entscheidung nicht einverstanden war, aber er widersprach nicht. »Gebt mir eine halbe Stunde«, bat er. »Und verlangt nicht zu viel von ihr. Sie wird völlig verängstigt sein.«

»Sie machte mir keinen sehr ängstlichen Eindruck, als sie mit dem Ding da auf uns gezielt hat«, warf Del mit einer ärgerlichen Geste auf den Scanner ein, der wie ein silbernes Spielzeug neben seinem Becher lag.

Bradburn seufzte nur. Aber er sah wohl ein, daß es reine Zeitverschwendung war, sich weiter mit Del zu streiten, denn er wandte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ den Raum. Del setzte sich wieder, gähnte ungeniert und legte die Füße auf den Tisch. Nachlässig griff er nach dem Scanner und drehte ihn versonnen in den Fingern. Zwischen seinen gewaltigen Pranken wirkte die Waffe jetzt wirklich wie ein Kinderspielzeug; es fiel Skar für einen Moment schwer, sich vorzustellen, welch entsetzliche Macht unter dem harmlos schimmernden Metall lauerte. »Tu das weg«, sagte er. »Bitte.« Del zog die linke Augenbraue hoch und sah ihn an, und Skar fügte hinzu: »Es macht mich nervös.«

Del nickte, legte den Scanner aber nicht auf den Tisch zurück, wie Skar gehofft hatte, sondern schob ihn mit einer nachlässigen Geste unter den Gürtel. Skar runzelte mißbilligend die Stirn, verbiß sich aber eine entsprechende Bemerkung. Del wußte zehnmal besser als er, daß es gegen die Regeln der Satai verstieß, eine solche Waffe auch nur zu berühren. Aber er begriff auch, daß Dels so bewußt zur Schau gestellte Gelassenheit nur Maske war, und nicht einmal eine sehr gute. Hinter seinem abfälligen Grinsen brodelte es. Er wußte so gut wie Skar, daß das, was sie am Vormittag erlebt hatten, viel mehr als nur eine Episode in diesem Krieg war. Es war wichtig. Ungeheuer wichtig. Und es hatte irgend etwas mit dem zu tun, was Drask ihm hatte sagen wollen. »Dieses Netz macht mir Angst«, gestand Del plötzlich. Er lächelte noch immer, aber in seinen Augen flackerte es, und seine Hände lagen ein wenig zu entspannt auf den Armlehnen des Stuhles. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen, Skar. Aber ich weiß nicht mehr, wo.«

Skar nickte. Zum ersten Mal, seit sie in die Festung zurückgekommen waren, stimmte er vollkommen mit Del überein. Auch ihn beunruhigte die entsetzliche Veränderung, die mit den Errish vonstatten gegangen war, sehr viel mehr, als er zugeben wollte. Und es war nicht allein die Fremdartigkeit dieses sonderbaren - wie hatte Bradburn es genannt? -Parasiten, die ihn so erschreckte. Viel stärker quälte ihn der Gedanke, etwas ganz Ähnlichem schon einmal begegnet zu sein, vor sehr langer Zeit und unter keinen sehr guten Umständen.

Und das war nicht alles. Da waren die Drachen, Echsen einer Art, wie sie noch keiner von ihnen jemals zu Gesicht bekommen hatte, und die absonderlichen, erschreckenden Rüstungen der Errish, Rüstungen, die nicht nur dem Panzer menschengroßer Insekten nachempfunden, sondern auch aus dem entsprechenden Material gefertigt waren. Etwas in ihm wußte sehr wohl, was dieser Umstand bedeutete, aber er weigerte sich einfach, auch nur über die bloße Möglichkeit der Existenz menschengroßer Insekten nachzudenken.

»Willst du immer noch gehen?« fragte Del unvermittelt.

Die Frage überraschte Skar, denn nach allem hatte er damit jetzt zu allerletzt gerechnet. Er reagierte nicht, aber tief in sich wußte er die Antwort - er wollte, und er mußte gehen. Drask hatte recht gehabt, mit dem, was er sagte. Etwas war falsch, grundlegend falsch, an diesem ganzen Krieg. Nicht die Tatsache, daß sie ihn führten, denn sie hatten keine andere Wahl, wollten sie Enwor nicht der Herrschaft der Zauberpriester überlassen, und damit der Sternengeborenen, die unsichtbar hinter ihnen standen. Auch nicht die Art, wie sie ihn führten, denn sie hatten alle Vorteile auf ihrer Seite. Nach Drasks Tod und dem Fall der Trutzburg stand der Weg nach Osten für sie offen, und der Walze aus vierzigtausend Quorrl und fast zwanzigtausend Satai und Veden würde nichts widerstehen; ganz einfach, weil es auf ganz Enwor nichts gab, das dieser geballten Macht gewachsen wäre. Skar gab den Zauberpriestern und ihren Verbündeten drei Monate; vier, allerhöchstens.

Und doch: Dies alles mochte - logisch betrachtet - richtig sein, und trotzdem war es falsch. Sein Hiersein war falsch. Dieser Kampf war nicht mehr sein Kampf. Er war es niemals gewesen. Die Dinge, so weit er sie überhaupt jemals in der Hand gehabt hatte, begannen ihm zu entgleiten. Vom Kampf gegen Vela und den Dronte über sein Zusammentreffen mit dem Daij-Djan hin hatte sich eine Auseinandersetzung, die im Grunde nur ihn anging, zu einem Krieg entwickelt, der diese ganze Welt in Flammen zu setzen drohte. Aber es war falsch. Seine Rolle in diesem Spiel war eine andere; und er wußte sogar, welche. Das Wissen darum war in ihm, tief in seinem Inneren verborgen, zwar seinem bewußten Zugriff noch entzogen, aber da. Es war immer dagewesen, so wie dieses entsetzliche dräuende Ding in ihm immer dagewesen war, dieses Etwas, das die meiste Zeit schlief und nur manchmal erwachte; und jedesmal schrecklicher und stärker war als vorher.